Trumps größte Herausforderung

Nahostpolitik

Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 27.06.2019

Betr.: Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 25.6.19: „Der Ruf des Falken bleibt unerhört“ von Alan Cassidy

Drei Staaten als Kriegsclique: Israel, Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate

Es ist zu begrüßen, wie nüchtern ein neuer SZ-Journalist, Alan Cassidy, die Erkenntnis des US-Präsidenten Donald Trump über seine besorgniserregende Umgebung beschreibt. Radikale, Fanatiker und Irre haben seit der Bush-Administration große Teile der arabischen Welt ins Verderben gestürzt. Falken bilden eine Kriegsclique zusammen mit dem israelischen Premier, dem Kronprinzen von Saudi Arabien und dem Scheich der Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Es ist darauf aufmerksam zu machen, dass diese drei Staatschefs an der Spitze von reaktionären unerwünschten Regierungen im Nahen Osten einen terroristischen Krieg in Syrien führen und skrupellos die ganze Region in einem Flächenbrand untergehen lassen können.

John Bolton als US-Sicherheitsberater ein großer Fehler

Ein großer Fehler von US-Präsident Donald Trump war, John Bolton als seinen Sicherheitsberater zu ernennen. <Er steht für die Kräfte, die sich ein möglichst hartes, gerne auch militärisches Vorgehen gegen Teheran wünschen – und dies Trump bei jeder Gelegenheit mitteilen..> („Der Ruf des Falken bleibt unerhört“ von Alan Cassidy, SZ am 25.6.19)

Trumps Entscheidung vom vergangenen Donnerstag (20.6.), einen Militärschlag gegen iranische Einrichtungen in letzter Minute abzusagen, widerspiegelt seinen gesunden Menschenverstand und Besonnenheit. Ganz anders als Bush ist Trump offen für rationale Überlegungen. <„Diese Leute wollen uns in einen Krieg treiben, und es ist widerlich“, sagte Trump laut Wall Street Journal am Wochenende (23./24.6.19)… „John Bolton ist absolut ein Falke“ sagte Trump in einem Interview mit NBC. „Wenn es nach ihm ginge, würde er gegen die ganze Welt ziehen“. Das spiele aber keine Rolle, so Trump weiter, weil er sich schließlich verschiedene Meinungen anhören wolle.

Bolton, grauer Scheitel… ist der Verlierer der letzten Tagen.> Und neben ihm auch der israelische Premier und seine Komplizen aus Riad und Abu Dhabi, deren aggressive Haltung zu Iran gut belegt ist. Alle drei sprechen sich schon seit langem für einen Regimewechsel in Teheran aus. <Bolton ist, mit Außenminister Mike Pompeo, der Architekt der scharfen Sanktionspolitik, welche die USA gegenüber Iran eingeschlagen haben. Bolton war es auch, der im Mai die Entsendung eines Fulgzeugträgers in die Region ankündigte…viele in Washington glaubten, dass es ihm gelingen würde (Iran militärisch anzugreifen). Das hat mit Boltons Vorgeschichte zu tun. Der 70-Jährige hat große Regierungserfahrung, er weiß, wie der gewaltige sicherheitspolitische Apparat der USA funktioniert und wie er sich lenken lässt.> Gerade das macht ihn hoch gefährlich, fähig, über den Kopf des Präsidenten hinweg das Militär zu kommandieren und die US-Administration einen fatalen Krieg lostreten zu lassen. Es wäre ratsam, dass Donald Trump ihn sofort entlässt und die Außenpolitik selbst in die Hand nimmt, bevor er einen angemessenen Sicherheitsberater ernennt.

<… unter Präsident George W.Bush gehörte Bolton, damals Staatssekretär für Rüstungskontrolle, zu den prominentesten Fürsprechern des Irak-Kriegs von 2003. In weiten Kreisen galt Bolton deshalb als diskreditiert, politisch tot.> Unbegreiflich, wieso Trump einen solchen Irren auf den Posten des Sicherheitsberaters ins Weiße Haus holte, eine gravierende Fehlentscheidung mit fatalen Folgen, wie die Eskalation am Golf jetzt erkennen lässt. Klar: Trump ist nicht Bush. Kein militärisches Abenteuer mehr einzugehen, war sein zentrales Wahlversprechen. <Er könne seine Wiederwahl im Fall eines neuen Kriegs vergessen. So laut New York Times… Seit dem 11.September 2001 habe jeder US-Krieg im Desaster geendet… Trump tue das richtige, indem er den Rat jener ignoriere, die ihn zum Angriff überreden wollten. Am Freitag (21.6.) legte er nach: In einer langen Tirade nannte er Bolton eine Art neokonservativen Zombie und „Parasiten“, der trotz seiner vielen Fehler „für immer in den Eingeweiden des Regierungsapparats fortlebt, um ab und zu aufzutauchen und Schmerz und Leid zu erzeugen“…Trump teilte auf Twitter mit, er würde die amerikanische Präsenz in der Straße von Hormus am liebsten reduzieren… „Wir brauchen gar nicht mehr dort zu sein“, schrieb Trump. „Warum beschützen wir seit vielen Jahren die Schiffsrouten für andere Länder ohne jede Entschädigung?“> („Der Ruf des Falken bleibt unerhört“ von Alan Cassidy, SZ 25.6.19)

Stellungnahme des US-Präsidenten zu seinem Sicherheitsberater Bolton bei ARD und ZDF verschwiegen

ZDF-Heute und ARD-Tagesschau sollten die Stellungnahme des US-Präsidenten gegenüber dem Falken John Bolton nicht verschweigen. Das ARD/ZDF-Mittagsmagazin vom 25.6 versäumte es auch, dieses für Bolton unschöne Urteil des US-Präsidenten bekannt zu geben. Stattdessen bekam der FDP-Bundestagsabgeordnete Graf Lambsdorff, der als Mitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft ganz offensichtlich unter zionistisch-israelischem Regierungseinfluss steht, einen Auftritt, hatte aber nichts substantielles und sachgemäßes zu sagen. Eher wirkte der FDP-Politiker hinsichtlich Iran und Nahost wie von ihm gewohnt völlig realitätsfern. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen müsste eine intelligente Stimme vom Kaliber des verstorbenen Scholl-Latour zur Lage am Golf interviewen, zum Beispiel die Islamwissenschaftlerin und freie Journalistin Karin Leukefeld.

Sanktionen zerstörerisch und Kriegsakte

Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif protestierte in aller Schärfe gegen die Attacken und Inkursionen am Golf. <Wie schon nach den Anschlägen am 12. Mai betonte Sarif, eine dringend notwendige politische Schlussfolgerung sei es, einen „regionalen Dialog“ zu fördern und ein Forum der Anrainerstaaten des Persischen Golf zu bilden. Das sind neben dem Iran auch dessen Nachbarstaat Irak sowie Kuwait, Bahrain, Katar, Oman und vor allem Saudi- Arabien.> („Rätselraten um Öltanker“ von Knut Mellenthin, junge Welt 14.6.19) <Über einen Brief an den Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, rief der iranische Botschafter bei den Vereinten Nationen die USA auf, ihre „illegalen und destabilisierenden Maßnahmen“ am Golf zu beenden.> („Kartenlesen im Krisenmodus“ von Anna Reuss, SZ 22.6.19). Der UN-Sicherheitsrat, der aufgerufen wurde, sich mit dem Anliegen am Golf zu befassen, muss sich auch mit der unmenschlichen völkerrechtswidrigen westlichen Blockadepolitik beschäftigen. <Darauf hat der UN-Sonderbeauftragte Idriss Jazairy Ende Mai aufmerksam gemacht, als er auf Einladung der ärztlichen Friedensorganisation IPPNW nach Berlin gekommen war. Die Sanktionen, die von der EU gerade erst wieder um ein weiteres Jahr verlängert worden sind, seien „zerstörerisch“ und ein Akt des Krieges … so der Spitzendiplomat der Vereinten Nationen. „Aufgrund ihres umfassendes Charakters haben diese Maßnahmen verheerende Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft und das tägliche Leben der einfachen Menschen gehabt. Diese Auswirkungen haben ihre Leiden infolge der verheerenden Krise, die sich seit 2011 ausbreitet, noch verschlimmert.“

Sanktionen unvereinbar mit Sorge für Menschenrechte

Jazairy, Sonderberichterstatter des Menschenrechtsrates der UNO … nannte es „paradox“ dass die Zwangsmaßnahmen im Westen mit der Sorge um die Menschenrechte in Syrien begründet werden, während sie gleichzeitig „unmittelbar zur Verschärfung der humanitären Krise beitragen“… “Egal wo Sie hinsehen, die Lage verschlimmert sich“ resümierte Jazairy in einem am 15.Juni auf den Nachdenkseiten veröffentlichten Interview, „und das, obwohl die Kämpfe abgeklungen sind. Außer in Idlib und einigen Grenzgebieten herrscht heute in den meisten Gebieten Syriens Frieden, dennoch verschlechtert sich die Lage… weil die Sanktionen aufrechterhalten werden“…. so ausführlich und kategorisch der UN-Sonderbeauftragte Idriss Jazairy, ohne dafür in den deutschen Mainstreammedien Resonanz zu finden.> („Krieg mit anderen Mitteln – UN-Sonderbeauftragter fordert Aufhebung der Sanktionen“ von Rüdiger Göbel, junge Welt 20.6.19, Subtitel d.A.) Durch völkerrechtwidrige Taten Deutschlands und anderer EU-Staaten wie die unmenschlichen Sanktionen gegen das syrische Volk und ihre Gleichgültigkeit zeigende Haltung gegenüber dem amtlichen Bericht des UN-Menschenrechtsrates, der die Unmenschlichkeit solcher Sanktionen offiziell belegt, zementieren Deutschland und die EU ihre Falschheit und ihren Zynismus, was die Sorge für Menschenrechte und gelebte Rechtstaatlichkeit angehen, die sie mit Füßen treten.

Kriegshandlungen annullieren glaubwürdige Außenpolitik, Cyberattacken erst recht

Die Sanktionen gegen den Iran wirken ebenso menschenfeindlich, strangulieren die Wirtschaft und verschlimmern auch das Leben der Menschen im Iran. Kriegshandlungen annullieren eine glaubwürdige Außenpolitik. Darüber hinaus noch eine Zuspitzung: <US-Sicherheitsberater John Bolton hatte erst vor wenigen Tagen eine Cyberoffensive gegen Russland, Iran, China und Nordkorea angekündigt…. Mehrmals sei die Drohne (am Donnerstag 20.6.) gewarnt worden, nicht in den iranischen Luftraum einzudringen. In unmittelbare Nähe sei zudem ein US-Spionageflugzeug… mit 35 Soldaten an Bord geflogen. Die US-Administration solle bedenken, dass „ein falsches Handeln“ gravierende Folgen haben könnte, erklärte am Sonntag (23.6.) Generalmajor Gholam-Ali Rashid vom Generalstab der iranischen Streitkräfte… „Zumindest mit dem Leben ihrer Soldaten sollten die Amerikaner gewissenhaft umgehen und es nicht unnötig gefährden.“ Unterdessen warnte Bolton den Iran am Sonntag (23.6.) deutlich. „Unser Militär ist wieder aufgebaut, neu und jederzeit einsatzbereit, bei weitem das beste der Welt“, sagte er bei einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Jerusalem. Präsident Trump habe einen geplanten Angriff auf den Iran nur „zum gegenwärtigen Zeitpunkt“ gestoppt, betonte er. Die USA werden laut Bolton weitere scharfe Sanktionen gegen den Iran verhängen. Die New York Times berichtete, er werde bei seinem Besuch auch israelische Experten treffen, die in der Vergangenheit mehrfach Angriffe auf die iranischen Atomanlagen simuliert hätten. Israel habe vor einem Jahrzehnt gemeinsam mit den USA eine Cyberattacke auf iranische Atomeinrichtungen unternommen.> ( „Cyberattacke auf den Iran“ von Karin Leukefeld, junge Welt 24.6.19)

<Die russische Regierung warnte vor einer weiteren Zuspitzung der Kriegsgefahr in der Golfregion. Die Anwendung von Gewalt durch die USA wäre „eine Katastrophe für die Region“, sagte Staatschef Wladimir Putin (20.6.). Schon zuvor hatte das russische Außenministerium Washington vorgeworfen, einen Krieg provozieren zu wollen. (“Iran schießt Drohne ab“ von André Scheer, junge Welt 21.6.19)

Israel eine Last für Washington

Der US-Präsident Donald Trump muss erkennen, wie gefährlich die Verkoppelung USA/ Israel ist. Der israelische Premier wirkt seit langem wie eine Last für Washington. Gerade diese verheerende Bindung kann ein Extremist wie Bolton ausnutzen, um einen hinterhältigen Angriff auf den Iran zu dirigieren. Dringend ist es deshalb, dass sich der US-Präsident einschaltet und den frechen anmaßenden Bolton aus der Szene definitiv entfernt, damit er aufhört, über die Lage am Golf Verwirrung zu stiften und Eskalation zu betreiben. Dasselbe gilt für den Außenminister Mike Pompeo, der sich als Boltons Schatten bewegt. <Unterdessen traf US-Außenminister Michael Pompeo am Montag (24.6) zu Gesprächen in Saudi Arabien ein. Er hatte am Sonntag (23.6.) von einer „globalen Koalition“ gegen den Iran gesprochen, die die Golfstaaten, Asien und Europa einschließen solle! Er bestätigte auch neue Sanktionen… Russland halte diese für gesetzeswidrig, wie Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag (24.6.) in Moskau sagte.> („US-Cyberangriff auf Iran nicht erfolgreich“ , junge Welt 25.6.) Erwarten Berlin und die EU, dass der neue Interimschef des Pentagon, Mark Esper, der zum NATO-Gipfel nach Brüssel Ende Juni kommt, die NATO-US-Satelliten für einen Krieg gegen den Iran bittet? Die Unzurechnungsfähigkeit gewisser Falken-Kriegscliquen Europas lässt jede unverschämte Zumutung zu.

Zur Deeskalation der Golf-Krise beitragen

Sollte der US-Präsident wirklich zur Deeskalation der Golf-Krise beitragen und konstruktive Gespräche mit dem Iran führen wollen, muss er auf Zwang und Härte verzichten. Niemand verhandelt unter Drohung und Zwang. Je willkürlicher und bedrohlicher der jetzige US-Präsident mit verschärften Sanktionen gegen den Iran handelt, desto mehr verschließt er selbst jede Perspektive für Entspannung. Es ist völlig verständlich, dass die Teheraner Regierung keinen Kontakt mit Trump suchen wird, da es keine Vertrauensbasis gibt, seitdem das Weiße Haus vertragliche Verpflichtungen mit dem Iran verkennt und wie ein Gangster-Boss auf Druck im Umgang mit dem Iran verharrt. Die einfachen Bürger der USA wie alle anständigen Menschen in der Welt missbilligen Mafia-Methoden.

Der Iran, Irak, Türkei und Syrien festigen ihr regionales Bündnis. Solange der terroristische Krieg in Syrien andauert, wird Teheran Damaskus dabei helfen, sich zu verteidigen und alle Kampfgruppen aus dem Land vertreiben. Es geschieht auf Bitte der syrischen Regierung. Das sollte Premier Netanjahu wahrhaben. Israel hat sich aus syrischem Territorium zurückzuziehen. Ein friedliches Israel ohne Atomwaffen wäre wünschenswert und ein Glück für den Nahen/Mittleren Osten.

Hoffentlich schafft der US-Präsident eine Kehrtwende der verschwenderischen und unmenschlich destruktiven Außenpolitik in Nahost. Dem steht aber ein langer Weg mit vielen Stolpersteinen bevor. Die Posten des US-Sicherheitsberaters und des Außenministers mit angemessenen Leute zu besetzen, verlangt eine sehr sorgfältige Wahl des Präsidenten. Solange es dabei Zweifel gibt, ist der Teufel, den man kennt, besser als eine erneute Fehlbesetzung.

Das Primat der Politik durchsetzen

Washington hat aufzuhören, weiterhin Soldaten und Rüstungsgüter in andere Länder zu verlagern und Geld an sein Militär zu verschwenden. Russland damit abschrecken zu wollen, ist völlig irrer Blödsinn, eine unsinnige Zielsetzung, die von krankhaft besessenen Ungeistern im Pentagon stammt. Der US-Präsident muss jetzt zügig gegen diese verirrten Militärkreise das Primat der Politik durchsetzen, wenn er seine Wiederwahl als US-Präsident nicht unnötig gefährden will, denn militärische Kriegsabenteuer und Geldverschwendung kommen ganz schlecht bei den Menschen an. Aber das weiß Trump nur zu gut. Nur muss Trump dazu ein Kampf mit einer riesigen Macht aufnehmen, der Militärindustriekomplex, an dem alle seine Vorgänger gescheitert sind. Das ist Trumps größte Herausforderung. Wie wird er das nur schaffen können?

Wie man im Bundeskanzleramt und im Auswärtigen Amt darüber denkt, gibt Anlass zur Sorge, denn eine unabhängige Linie, die sich den deutschen und EU-Interessen verpflichtet sieht, ist bisher nicht zu erkennen.