Betr.: Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 25.11.: „Neue Horizonte“ von Paul-Anton Krüger, „Nicht mehr als eine Vorspeise“ von Nicolas Richter; „Stete Alarmsirene“ von Peter Münch und Leitartikel „Iran – Mehr als nur Pingpong“ von Rudolph Chimelli; SZ vom 26.11.: „Heimliche Treffs der Erzfeinde“ von Hubert Wetzel
Beitrag von
Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 30.11.2013
Wie alle anderen Nationen ist der Iran berechtigt, Kernreaktoren für friedliche zivile Zwecke auszubauen und zu nutzen. Die westlichen Genfer-Verhandlungsmächte maßen sich an, eine Einschränkung der Urananreicherung vom Iran zu verlangen und einige seiner Reaktoren zu stoppen und im Gegenzug sind sie nicht einmal bereit, ihre ungerechten Sanktionen aufzuheben. Damit stellen sie ihre bösen Absichten bloß, ihre Diskriminierung gegenüber einem souveränen Staat, Mitglied der Weltstaatengemeinschaft. Dadurch blamieren sich die USA/EU-Staaten weiter. Verdient ein Abkommen, das den Iran permanent als Ausgestoßenen, als Verbannten behandelt, als ein rechtmäßiges Abkommen unter Gleichen anerkannt zu werden? Die sogenannten „Verhandlungen“ waren eher eine Erpressung gegenüber einem Land, das infolge der unmenschlichen Sanktionen am Rand des wirtschaftlichen Kollaps steht.
Die Bedrohung durch den Westen bleibt. Unverschämt und verhängnisvoll. Das Engagement der Außenminister Amerikas und Russlands war entscheidend, um mindestens ein prekäres Resultat (Lockerung einiger Sanktionen) zu erlangen. Bei den Gesprächen zwischen Washington und Teheran „waren die Europäer daran nur am Rande beteiligt“, bemerkt Rudolph Chimelli in seinem Leitartikel „Iran – Mehr als nur Pingpong“, SZ, 25.11. EU-Staaten, darunter auch Deutschland, bleiben die fügsame Eskorte der US-Weltmacht, ohne Einfluss, ohne eigene Entscheidung. Sie trauen sich nicht einmal, für eine andere Politik als die von Washington diktierte den Mund zu öffnen.
Immerhin ist Teherans Entscheidung, sich an das Abkommen zu halten, umsichtig und vernünftig. Vor allem wenn es plausibel ist, dass es sich dabei um „eine kalkulierte Falle“ des Westens handelt, wie Knut Mellenthin in seinem Leitartikel „Wenn der Westen will“ begründet ahnen lässt. (JW, 25.11.) Gerade deshalb ist es besonders ratsam, nicht in die Falle zu tappen.
Die Wahrheit kommt immer ans Licht. Sie wird früher als später ans Licht kommen. Im Fall des Iran handelt es sich nur um ein Interimsabkommen, d.h. die Beschränkungen der Rechte Irans sind nicht endgültig, sondern befristet. Auch wenn Irans Recht auf Urananreicherung kein expliziter Teil der Genfer Vereinbarung vom 24.11. ist, enthält diese Vereinbarung aber Elemente einer noch auszuhandelnden endgültigen Gesamtlösung. „Dieser Teil sieht in der Tat – nicht sofort, aber als Endziel – die Anerkennung des iranischen Rechts auf friedliche Nutzung der Atomenergie, einschließlich der Urananreicherung, vor…. Es ist (inzwischen) also nur ein willkürliches beschnittenes Recht (bei dem Interimabkommen). Aber immerhin ist damit, jedenfalls perspektivisch, die alte Forderung vom Tisch, dass der Iran gänzlich auf die Anreicherung von Uran und damit auf die Herstellung von eigenen Reaktoren verzichten müsse…“ (Aus dem Leitartikel „Wenn der Westen will“ von Knut Mellenthin, Junge Welt vom 25.11.)
Es ist jedenfalls eine Atempause für den Iran und gleichsam eine zweite wichtige politische Schlacht gegenüber den fanatischen Israelis und US-Neokonservativen, die als Kriegstreiber „zum zweiten Mal seit August mit ihren Bemühungen gescheitert waren, die USA zu einer sofortigen Militärintervention gegen Syrien zu drängen.“ (Leitartikel „Wenn der Westen will“ von Knut Mellenthin, JW vom 25.11.) US-Senatoren erlitten damit zusammen mit den pro-israelischen Lobbyisten in den USA, von denen sie unter Druck gesetzt wurden, eine neue Niederlage, die sie als letzte Fossile einer untergehenden Epoche kennzeichnet. („Auslaufmodell“, Junge Welt vom 26.11.). Die israelische Konstruktion gegen den Iran ist definitiv gescheitert.
Sollte der Westen weiter das falsche israelische Spiel mitmachen, wird er sich selbst noch einmal vor der ganzen Welt demaskieren. Der Iran kann ruhig darauf warten; währenddessen muss Teheran den Westen mit der erforderlichen Initiative für eine atomwaffenfreie Zone im Nahen und Mittleren Osten herausfordern. Dazu hat der Iran schon die Unterstützung der blockfreien und der BRICS-Staaten, also die Unterstützung einer erheblichen Mehrheit der Weltstaatengemeinschaft: Über 120 Staaten.
Solange die destruktive hastige Haltung gegenüber dem Iran von der israelisch-saudischen Koalition Unterstützung im US-Senat bekommt, gibt es keinen realistischen Grund, weitere Gespräche mit den USA und ihrer EU-Eskorte zu führen. Mit Amerika ins Gespräch zu kommen hat nur Sinn, wenn Amerika die Rechte seines Kontrahenten respektiert und ihn mit Fairness behandelt. Die Genfer Verhandlungen wie alle früheren ergebnislosen Verhandlungen während der letzten zehn Jahre mit dem Iran zeigen aber das Gegenteil.
Die Welt erlebte dieses Schmierentheater eines sogenannten „Atomstreits“ schon vor längerer Zeit als Ablenkung vor der wirklichen großen Gefahr im Nahen Osten, nämlich eines bis zur Zähne mit Atomsprengkörpern und Raketen bewaffneten Israels. Es ist ein Skandal, dass die Medien sich darum nicht kümmern und die Initiative einer atomwaffenfreien Zone im Nahen und Mittleren Osten nicht einmal erwähnen. Wer deutsche Medien in seinen Krallen hat und sie zum Schweigen in dieser zentralen Atom-Frage zwingen kann, ist offensichtlich. Aber die Zumutung Israels entschuldigt nicht die Fügsamkeit von Journalisten, die kein Urteilsvermögen zeigen, sondern nackte Feigheit und Unterwerfung.
Wenn es ein Atomstreit gibt, dann besteht dieser Streit gegenüber dem Westen (USA/EU), der sich als Besitzer von Atomwaffen und mittels einer völkerrechtswidrigen illegitimen Militärorganisation überall als unzurechnungsfähig erweist. Das ist die schreckliche Realität. Bei dem West-Block befindet sich das erklärte Unrecht, nicht beim Iran. Mit anderen Worten, das Problem muss dort angegangen werden, wo es seinen Ursprung hat. Nicht in Teheran, sondern in den USA. Es sind die USA, die als Demokratie dieses zerstörerische ungeheuerliche Potential einmal skrupellos benutzten und wiederholt damit drohten.
Das Unrecht und der andauernde Verstoß des Westens gegen die UN-Charta, UN-Resolutionen und Abkommen sind bewiesen. Der Nichtverbreitungsvertrag von Atomwaffen, auch Atomwaffensperrvertrag genannt, ist seit 1970 in Kraft getreten. Er verpflichtet die Vertragspartner zu umfassender Abrüstung aller Atomwaffen und Einstellung ihrer Produktion, was bisher nicht geschehen ist. Auch über vierzig Jahre später ist nichts geschehen. Im Gegenteil setzt man eine Modernisierung von Atomwaffen fort, die die US-Regierung trotz des von ihr unterzeichneten Vertrages weiter betreibt. Haben sich die westlichen Verhandlungsdelegationen in Genf mit diesem Problem befasst?
Das Problem der Atomwaffen umfassend anzugehen, ist heute um so dringender als sich die Vereinigten Staaten von Amerika als Weltmacht mit Atomwaffen in eine Art faschistischer Staat degradiert haben.
Diesbezüglich ist aus dem Artikel „Was ist die wirkliche Agenda des amerikanischen Polizeistaats?“ von Paul Craig Roberts veröffentlicht am 15. November 2013, folgendes zu entnehmen:
„Für amerikanische Bürger (und für alle Weltbürger) ist es wichtig, Aufklärung darüber zu verlangen, was die realen Agenden hinter den von den Bush- und Obama-Regimes geführten willkürlichen Kriegen sind. Das sind größere langfristige Kriege, die zwei- oder dreimal so lang dauern wie der Zweite Weltkrieg.
Die laufenden und bereits verbuchten zukünftigen Kosten der Kriege gegen Afghanistan und gegen den Irak betragen mindestens US$6 Billionen. Es sind die Kosten dieser beiden Kriege, die die Explosion der Staatsschulden der Vereinigten Staaten von Amerika erklären und die wirtschaftlichen und politischen Probleme, die mit diesen riesigen Schulden zusammenhängen.
Es gibt keine Regierungen, die noch immer so leichtgläubig sind, dass sie irgendetwas glauben, was Washington sagt.
Die Bush/Obama-Regimes haben verschiedene Geschichten serviert: einen „Krieg gegen den Terror“, „wir müssen sie dort drüben töten, bevor sie zu uns kommen“, „Waffen der Massenvernichtung“, „Rache für 9/11“.
Keine dieser Erklärungen hat Hand und Fuß. Genauso wie heute die Anschuldigungskonstruktion gegen den Iran. Die Waffeninspektoren informierten damals das Bush-Regime, dass es im Irak keine Massenvernichtungswaffen gab.
Eine Demokratie und verantwortliche Regierung existieren einfach nicht, wenn der exekutive Bereich im Interesse von geheimen Agenden ein Land in Kriege führen kann und hinter dem Deckmantel von Geschichten operiert, die offenkundige Lügen sind.
Menschen unbefristet in Gewahrsam nehmen und Exekution ohne rechtsstaatliches Verfahren sind die Kennzeichen eines tyrannischen Staates. Das ist Terrorismus, nicht ein Schutz gegen Terrorismus.
Eine Regierung, die die verfassungsmäßigen Rechte der freien Rede und der freien Presse abbaut, um die Aufdeckung ihrer kriminellen Handlungen zu verhindern, ist eine tyrannische Regierung. Es ist nichts neues daran, wie die Regierung Sündenböcke zurecht richtet.“
Es ist gerade dieser in Verhältnisse des Faschismus zerfallene Staat, der sich anmaßt, über die Gegenwart und über die Zukunft anderer Völker zu bestimmen und dazu alle Mittel skrupellos benutzt bis hin zur finanziellen Erpressung, Aggression und Krieg. Ist es realistisch, von diesem Staat zu erwarten, dass er einmal fair und gerecht mit dem Iran verhandeln wird und die Grundlage für ein dauerhaftes akzeptabel Abkommen schafft? Während einem halben Jahrhundert haben die USA unmenschliche Sanktionen gegen Kuba diktiert und gegen alle UN-Resolutionen, die sich dagegen wandten, immer weiter verstoßen.
Vor dem irregeleiteten Kurs des Westblocks USA/EU, der fortwährend zur Konfrontation, zu Krieg, Mord und Gewalt führt, bleiben deutsche Journalisten sichtbar verblendet und können sich über ihn nicht klar werden. Das war auch offenkundig, als die blockfreien Staaten in Teheran konferierten (29.-31.8.2012). Nicht einmal die einfache Tatsache, dass sie die große Überzahl der Staaten der Welt darstellen, scheint in deutschen Medien eine Rolle zu spielen. Der UN-Generalsekretär Ban Ki Moon war auf dieser Teheraner Konferenz anwesend. Schon bevor das Treffen richtig anfing, und noch bevor es eine Abschlusserklärung gab, fiel die SZ-Redaktion mit unsachlicher Aufregung auf. Sie ließ eine Ansammlung von blamabler Oberflächlichkeit und Vorurteilen durchgehen. Ihr Verfall in das hysterische Geschrei, das von Israel ausgeht, war peinlich offenkundig, als die SZ das Treffen derart unsinnig kommentierte, als ob souveräne Länder „den Willen Washingtons und Jerusalems“ brauchten, um zusammenzukommen.
Wird Israels langer Arm in Deutschland auch weiterhin deutsche Medien in seinem Sinne lenken können, vor allem was den Iran betrifft und das Projekt einer atomwaffenfreien Zone im Nahen und Mittleren Osten, hinter dem die große Weltstaatenmehrheit steht?
Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait