Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 12.05.2019
Betr.: Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 7.5.19: „Der schwierige Freund schaut kurz vorbei“ von Daniel Brössler, SZ vom 8.5.19: „Pompeo sagt Besuch in Berlin ab“ von DBR, Eli, PKR
Absage des angemeldeten ersten Besuches des US-Außenminister Mike Pompeo in Berlin nicht zu bedauern
Die derzeitigen Krisenherde und Konflikte, die die internationale Agenda belasten, sind Folge einer brutalen völkerfeindlichen Außenpolitik der USA und ihrer Komplizen in der EU und anderswo. In diesem Zusammenhang ist die Absage des angemeldeten ersten Besuches des US-Außenminister Mike Pompeo in Berlin (Di 7.5.) gar nicht zu bedauern, sondern erst einmal zu begrüßen. Als US-Falke hat er selbst Krisen und Konflikte angezettelt, die er dann als Gesprächthemen nach Berlin tragen wollte. Dass der unerwünschte Amerikaner kurzfristig seinen Besuch absagte, gibt Anlass zu Spekulationen. Nicht einmal die mitreisenden Journalisten waren über seine kurzfristige Absage (Di 7.5.) informiert! Es ist plausibel zu vermuten, dass Pompeo nicht riskieren wollte, vor der deutschen Öffentlichkeit bloßgestellt zu werden. Da der Dissens mit Berlin grundsätzlicher Art und weit ist, wäre sein Auftritt ein peinliches Schlamassel geworden. Aber das war von den USA vorauszusehen.
Brutale US-Außenpolitik
In der Tat gehen alle Aggressionskriege und Krisen bis zum jüngst gescheiterten Putschversuch in Venezuela auf das Konto einer brutalen US-Außenpolitik, die die internationalen Regeln grob mißachtet. Die US-Ausgaben für Rüstung und Krieg erreichen eine obzöne Summe. Die Europäische Union und ihre NATO-Partner schrauben ihre Militärausgaben in nie dagewesene skandalöse Höhen. Nicht einmal im Kalten Krieg waren solche ungeheuerlich extrem hohen Militärausgaben vorstellbar. <Im Kalten Krieg wie auch heute wird diese höchst gefährliche Geldverschwendung mit der „gewachsenen Bedrohung“ begründet, und die kommt angeblich in erster Linie von Russland und China.
Medien in den EU-und NATO-Ländern nicht im Interesse der Menschen
Nun offenbart der jüngste SIPRI-Bericht, dass allein die USA für 36% der 1,822 Billionen Dollar verantwortlich sind. Der Anteil Chinas liegt bei etwa 14 Prozent, danach folgen mit gleichen Anteilen von 3,7 Prozent das von den USA und anderen NATO-Staaten hochgerüstete Saudi-Arabien und die Atommacht Indien. Kurz danach wird Frankreich mit 3,5 Prozent genannt, und erst dann folgt das ach so aggressive Russland mit einem Anteil von 3,4 Prozent. Unter den Ländern mit den höchsten Ausgaben folgen übrigens noch die NATO-Länder Britannien und Deutschland.> („Legende und Wahrheit“ von Uli Brockmeyer über Militärausgaben, UZ 3.5.19) Weil die Medien in den EU-und NATO-Ländern nicht im Interesse der Menschen berichten, haben die deutsche Nachrichtenagentur „dpa“und die ARD-Rundfunk- und Fernsehanstalten diese besorgniserregende Wirklichkeit verstellt. Die Antwort auf die Frage, ob die sogenannten „Verteidigungsausgaben“ weiter ansteigen werden, erübrigt sich angesichts der ungeheuerlichen Rüstung der USA und ihre Verbündeten und angesichts der Tatsache, dass alle NATO-Länder die „Modernisierung“ genannte Aufrüstung mit Atomwaffen mittragen. Die europäische Bevölkerung bezahlt dafür. Wollte das Bundeskanzleramt dieses heikle Anliegen mit Pompeo klar und deutlich ansprechen?
Deutsche Strategie gegenüber den USA eindeutig und klar zeigen
Bundeskanzlerin Angela Merkel muss endlich ihre Richtlinienkompetenz einsetzen, um Klarheit in einem peinlich verirrten Auswärtigen Amt zu schaffen. Eine deutsche Strategie gegenüber den USA sollte unmissverständlich zeigen, wo die Berliner Regierung steht, wofür und wogegen sie sich auf der internationalen Bühne engagiert und politisch-diplomatisch kämpfen will. Genau dies hätte das Bundeskanzleramt vor dem angekündigten Besuch des Washingtoner Falken Mike Pompeo in Berlin kundtun müssen, nämlich sich ganz fern von der widerlichen inhumanen Außenpolitik der USA positionieren. Einen Schulterschluss mit Washington zu suchen hieße, weiter in die Irre zu laufen. Die völkerrechtswidrige Politik der Vereinigten Staaten hinterlässt weltweit einen schrecklichen Scherbenhaufen. Ihre destruktive Rolle sollte bei jeder Gelegenheit deutlich angesprochen und kritisiert werden. Dem Abgeordneten Stefan Liebich (DIE LINKE) ist nur zuzustimmen. Pompeo hätte sich von der Bundesregierung deutliche Worte anhören müssen, was ein anmaßender Mike Pompeo vermeiden wollte. Entschied er deshalb so kurzfristig, seinen Besuch in Berlin abzusagen? Wohl eher nicht, Diplomatie, öffentliche Politikerauftritte werden zigmal von professionellen PR-Beratern in allen Einzelheiten besprochen und folgen einem bis ins kleinste Detail durchdachten Drehbuch. Das gilt besonders für die USA. Gegenüber Berlin war es wohl als angebracht entschieden worden, eine Geste der Geringschätzung öffentlich zu platzieren, vor allem angesichts des klaren deutschen Widerstands gegenüber der US-Forderung nach Aufgeben der zweiten russisch-deutschen Gasleitung durch die Ostsee, das Projekt „Northstream 2“. Das hat man sicherlich auch so im Bundeskanzleramt verstanden.
Kriminelle Interventionspolitik der USA als „made in Germany“ weiterführen?
Wie auch immer sonst dieses imperiale US-Theater zu verstehen sei, Berlin braucht keineswegs eine Partnerschaft mit dem Verursacher der großen aktuellen Krisen, um die Interessen Deutschlands in der Welt wahrzunehmen. Allerdings wirkt ein labiler, schwacher und inkompetenter Außenminister Heiko Maas völlig überfordert, der jede Gelegenheit nutzt, um sich als Vasall der USA anzudienen, als ob er die kriminelle Interventionspolitik der USA als „made in Germany“ weiterführen wollte.
Es ist ein tödlicher Irrtum immer noch an die Amerikaner als Freunde zu glauben und die aktive skrupellose kriminelle Potenz Washingtons in Kauf zu nehmen. Freundschaft mit einem Mörder und seine Präsenz zuhause auf deutschem und europäischen Boden zu erlauben, ist völliger Unfug, der nicht zu verantworten ist. Die Folgen können für Deutschland und Europa irreparabel sein.
Die in der UNO-Charta verankerte Souveränität und die Gleichheit der Staaten vor dem Völkerrecht müssen auch für die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland gelten. Die Bundesregierung muss die Schließung von US-Einrichtungen, der Militärbasis in Ramstein und der zentralen US-Militärhauptquartiere und anderen US-Einrichtungen in Stuttgart, Wiesbaden, Bitburg, Spengdahlen und anderswo verordnen. Der Truppenstationierungsvertrag mit den USA ist zu kündigen. US-Konsulate sind nur zu konsularischen Zwecken zu gestatten und nur die dazu notwendige Personalstärke zu erlauben. Der Generalbundesanwalt muss ein Ermittlungsverfahren einleiten, das klärt, ob von hiesigen US-Einrichtungen Drohneneinsätze zur gezielten Tötung von Menschen zumindest unterstützt worden sind. Alle US-Atomwaffen auf deutschem Boden sind zu entfernen.
Historische Krönung der Amtszeit von Angela Merkel: Gesamteuropäisches Sicherheits- und Friedensprojekt gestalten
Die Außenpolitik wird im Kanzleramt vorgezeichnet. Es gibt keinen transatlantischen Kampf. Es muss aber darum gehen, möglicherweise gegen Widerstände aus den USA, ein gesamteuropäisches Sicherheits- und Friedensprojekt zu gestalten, wie Kanzler Helmut Kohl und Außenminister Hans-Dietrich Genscher schon nach der Wende 1990 erkannten und konzipiert hatten. Merkel ist an der Reihe, jetzt dieses europäische Friedensprojekt zusammen mit Russland ohne weitere Verzögerung zu verwirklichen. Das wäre die Krönung für Angela Merkel, ja, die historische Krönung ihrer Amtszeit als Kanzlerin Deutschlands.