Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 26.07.2019
Betr.: Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 22.7.19: „Teheran sieht in den Briten nur willfährige Handlanger Washingtons“; SZ vom 24.7.19: „Berlin zögert bei Marinemission im Golf“ und Kommentar: „Iran – Kluge Mission“ und Titel-Seite: „Teheran kritisiert das Vorhaben“ , SZ vom 25.7.19: „Tanker gegen Tanker“, alle von Paul-Anton Krüger
Nicht zu überbietender Humbug
Abgesehen vom US/britischen Interesse, dem Paul-Anton Krüger mit seinem Kommentar „Iran – Kluge Mission“ nützt, ist seine unüberlegte Einschätzung völlig unlogisch und widerprüchlich. Von kluger Mission kann keine Rede sein, eher von einer dummen, törichten Mission zum britischen Vorschlag, wenn man anstatt Sicherheit mehr Unsicherheit im Persischen Golf schafft durch ausländische Militär-Präsenz, die nicht nur unnötig, sondern auch unerwünscht und verdächtig ist. Diese völlig haltlose Londoner Forderung verdient keine europäische Unterstützung. Im Gegenteil. Außenminister Heiko Maas sagte treffend: „Wir wollen keine Eskalation.“ Oder etwa doch? Wie kann Paul-Anton Krüger von einem allseits bekannten staatlichen Angreifer (Angriff auf Irak, auf Libyen), erwarten, dass er „Sicherheit“ oder „Schutz“am Persischen Golf gewährt, ein aggressiver Staat, der zudem wiederholt Piraterie-Akte begeht? Allein diese Vorstellung ist ein nicht zu überbietender Humbug. Was strebt der SZ-Journalist an, von wem erhält er für diese seine unsinnigen Ausführungen grünes Licht?
Britische Öl-Interessen im Iran
Die Hardliner in Washington sind ihm bekannt mit ihrer ersten militärischen Provokation, eine monströse Kriegsmaschinerie im Persischen Golf entfaltet zu haben, total haltlos und unverhältnismäßig. Dann die Reihe von Attacken auf verschiedenen Tanker am 12. Mai und am 13. Juni. Die britische Eskalation in Gibraltar am 4.Juli und zuletzt am 19. Juli ereignet sich in diesem Zusammenhang von gezielter Provokationen und stellt die Londoner Piraterie bloß. Zur Staatenverantwortlichkeit gehören zu Recht Gegenmaßnahmen gegen einen Völkerrechtsbruch. Die Manipulation Londons ist bekannt. Vor allem die iranische Regierung ist sich völlig im Klaren darüber seit dem CIA-Putsch gegen Mossadegh 1953, der von London instigiert wurde. <Das Verhältnis der beiden Staaten ist historisch ohnehin belastet, dem Vereinigten Königreich schlägt in gleichem Maße Misstrauen entgegen wie den USA. Die Briten gelten als Manipulatoren, die wegen ihrer Öl-Interessen im Iran Amerika überzeugt hätten, den 1953 von der CIA orchestrierten Putsch gegen Mohammed Mossadegh zu betreiben. Diese Animosität schwingt in der aktuellen Auseinandersetzung mit.> Hat Paul Anton-Krüger etwa diese, seine richtige geschichtliche Bemerkung vergessen? („Teheran sieht in den Briten nur willfährige Handlanger Washingtons“ von Paul-Anton Krüger, SZ 22.7.19) Bestimmt nicht! Wie kann er dann bedenkenlos für eine britische Mission am Golf werben? Gerade eine eindringende Marine-Mission des Erzfeindes gegenüber dem Iran soll dort Sicherheit leisten können? Eher würde sie wirken, wie Öl ins Feuer zu gießen. Völlig treffend sagte der iranische Vizepräsident Eschak Dschahangiri sehr diplomatisch am Dienstag 23.7., es gebe dafür keine Notwendigkeit, denn „solche Koalitionen und die Anwesenheit von Ausländern in der Region schaffen selbst Unsicherheit“. <In Paris wurde indes Irans Vizeaußenminister Abbas Araghchi für ein Treffen mit Präsident Emmanuel Macron erwartet. … Zudem treffen sich am Sonntag (28.7.) Vertreter der im Abkommen verbliebenen Staaten in Wien> („Teheran kritisiert das Vorhaben“ von Paul- Anton Krüger, SZ 24.7.19)
Für den Iran mit den USA nichts zu verhandeln
Dann schaltet sich der unberechenbare und freche US-Falke Mike Pompeo ein, um den Konflikt mit dem Iran mit unzulässigen Forderungen noch anzuheizen, die total fehl am Platz sind, weil die USA das Atomabkommen einseitig kündigten, ihre Vertragsverpflichtungen brachen und damit sich selbst diskreditiert und vom diplomatischen Parkett ausgeschlossen haben. Die impertinente US-Einmischung durch die präpotenten Äußerungen des Falken Mike Pompeo bezweckt offensichtlich die diplomatischen Bemühungen von Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron zu torpedieren und das Wiener Treffen am Sonntag zu beschädigen, ja zu benachteiligen. Die offizielle Reaktion des Irans darauf war prompt und treffend. Präsident Hassan Rohani erklärte: <Wir sind vollständig bereit zu gerechten, legalen und ehrlichen Verhandlungen, um Probleme zu lösen.“… Zugleich sei Iran nicht bereit, „unter dem Namen von Verhandlungen am Tisch der Kapitulation zu sitzen“… Zugleich schloss in Teheran der Sekretär des Obersten Nationalen Sicherheitsrates, Ali Schamchani, Verhandlungen mit den USA aus. Es wäre absurd, mit einem Land Gespräche zu führen, das immer seine Versprechen breche. Schamchani gilt als Vertrauter Chameinis.> („Tanker gegen Tanker“ von Paul-Anton Krüger, SZ 25.7.19) Die US-Regierung von Donald Trump muss sich zurückhalten. Der Iran hat mit ihr überhaupt nichts zu verhandeln oder zu besprechen. Die Teheraner Regierung will und wird keine Gespräche mit der US-Regierung führen.
<Am Sonntag (28.7.) treffen sich in Wien hohe Diplomaten aus Iran und der im Atomabkommen verbliebenen EU-Staaten sowie Russland und Chinas.> („Tanker gegen Tanker“ von Paul-Anton Krüger, SZ am 25.7.19)
Hoch aktuell, viel wichtiger und sachgemäß in diesem Zusammenhang sind die 11 Punkte im Vorschlag von 2010 des iranischen Staatspräsidenten zur Atombombenabrüstung auf der Überprüfungskonferenz der Vereinten Nationen (UN) für den NPT-Vertrags/Non-Proliferation-Treaty („Kernwaffensperrvertrag“) am 3.Mai 2010. Sie sind offiziell zu aktualisieren und auf die Tagesordnung zu setzen. Damit ist vor allem die US-Regierung herausgefordert, aber zugleich auch ihre Verbündeten.
Zur Erreichung des allseits zu begrüßenden Ziels der atomaren Abrüstung und Verhütung der Verbreitung von Atomwaffen sowie der allgemeinen friedfertigen Nutzung der Atomenergie, werden vom Iran 2010 folgende Vorschläge unterbreitet:
- Reform und Vervollständigung des NPT-Vertrages…
- Ausarbeitung einer Exekutivanweisung zu Artikel 6 des NPT-Vertrages und zur vollständigen Planung und Beaufsichtigung der atomaren Abrüstung und Verhütung der Weiterverbreitung von Waffen …
- Sicherheitsgarantien – ohne irgendwelche Diskriminierungen und Vorbedingungen…
- Einstellung jeder Art der Forschung, der Weiterentwicklung und Modernisierung von Atomwaffen …
- Ein gesetzlich verbindliches Anweisungskonzept für das vollständige Verbot der Produktion, Lagerung, Verbesserung, Verbreitung, Erhaltung, Aufbewahrung und des Einsatzes der Atomwaffen.
- Suspendierung derjenigen Staaten, die Nuklearwaffen einsetzen oder damit drohen, von ihrer Mitgliedschaft im IAEA-Gouverneursrat…
- Einstellung jeglicher atomaren Zusammenarbeit mit Ländern, die nicht Mitglied im NPT-Vertrag sind, und Einführung von wirksamen Strafregelungen gegen Länder, die ihre Kooperationen mit Nicht-Mitgliedern fortsetzen.
- Bewertung der Androhung eines Angriffs mit Atomwaffen oder jeglichen anderem Einsatzes dieser Waffen oder eines Angriffes auf Nuklearanlagen als Verstoß gegen den internationalen Frieden und die Weltsicherheit …
- Bedingungslose Durchführung der Resolution der Konferenz 1995 hinsichtlich einer atomwaffenfreien Region im Nahen Osten.
- Räumung der Atomwaffen in den Militärstützpunkten der USA und ihrer Verbündeten in anderen Ländern wie in Deutschland, Italien, Japan und die Niederlande
- Kollektive Bemühung um Reform der Struktur des UN-Sicherheitsrates, …
Hier hat die US-Administration vom Präsidenten Donald Trump eine sachliche Agenda für eine revidierte US-Außenpolitik im Mittleren Osten, die ihr die verlorene Glaubwürdigkeit zurückgeben könnte, falls sie sie verwirklicht und sich daran hält zugunsten des Friedens. Berlin und Brüssel sollten sich mit diesem Arbeitsvorschlag des Irans sachgemäß beschäftigen. Von seriösen Redaktionen ist zu erwarten, dass sie sich damit professionell befassen und mit Sachverständnis darüber die Öffentlichkeit informieren.
Britische Position zu revidieren
Über die Zurückgabe der Tanker gibt es Verhandlungen zwischen London und Teheran. Am Mittwoch (17.7.) sprach Außenminister Jeremy Hunt mit seinem iranischen Kollegen Mohammed Dschawad Sarif, der in London auch Gibraltars Regierungschef Fabian Picardo traf. Selbstverständlich ist der Anfänger der Krise, nämlich Großbritannien, zuerst verpflichtet, den ersten Schritt zu tun, da es war London, das ein iranisches Schiff gegen das maritime Recht vor Gibraltar am 4.7. stoppte und festhielt. Infolgedessen muss London zuerst die Situation regeln und nur dann ist der Iran an der Reihe, das britische Schiff „Stena Impero“ an Großbritannien zurückzugeben. Das ist das faire Verhalten, an das sich London und Iran auf der Grundlage des guten Willens (bona fide) zu halten haben. Sich fair zu verhalten, trägt zur Entspannung bei und schafft Vertrauen, was bitter nötig ist. Wenn die Londoner Gespräche des Außenminister Jeremy Hunt mit seinem iranischen Kollegen Mohammed Dschawad Sarif, am Mittwoch 17.7. nicht erfolgreich liefen, liegt das Scheitern bestimmt an dem anmaßenden britischen Verharren von Jeremy Hunt die Rückgabe des britischen Schiffs unmittelbar von Iran zu fordern, ohne sich selbst entsprechend dazu zuerst bereit zu zeigen, das festgesetzte iranische Schiff in Gibraltar freizugeben, wozu Großbritannien verpflichtet ist. Die britische Regierung muss ihre Position revidieren und als diejenige, der mit der Piraterie angefangen hat, die erste sein, eine Geste zu zeigen, um die Lage zu normalisieren, ja zu entspannen. Der britische Premier Boris Johnson hat Jeremy Hunt aus dem Amt gedrängt und an seiner Stelle einen neuen Außenminister ernannt: Dominic Raab. Es ist zu erwarten, dass der neue britische Außenminister die Sache des festgesetzten iranischen Tankers mit Taktgefühl und Fairness mit Teheran behandelt, so dass es keinen Grund für weiteren unnötigen Streit geben wird.
Krise am Golf politisch entschärfen
Die Berliner Regierung will keinen Krieg, keine Eskalation, sondern die Krise am Golf politisch entschärfen. Eine Marinemission kann das Atomabkommen nicht retten, das schon lange tot ist, nachdem die USA es einseitig kündigten und die Vertragsteilnehmer sich nicht weiter daran gehalten haben, weil sie nicht wagen, sich klar gegen die USA zu stellen. Eine Show mit der Marine am Golf führt zu nichts, außer Risiken und Unsicherheit mit sich zu bringen. Diese Marine-Show mit der diplomatischen Initiative Frankreich einzubinden, wie sich Paul-Anton Krüger vorstellt, ist völlig unlogisch, ja größter Humbug, weil sie im klaren Widerspruch zur Suche nach Verständigung mit dem Iran steht, wie es Frankreich mit der Entsendung eines Sonderbeauftragten des Präsidenten nach Teheran getan hat. Jede Doppelbödigkeit muss endlich aufhören. Sie führt zu nichts Konstruktivem. Sonst ist Deutschland und Europa definitiv perdu für eine zuverlässige Außenpolitik, vor allem im Nahen/Mittleren Osten. Die SPD ist aufgerufen klare Kante zu zeigen, damit die CDU/CSU nicht weiter verirrt herumlaviert und eigentlich gar nichts unternimmt, sondern nur die Öffentlichkeit täuscht.