Antisemitismus- Vorwurf gegen den Bremer Weser-Kurier: Wie der ehemalige WK-Redakteur Daniel Killy seinen früheren Arbeitgeber diffamiert

Nahostpolitik

Von Arn Strohmeyer, 21.11.2015

Ist der Bremer Weser-Kurier eine antisemitische Zeitung? In diesen Verdacht hat ein ehemaliges Mitglied der Redaktion die Monopolzeitung der Hansestadt gebracht. Anlass zu der Rufschädigung ist seine fristgerechte Kündigung. Der Betroffene ist Daniel Killy, bekennt sich zum jüdischen Glauben und ist ein fanatischer Israel-Anhänger. Der WK hatte ihn im Januar 2014 als Chef vom Dienst eingestellt – eine verantwortungsvolle Position, die in der Hierarchie gleich hinter dem Chefredakteur kommt. Im komplizierten Prozess der Zeitungsherstellung hat der Chef vom Dienst die Redaktion, die aus mehreren Ressorts besteht, und die Produktionsabläufe zwischen Redaktion und Technik zu koordinieren.

Der Leitung des Weser- Kurier wirft Killy vor, schlicht diesen Job nicht im Griff gehabt zu haben. Der Vorstandsvorsitzende Eric Dauphin und der Chefredakteur Moritz Döbler rechtfertigen die Kündigung, so zitiert sie das Medien-Magazin meedia.de ,er habe statt seine eigentliche Aufgabe zu erfüllen, lieber in seinem eigenen Büro gesessen und sich mit der internationalen Politik beschäftigt – vor allem mit Israel und dem Nahen Osten, muss man ergänzen. Killy betätigte sich als Mitglied der WK-Redaktion auch weiter als Sprecher der Hamburger Jüdischen Gemeinde, worin die Verlagsleitung einen unhaltbaren Interessenkonflikt sah, zumal Killy ganz offensichtlich auch beide Positionen miteinander vermengte. Die Verlagsleitung sah darin den unabhängigen Journalismus des Blattes gefährdet und untersagte ihm die weitere Ausübung der Sprecherposition.

Diese Maßnahme des Chefredakteurs ist durch aus nachvollziehbar, andere Kollegen mussten in früheren Zeiten auch schon auf politische Nebentätigkeiten verzichten. Killy sah das natürlich ganz anders. Er war vor allem der Meinung, seinen Posten mit einer politischen Mission ausfüllen zu müssen, wozu wohl für ihn beide Jobs gehörten. Bremen, merkte er laut meedia.de an, sei eine Hochburg der Palästinenser-Unterstützer, und der Weser-Kurier versäume es da, sich mehr für Israel einzusetzen. Das habe er zu ändern versucht, indem er im Sinne Israels kommentiert habe. Wie das bei Killy politisch aussieht, hat der Verfasser dieser Zeilen in einem Artikel geschildert, nachdem Killy einige Monate seine Mission in Bremen erfüllt hatte. Es seien daraus einige Absätze zitiert:

Der Bremer Weser-Kurier hat einen neuen Fachmann für Außenpolitik: Daniel Killy. Der Mann ist bei der einzigen Tageszeitung in Bremen Chef vom Dienst und nebenbei erklärt er den Lesern noch die Weltlage – besonders die Vorgänge im Nahen Osten. Killy bringt für diese Aufgabe einen soliden journalistischen Hintergrund mit, war er doch immerhin bei den Boulevard-Zeitungen Morgenpost und BILD-Zeitung tätig. In einem Interview des Internet-Blogs Castollux wird er vorgestellt als „verantwortlicher Redakteur bei BILD, er ist jüdischer Deutsch-Amerikaner und Experte für jüdische Themen und antisemitische Medienphänomene.“ Hinzugefügt sei, dass er der Sohn des sehr renommierten Germanisten Walter Killy ist.

In diesem Interview darf Killy sein schlichtes und sehr einseitiges Weltbild in Bezug auf den Nahen Osten darstellen: Die deutschen Printmedien (aber auch ARD und ZDF) sind grundsätzlich „antiisraelisch“ eingestellt, was dasselbe ist wie „antizionistisch“, was wiederum ein Synonym für „Deutschlands feschen Zeitgeist-Antisemitismus“ ist. Selbst die FAZ und die Süddeutsche sind in Killys Sichtweise neben den Öffentlich-Rechtlichen „ein sicherer Hafen für anti-israelische Autoren“. Es gebe zwar – so doziert Killy weiter – dort keinen antiisraelischen Redaktionskodex, aber alle bösartigen Attacken auf Israel würden durch einen Wall des „Pluralismus“ geschützt. Wann immer jemand (wie etwa er selbst) diese Methode offenlege, werfe man ihm reflexartig einen „Angriff auf die Pressefreiheit“ vor. (Dieser Vorwurf Killys bedeutet ja, dass die Pressefreiheit in Deutschland Antisemiten schützt.) Die Sprache der deutschen Medien sei „vergiftet“, weil sie einseitig propalästinensisch berichteten, so der ehemalige Boulevard-Journalist.

Killy fasst in dem Interview seine Position so zusammen: „Pessimistisch ausgedrückt: Die Bestie des deutschen Antisemitismus ist nicht zur Strecke gebracht – sie wurde nur betäubt. Sollte dieses staatlich verordnete Sedativum seine Wirkung verlieren, wäre sie wieder quicklebendig. Positiv formuliert heißt das: Deutschland tut alles, um sicherzustellen, dass dieses Anästhetikum stets in ausreichender Menge vorhanden ist.

Killy sieht also Antisemiten am Werk, wohin er auch blickt, Die Einseitigkeit, die er den deutschen Medien in Bezug auf ihre Darstellung des Nahost-Konflikts (völlig unberechtigt) vorwirft, praktiziert er selbst in nicht zu übertreffender Art und Weise. (Dieser Vorwurf des Verfassers dieser Zeilen ist in seinen Augen vermutlich auch schon wieder antiisraelisch = antizionistisch = antisemitisch. Wenn er doch wenigstens diese Begriffe sauber auseinanderhalten könnte!) Killy ist ein überzeugter zionistischer Ideologe, der die Welt nur in den Kategorien Schwarz und Weiß, gut und böse, Engel und Teufel sehen kann. Und dieses Weltbild vermittelt er in seinen Artikeln und Kommentaren mit einer Sprache des abgrundtiefen Hasses: Die Palästinenser sind grundsätzlich „Terroristen“, und „Terroristen“ sind eben „Mörder“. Mit solchen Bestien kann man natürlich nicht verhandeln, weil sie völlig friedensunfähig sind. Soweit die Auszüge aus dem damaligen Artikel.

Diese Weltanschauung versuchte er missionarisch über das Medium Weser-Kurier zu verbreiten. Friedensgruppen in der Stadt, die sich für eine friedliche und auf einem gerechten Ausgleich beruhende Lösung des Nahost-Konflikts einsetzen und von Israel die Einhaltung der Menschenrechte und des Völkerrechts fordern, ohne dabei die Existenz Israels in irgendeiner Weise in Frage zu stellen, machte er als „Antisemiten“ und „Nazis“ nieder. Als diese Gruppen im Sommer 2014 friedlich in der Stadt gegen Israels Bombardierung des Gazastreifens protestierten (die furchtbare Bilanz: der Krieg forderte 2128 tote Palästinenser, davon 81 Prozent Zivilisten, darunter 574 Kinder und 302 Frauen; es gab 723 Verletzte; 462 090 Personen wurden obdachlos, 16 002 Häuser wurden ganz oder teilweise zerstört), war ihm das kein Wort der Empathie wert, er hörte auf deutschen Straßen nur angeblich gerufene Parolen wie „Brenn, Jude brenn!“ oder „Jude, feiges Schwein!“ oder „Hamas, Hamas Juden ins Gas!“ (Leitartikel vom 26.7.2014).

Nun mag es einige solche Schwachköpfe bei den Demonstrationen gegeben haben, die Regel war es nicht. In Bremen verlief die Demonstration von über 10.000 Menschen ohne Zwischenfälle, die Polizei bedankte sich bei den Organisatoren sogar dafür.

Killy schrieb in seinem Leitartikel aber: „Offen wird gegen Juden gehetzt, werden Juden hierzulande angegriffen. Große Teile der deutschen ‚Linken‘ oder solche, die sich dafür halten, marschieren Arm in Arm mit Neonazis und Gotteskriegern gegen die ‚Zionisten‘ auf. Wer das Wort ‚Zionist‘ in sozialen Netzwerken, Leserbriefen und Foren durch ‚Jude‘ ersetzt, entdeckt schnell die Sprache des ‚Dritten Reiches‘ hinter den neuen Parolen.“ Es ist bei Killy eben alles ein und dasselbe: Friedensaktivisten, Linke, Nazis, Moslems, Palästinenser…

Der sehr renommierte deutsche Antisemitismus-Forscher Wolfgang Benz äußerte zu den Demonstrationen: „Ich sehe überhaupt keine neue Qualität. Ich würde auch gern die Wortwahl ‚antisemitische Ausschreitungen‘ hinterfragen. Es haben sich zum Teil seltsame Leute zusammengerottet. Einige haben blödsinnige Parolen gerufen. Das wird von Interessenten mit großem Widerhall als Wiederaufflammen des Antisemitismus dargestellt. Ich beobachte die Szene seit 30 Jahren. Seit 30 Jahren wird damit Politik und Stimmung gemacht.“ Benz sieht die größere Gefahr heute viel mehr in der Feindschaft gegenüber Muslimen. Die Islamophobie arbeite mit ganz ähnlichen Argumentationsmustern und Stereotypen wie der Antisemitismus. Gemeinsam sei diesen Vorurteilen die Einteilung in Gut und Böse sowie das Phänomen der Ausgrenzung: „Das Feindbild des Juden wird heute durch das Feindbild der Muslime ersetzt. Wieder geht es um die Ausgrenzung einer Minderheit. Es ist höchste Zeit, die Diskriminierungsmechanismen zu verstehen und schließlich zu verhindern.“ Pegida lässt grüßen.

Daniel Killy sah das in seinem Leitartikel ganz anders.

Es sah ausschließlich antisemitische Exzesse am Werk, die die Werte der deutschen Demokratie und des Westens in Frage stellten. Werte, die Israel gegenüber den Palästinensern jeden Tag mit Füßen tritt. Die Forderung nach Werten wie Einhaltung des Völkerrechts, der Menschenrechte oder der politischen Freiheit und Selbstbestimmung für ein ganzes Volk (die Palästinenser) sucht man bei Killy vergebens. Als der Autor dieser Zeilen mit dem israelischen Friedensaktivisten Reuven Moskowitz, einem Holocaust-Überlebenden, in der Redaktion des Weser-Kurier Daniel Killy gegenüber saß (damals liefen gerade die auf Druck der USA aufgenommenen „Friedensgespräche“ zwischen Israel und den Palästinensern) lautete die erste Frage von Killy: „Wie kann Israel mit Mördern verhandeln?“ Da musste der betagte Israeli erstmal schlucken und um Fassung ringen, bevor er antworten konnte. Die Gleichung ist klar: Palästinenser sind „Antisemiten“ gleich „Nazis“ gleich „Mörder“.

Der frühere langjährige SPD-Abgeordnete des Bremer Parlaments (Bürgerschaft), Dr. Detlef Griesche, musste sich gegen Killys Vorwurf wehren, ein „gewendeter brauner Arsch“ zu sein. Kein Wunder, dass viele Bürger gegen diesen fanatischen Ideologen in Leserbriefen und Protesten bei der Verlagsleitung Sturm liefen und als „Hetzer“ bezeichneten, der die Palästinenser dämonisiere. Auch der Autor dieser Zeilen gehört zu den von Killy als „Nazi“ denunzierten.

Obwohl er durch zahlreiche aufarbeitende Bücher – sogar eins über seinen eigenen Nazi-Vater – und unzählige Artikel zum Thema Nationalsozialismus seine Distanz zu dieser Ideologe unter Beweis gestellt hat, Killy hält den „Nazi“-Vorwurf aufrecht.

Der Antisemitismus-Vorwurf gegen den Weser-Kurier ist völlig absurd, auch wenn Killy für diese Zeitung sicher ein sehr schwieriger Fall war, von dem der Abschied nicht schwer gefallen ist.

Diese Zeitung, die sich in erster Linie der Berichterstattung über die Region verpflichtet fühlt, hält sich bei Berichten über das Thema Nahost eher zurück. Wenn berichtet wird, geschieht es im Sinne der deutschen Mainstream-Medien, die eher auf Israels Seite stehen und auch dessen politische Sprache benutzen. Dafür sorgt vor allem der Israel-Korrespondent des Blattes, Ulrich Sahm, ebenfalls ein fanatischer Israel-Anhänger, der ganz auf der Linie Killys liegt. Sahm ist wohl der umstrittenste deutsche Korrespondent in Israel, den der Fernsehsender ntv wegen seiner Berichterstattung vor die Tür gesetzt hat. Vom Deutschen Presserat erhielt er eine „Missbilligung“, weil er einem Buchautor „Antisemitismus“ vorgeworfen hatte. Der hatte aber nur aus dem Alten Testament zitiert.

So sind nun auch die Ex-Kollegen von Daniel Killy über den Antisemitismus-Vorwurf empört.

Die Vorsitzende des Betriebsrates, Ruth Gerbracht, erklärte laut meedia.de, sie sei entsetzt über diesen Vorwurf, Killy beschädige die Zeitung insgesamt. Sie kenne zwar nicht die genauen Kündigungsgründe, könne sich aber nicht vorstellen, dass er wegen seiner Kommentierung oder wegen seines jüdischen Ehrenamtes entlassen worden sei. Ein anderes Redaktionsmitglied sagte dem Autor dieses Artikels, Killy habe sein Arbeitsgebiet als Chef vom Dienst einfach nicht beherrscht, habe seinen Job deshalb schlecht gemacht, er sei ein völliger Flop gewesen. Das sähen auch die anderen Kollegen so.

Killy selbst stellt sich nun als Märtyrer dar und behauptet, die Verlagsleitung und Chefredaktion verschleiere den wahren Grund seines Rausschmisses, bei dem er immerhin noch weich gelandet ist: Es gab einen Deal vor dem Arbeitsgericht – er erhielt eine Abfindung und ein positives Zeugnis. Der Gefeuerte wirft dem Weser-Kurier nun auf der Seite von israelnationalnews.com antisemitische Motive als Grund für seine Entlassung vor. Natürlich weist die Verlagsleitung solche Vorwürfe weit von sich. Der Autor dieses Artikels muss seinem alten Arbeitgeber – er hat 27 Jahre dort als politischer Redakteur gearbeitet – Recht geben. Das Haus hat seine liberalen Grundsätze immer hoch gehalten.

Die Nahost-Berichterstattung, wie sie heute dort betrieben wird, ist zwar sehr kritikwürdig, aber der Vorwurf des Antisemitismus ist schlichtweg unsinnig.