Ukraine-Krise: Bedauerliche Schwäche Berlins

Nahostpolitik

Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 29./30.01.2022

Betr.: ARD-Fernsehsendung „Maischberger“ am 26.1.22: „Konflikt zwischen Russland und der Ukraine“ (die letzten 25 Minuten der Sendung)

Wiederholte Verhaltensmuster der USA

Geschichte wiederholt sich nicht, aber es gibt Verhaltensmuster, die sich wiederholen, wie bei Individuen, so auch bei Staaten: Die Kuba-Krise (1962), das heißt das Verbringen von Raketen, mit Atombomben bestückt, von der Sowjetunion nach Kuba war die Reaktion darauf, dass die USA zuerst mit ihren atomaren Raketen, die sie im Nato-Mitgliedsstaat Türkei (in Incirlik) stationierten, der Sowjetunion, dem heutigen Russland, gefährlich auf die Pelle rückten. Moskau fühlte sich damals von den USA bedroht und reagierte gleichwertig. Und heute? Wieder rücken USA und Alliierte mit der NATO den Russen militärisch schon seit Jahren zu nahe, so dass sie sich bedroht fühlen müssen. Eine starke Bedrohung war die klare US-Absicht, die Ukraine durch eine Marionettenregierung (nach dem Maidan-Putsch 2014 sogar realisiert) dazu zu bringen, den Vertrag für den russischen Militärstützpunkt auf der Krim zu kündigen und stattdessen den Krim-Stützpunkt den USA oder ihrem NATO-Militär zu überlassen. Eine gewaltige Bedrohung der Sicherheit Russlands! Der kam Russland mit hohem diplomatischen Geschick zuvor. Aber die USA geben ihre Pläne so schnell nicht auf; das weiß der Kreml und entsprechend handelt er: Venezuela, Nicaragua und andere lateinamerikanische Staaten sind in vertraulichen Verhandlungen mit Russland zu Gange. Das Muster der Kuba-Krise wiederholt sich! <Insofern ist der Konflikt NATO/Westeuropa/Ukraine – Russland kein separater Konflikt, sondern im Kern ein Konflikt mit den USA. Diesen auszuräumen schickt sich Russland an. Das geht nur mit einem Rückzug der USA von den russischen Grenzen oder durch die Stationierung von Raketen vor Washingtons Haustür. Die USA (Präsident Joe Biden und Außenminister Blinken) scheinen das durchaus verstanden zu haben, sonst würden sie nicht verschiedene Verhandlungsformate wieder eröffnen, die ja nicht Russland geschlossen hatte. Direkte Verhandlungen zwischen Russland und den USA bleiben der Kern zur Lösung der Probleme. („Abgeschrieben – Erklärung in der Zeitschrift Welttrends“ Junge Welt 27.1.22)

Krise à la Kuba in Europa entschärfen

Merken die Bundestagsabgeordneten nicht, dass sich eine zweite „Kuba-Krise“ auf dem europäischen Kontinent profiliert, die eigentlich eine Europa-Krise ist? Sind die Verantwortungsträger in der Lage, sie zu entschärfen, wie es damals die Kennedys taten, indem sie die Eskalation rechtzeitig zu bremsen wussten?

<Die Unredlichkeit besteht darin, dass auf der anderen Seite nicht kritisiert wird, dass die Ukraine dem Osten des Landes keine Autonomie, Selbstverwaltung und Wahlen einräumt. Wenn wir uns da nicht redlich verhalten, gefährden wir langfristig die Zusammenarbeit mit Russland, den Frieden und die Sicherheit und — was mich am meisten bekümmert, wenn wir nicht aufrichtig sind, werden wir Russland und seine Menschen verlieren… Präsident Kennedy hat eine bemerkenswerte Einsicht in der Kuba-Krise gezeigt, als er in seinen Verhandlungen mit Chruschtschow der Empfehlung des britischen Militärhistorikers Lidell Hart folgte, „sich in die Schuhe des Anderen zu stellen“ und die Dinge auch mit seinen Augen zu sehen. Diese Form der Empathie hat auch für die Bewältigung der gegenwärtigen Krise mit Russland zu gelten.> (Dr. Frank Elbe, Sputnik 14.2.2017)

Der Konflikt zwischen Russland und der USA spitzt sich weiter zu. Einige Nato-Mitgliedssstaaten verstärken ihre Militärpräsenz in Osteuropa. Die Wahrnehmung der russischen Bevölkerung, die Angst vor einem Krieg hat und die Schuld daran im Westen sieht, begreift die ARD-Journalistin, Teilnehmerin bei der Sendung „Maischberger“ am 26.1.22 merkwürdigerweise gar nicht.

Deplatzierte Peinlichkeit in Maischberger-Sendung

Noch erstaunlicher in dieser Maischberger-Sendung war der Auftritt der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses im Bundestag Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). Ihre Äußerungen waren an deplatzierter Peinlichkeit kaum zu überbieten. Von Respekt gegenüber einem Staatschef versteht sie kein Jota und noch schlimmer: Sie verkennt vollständig die historischen Ereignisse über die Angliederung der Krim an Russland, präzis formuliert: der Beitritt der vormals Autonomen Republik Krim als unabhängiger Staat in die Russische Föderation, nämlich gemäß des Referendums der Bewohner der Krim am 16.3.2014. Die Aufnahme der sich als unabhängig deklarierten Krim-Republik zur Russischen Föderation erfolgte in der Tat nach einem entsprechenden Referendum, also aufgrund des frei ausgeübten Selbstbestimmunsrecht der Bürger der Krim. Wieso eine FDP-Politikerin das Selbsbestimmungsrecht und dieses Krim-Referendum verkennt, hätte Maischberger sie fragen müssen.

Grundsätzlich: Sezession, Referendum und Beitritt schließen eine Annexion aus und Sezessionserklärung selbst verletzt keine völkerrechtliche Norm.

Mit ihrem verfassungsmäßigen Status einer autonomen Republik erklärte sich die Krim selbst unabhängig von der Ukraine aufgrund eines Referendums in ihrem Staatsbereich. Die Krim-Bevölkerung hatte sich am 16. März 2014 dabei friedlich und selbstständig für eine Sezession ausgesprochen. Dann folgte der Antrag der Regierung der unabhängigen Krim auf Beitritt zur Russischen Föderation, den Moskau prompt annahm. Sezession, Referendum und Beitritt schließen eine Annexion aus. Diese Feststellung reicht über das Referendum auf der Krim hinaus. Die Sezessionserklärung selbst verletzt keine völkerrechtliche Norm.

Sezessionskonflikte sind innerstaatliche Angelegenheit, nicht Sache des internationalen Rechts.

Sezessionskonflikte sind eine innerstaatliche Angelegenheit, nicht Sache des internationalen Rechts. Diesen Status Quo des Völkerrechts hat der Internationale Gerichtshof (IGH-Resolution von 22.Juli 2010) in seinem Rechtsgutachten für die UN-Generalversammlung zur Sezession des Kosovo bestätigt. Das hat Präsident Wladimir Putin in seinem NDR-Interview (16.11.1014) angesprochen und auch der Hamburger Professor Reinhardt Merkel: „Die Krim und das Völkerrecht. Kühle Ironie der Geschichte“ (FAZ, 7.4.2014).

Arbeit einer Moderatorin oder eines Redakteurs: Zum anstehenden Thema Fakten und Chronologie der Ereignisse genau kennen

Redaktionen, Journalisten und die FDP-Dame Marie-Agnes Strack-Zimmermann wirken peinlich ignorant, was das Völkerrecht und die Krim betreffen, und bestehen in penetrant tendenziöser Weise auf der falschen Wortwahl hinsichtlich des Krim-Beitritts in die Russische Föderation. Sachlich richtig wäre es, vom Beitritt der sich als unabhängig erklärten Krim in die russische Föderation zu sprechen oder von ihrer Aufnahme, An- oder Eingliederung. Es gehört zur Arbeit einer Moderatorin oder eines Redakteurs im Radio oder Fernsehen, zum anstehenden Thema die Fakten und die Chronologie der Ereignisse genau zu kennen und sie in eine Diskussionsrunde einzubringen, wenn sie von anderer Seite nicht kommen. Eine objektive vollständige Darstellung der Ereignisse und rechtlichen Aspekte sollten sie meistern können, um eine politische Diskussion sachlich zu orientieren, zu korrigieren und die Sache richtigzustellen, wenn es nötig ist, wenn eine falsche Darstellung kommt wie von der FDP-Verteidigungspolitikerin in der Maischberger-Sendung am 26.1.22. Das ist die Rolle der Medien, hierin sind sie gefordert.

Kiew unter Druck setzen zum endlichen Befrieden der Ostukraine wie im Minsker Abkommen mit Fahrplan vereinbart

Kanzler Olaf Scholz zeigt sich außenpolitisch äußerst schwach, denn er unterließ es, eine diplomatische Initiative zu ergreifen, um Kiew unter Druck zu setzen, die Lage in der Ostukraine endlich zu befrieden wie ein Fahrplan im Minsker Abkommen vereinbart wurde. Dazu hätte er nach Washington und Moskau reisen müssen, um mit den dortigen Regierungschefs zu sprechen. Auch hätte er schon längst eine gemeinsame Position mit Frankreich dazu festlegen müssen, um die Krieg riskierenden US-Manöver im europäischen Osten zu stoppen wie auch alle US-Stützpunkte auf osteuropäischem Nicht-NATO-Gebiet. Die Schwäche des Kanzlers wurde in der Maischberger-Sendung von 26.1.22 bloßgestellt. Auch die Tatsache, dass Russland keinen Krieg anfangen wird. Aber vor andauernden Provokationen gestellt, könnte und müsste Moskau ohne weiteres Zögern angemessen und stark reagieren.

Alle Waffenlieferungen in die Ukraine verhindern, Deutschlands Nein genügt nicht – Kriegstreiber profitieren von Schwäche Berlins

Auffällig ist, dass wenigstens die deutsche Regierung entschieden hat, keine Waffen in die Ukraine zu liefern, um den Konflikt mit der Ostukraine nicht anzuheizen, aber sich weigert, andere NATO/EU-Staaten daran zu hindern, das zu tun, Es wäre Deutschlands gutes Recht, wenn deutsches Territorium oder deutscher Luftkorridor dazu zu benutzen ist. Dies wäre gewiss die richtige Antwort auf die dreiste Entscheidung Großbritanniens, entgegen Deutschlands Bemühungen die Krise zu entschärfen, Waffen an die Ukraine zu liefern und dafür auch noch deutschen Luftraum zu nutzen! Londons Frechheit fordert Deutschland heraus, da White Hall sehr gut weiß, dass von Berlin keine Waffen an die Ukraine gehen werden.

Die Schwäche Berlins ist nicht nur bedauerlich, sondern auch höchst kontraproduktiv. Von dieser Schwäche profitieren nicht nur angelsächsische Rüstungsschmieden und Händler, sondern auch die US-Kriegstreiber, die im Kongress dummes Zeug reden und sich anmaßen, über das deutsch-russische Wirtschaftsprojekt Nord-Stream 2 zu bestimmen, als ob es ihr und nicht ein deutsches Geschäft wäre. So dreist wagt man in Washingon zu sein, weil sich die Berliner Führung derart schwach zeigt, dass sie nicht einmal den Mut aufbringt, diese US-Einmischerei zurückzuweisen. Dazu wäre der US-Botschafter ins Kanzleramt oder ins Auswärtigen Amt einzubestellen, um die Sache klarzustellen, etwa so: „Wir bitten die US-Regierung, unsere geschäftlichen Angelegenheiten zu respektieren, so wie wir Ihre respektieren. Mit dem Nord-Stream Projekt hat sie nichts zu tun, sie ist in keiner Weise dabei Vertragspartner. Wir haben niemanden in den USA darum gebeten, dieses Projekts zu beurteilen. Unter vertrauensvollen Bündnispartnern sollte es möglich sein, Respekt aufzubringen.“

Ukraine-Krise ein angelsächsisches Mittel, die deutsch-russischen Beziehungen zu zerstören – deutsche Interessen nicht leichtfertig opfern

Nach allen entsetzlichen Verbrechen des Nationalsozialismus in der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg muss eine deutsche Regierung heute besonderes historisches Bewusstsein zeigen. Bei allen Ländern der ehemaligen Sowjetunion steht sie in der Pflicht eines „Nie Wieder“, wie Außenministerin Annalena Baerbock richtig sagte. Für die Ukraine gilt dies genauso nach den besonders schrecklichen Nazi-Greuel, die es erfahren musste. Angesichts unbelehrbarer ukrainischen Neo-Nazis an einigen Schalthebeln der Macht in diesem Land, muss es Ziel sein zu helfen, die Ukraine von diesem tradierten bösartigen faschistischen Einfluss zu befreien, und nicht etwa mit solchen neofaschistisch orientierten Politikern zu kollaborieren. Solche Faschisten verwirren die Öffentlichkeit und lassen sich von den USA und ihren NATO-Leuten manövrieren, um die falsche Propaganda zu verbreiten, die Ukraine würde von Russland bedroht. Eine Ukraine mit einer von Neonazis durchsetzten Führung, die von Washington, London und anderen westlichen Hauptstädten gesteuert wird, kann sich unvorhersehbar verhalten und für die ausländischen Strippenzieher völlig unbeherrschbar werden – eine höchst gefährliche Aussicht. Deutsche Außenpolitiker und Regierungsparteien sollten alles unternehmen, um sich nicht in irgendeine fremdgesteuerte ukrainische Finte hineinmanövrieren lassen. Denn es ist Klarheit darüber zu gewinnen, dass die Ukraine auf jeden Fall einigen Kreisen – angelsächsischen neben anderen – dazu dient, eine vertiefte vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Russland und Deutschland um jeden Preis zu verhindern, ja, wenn sich die Gelegenheit bietet, die guten deutsch-russischen Beziehungen zu zerstören. Dieser Blick auf den Konflikt ist zu schärfen, um deutsche Interessen nicht leichtfertig zu opfern!