Alia al-Ghussain, 9.8.2016
Norma Hashims Engagement mit dem Problem der palästinensischen Gefangenen hat vor kurzem darüber ein Buch herausgebracht: „Das Tagebuch der Gefangenen: Palästinensische Stimmen aus dem israelischen Gulag“, das vom früheren Hungerstreikenden Hana al-Shalabi geschrieben worden ist. Ein menschliches, schönes, wertvolles, aber schmerzvolles Buch.
Hashims Traum von Freiheit ist eine ähnliche Beschreibung wert. In dieser Sammlung erzählen Kinder ihre Erfahrungen in der Einzelhaft, von Schlägen, Folter und Demütigung, während sie in israelischer Haft sind
Die Verwendung von Berichten aus erster Hand gibt eine Plattform für Geschichten, die sonst ungehört bleiben und die ein Licht auf systematische Misshandlung in Israels Gefängnissystem werfen.
Grauenhaft
„Von der Freiheit zu träumen“ beginnt mit der Geschichte des 14jährigen Yazan al-Shrbati: es ist eine der grauenhaftesten Narrative in dem Buch.
Yazan lebt in Hebron in der Shuhadastraße, die früher das Einkaufszentrum von Hebrons Altstadt war, aber jetzt für Palästinenser streng verboten ist, zugunsten der israelischen Siedler. Yazan erzählt, wie er von israelischen Siedlern brutal angegriffen wurde, während er allein auf der Straße ging; er erzählt auch von seiner nachfolgenden Verhaftung durch das israelische Militär, obwohl er nichts Provozierendes getan hatte.
Wie alle Kinder in dem Buch sagt Yazan, dass seine Erfahrung im Gefängnis ihn verändert habe. So auch die physische Gewalt, die Yazan währen der Haft erduldete, als israelische Siedler ihn traten und ihn auf den Kopf schlugen. Er wurde während der Haft einem psychologischen Druck ausgesetzt.
„Ich wurde in den Verhörraum gebracht, wusste aber nicht warum, da ich ja das Opfer eines Angriffs war,“ erklärte der Junge. „ Der mich verhörte, versuchte, mich dahin zu bringen, dass ich etwas aussage. Aber ich weigerte mich und bestand auf meiner Unschuld. Ich versuchte noch, deutlich zu machen, wie schlimm meine Wunden nach den Schlägen der Siedler und der Polizei sind.“
Menschenrechtsgebote und Normen gelten unter Besatzung nicht, wie diese Kinder schmerzhaft erlebten
Ein Kind beschreibt, wie die Wohnung von israelischen Soldaten überfallen wurde; ein anderes berichtet von einer Aufforderung eines Verhörzentrums. Unter Besatzung kann sich keiner wirklich sicher fühlen.
Die Geschichte von Ayman Abbasi, einem 16Jährigen aus dem besetzten Ost-Jerusalem ist besonders ergreifend.
Ayman war mehrmals im Gefängnis – das erste Mal als er gerade in der 9. Klasse war – er wurde aus dem Gefängnis entlassen, um einen unbefristeten Hausarrest zu bekommen , der schließlich 10 Monate dauerte. Er wurde dann zu weiteren 18 Monaten Gefängnis verurteilt und wurde gezwungen, sich selbst den Gefängnisbehörden zu stellen.
Ayman erlebte die Veröffentlichung von Hashims Buch nicht mehr. Er wurde von israelischen Soldaten im November des letzten Jahres erschossen.
Langfristige Folgen
Hashim ist beim Vorstellen ihrer Kinder sorgfältig und so redlich wie möglich, sie idealisiert sie nicht. Sie verklärt auch die Folgen des Aufstandes gegen die Besatzung nicht, für die die Palästinenser einen hohen Preis zahlen.
Ammar Adeli, ein Kind-Gefangener nahm an vielen Aktionen gegen die Besatzung teil, musste die Schule nach wiederholten Verhaftungen verlassen. Er konnte wegen hoher Arbeitslosigkeit in der Westbank keine Arbeit finden und lebt isoliert von seiner Familie.
Die langfristige Wirkung, die Verhaftung und Haft auf die Kinder hat – wie z.B. die Schule verlassen, psychologisches Trauma und Arbeitslosigkeit – sind zentrale Themen ihrer Erfahrungen nach dem Gefängnis.
Doch keins der Kinder, von denen in „Dreaming of Freedom“ berichtet wird, drückte den Wunsch aus, seine Heimat zu verlassen. Ihre gemeinsamen Erfahrungen von Haft und Gefangenschaft verstärken jedoch das Gefühl, dass sie in einem nicht von ihnen bewirkten System gefangen sind, das die Zeit und Bedingungen ihres Lebens diktiert.
Am erstaunlichsten aber ist, dass die Kinder immer noch Hoffnung haben. Als Muslim Ouda erklärte, wie er die Gefangenschaft verkraftet, sagt er „dass trotz der miserablen Bedingungen in den Zellen, würde ich noch immer versuchen, ein leuchtendes Bild meiner Zukunft zu malen, indem ich meine unschuldige Fantasie benütze, in der es keine Besatzung gibt.
(dt. E.Rohlfs, 20.08.2016)