Israels große Propagandainszenierung

Nahostpolitik

Die Kaperung des Frachters mit den Raketen im Roten Meer wirft viele Fragen auf

Von Arn Strohmeyer, 10.03.2014

Die deutschen Mainstream-Medien sind sich weitgehend einig: Das ist wieder so ein Schurkenstück der Mullahs, die Israel vernichten wollen: Das Schiff mit den Raketen unter den Zementsäcken, das die israelische Marine im Roten Meer abgefangen und das sie inzwischen in den Hafen von Eilat geschleppt hat. Die Propagandakampagne um das Schiff und seine Ladung wird weitergehen – noch viele Tage und Wochen. Israels Regierungschef Netanjahu, der den Iran selbst so gern angreifen würde, das aber vermutlich auf amerikanisches Geheiß hin nicht darf, meint nun endlich einen Vorwand in der Hand zu haben, um die erfolgversprechenden Verhandlungen mit dem Iran über dessen Atomprogramm stören zu können. Israel passt die ganze Richtung nicht, die der Westen im Augenblick gegenüber dem Mullah-Regime eingeschlagen hat. Deshalb sieht Israels Aktion nach einer großen propagandistischen Selbstinszenierung aus.

Dabei wirft die Kaperung des Schiffes Fragen auf, die im deutschen Blätterwald keine Erwähnung finden aber unbedingt einer Antwort bedürfen: Der Überfall auf das Schiff in internationalen Gewässern war erstens ein eindeutiger Piratenakt. Niemand hat Israel das Recht verliehen, dort Schiffe zu kontrollieren und abzuschleppen, wenn ihm dessen Ladung nicht passt. Der Fall erinnert an die türkische „Mavi Marmara“, die auf dem Weg nach Gaza auch in internationalen Gewässern von der israelischen Marine gekapert worden ist und die Völkerrechtler auf den Plan rief.

Zweitens muss Israel erklären, wie die Raketen – selbst wenn sie für die Hamas bestimmt waren – in den Gazastreifen gelangen sollten. Denn das Gebiet ist von Israel zu Land, zu Wasser und in der Luft hermetisch abgeriegelt. Und im Westen besorgt das Ägypten, das seine Grenze zum Gazastreifen auch völlig dicht gemacht hat. Das neue dort herrschende Militärregime wirft der Hamas „terroristische Aktivitäten“ auf der Sinai-Halbinsel vor (die die Hamas bestreitet) und betrachtet sie deshalb als Todfeind. Von dort kann also auch keine Hilfe kommen, die Raketen – selbst in Teile zerlegt – durch Tunnel nach Gaza zu schaffen. Außerdem ist es kein Geheimnis, dass die Militärs und die Geheimdienste Israels und Ägyptens auf das engste zusammen arbeiten. Wie also sollten die Raketen, die eine beträchtliche Größe haben, an ihren Zielort gelangen? Das wüsste man gern.

Und schließlich: Wenn der viertgrößte Exporteur von Waffen und Rüstungsprodukten (mit einem jährlich Umsatz von über 10 Milliarden Dollar) sich darüber aufregt, dass andere dasselbe tun, ist das – gelinde gesagt – schon ziemlich paradox. Solange Israels Staatsdoktrin in unerbittlicher Feindschaft und Aggression gegenüber seinen Nachbarn, in ethnischer Säuberung, Expansion auf fremdes Land und Unterdrückung der Palästinenser beruht, darf es sich nicht wundern, wenn die Nachbarn Israels sich auch militärisch wappnen. Auch die haben ein Sicherheitsbedürfnis. Was würde wohl passieren, wenn die Iraner einmal ein israelisches Schiff – beladen mit Rüstungsgütern – in internationalen Gewässern abfangen würden?