Friedenswillen ist deutsche Staatsraison

Nahostpolitik

Zitat: „Oder glaubt Ischinger, dass Moskau die NATO-Osterweiterung und Truppen-Stationierung an der russischen Grenze willkommen heißen soll? Wie realitätsfern muss ein Alt-Diplomat sein, um im deutschen Fernsehen auftreten zu dürfen? Sahra Wagenknecht trifft den Nagel auf den Kopf, indem sie die Scheinheiligkeit der USA und ihre Vasallen wie Wolfgang Ischinger sachlich entlarvt

Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 05.02.2022

Betr.: Bevorstehende Washington-Reise von Kanzler Olaf Scholz bisher ohne seine Stellungnahme, ohne Bekanntgabe einer deutschen Entspannungsinitiative

Konflikt USA-Russland mit Schauplatz Ukraine

Deutschland, Europa hat sich nicht darum gekümmert, eine Friedens-Sicherheitsordnung zu errichten. Über 70 Jahre lang, den ganzen Kalten Krieg hindurch, haben sich Deutschland und Europa hinter der USA positioniert und alle deren Völkerrechtsbrüche mitgemacht. Nicht verwunderlich, dass Berlin und Europa in der jetzigen Krise keine Rolle spielen, in einer Krise, die im Grunde genommen ein ernsthafter tradierter Konflikt der USA mit Russland ist, mit Schauplatz Ukraine.

Friedensgebot der Weltstaatengemeinschaft ernst nehmen, sich an die Stärke und Herrschaft des Rechts halten

Deutschland imitiert die größenwahnsinnige Außenpolitik der USA. Die (west)deutsche Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen hat bisher nicht einziges Mal gezeigt, dass das Friedensgebot der Weltstaatengemeinschaft ernst zu nehmen ist und die Berliner Regierung es überzeugt wie überzeugend auf der Weltbühne repräsentiert. Als hätten die Nachfolgegenerationen der Nazizeit dieses böse Kapitel deutscher Geschichte immer noch nicht überwunden, bewundert Berlin eher die brutale Gewalt, statt sich an die Stärke und Herrschaft des Rechts zu halten. Eine breit verwurzelte Rechtskultur hat sich hierzulande eben bis heute noch nicht herausgebildet. Daher die blinde Akzeptanz der Abschreckung, des Drucks, der Erpressung, Bestechung und Bedrohung, alle diese völkerrechtswidrigen Praktiken, die der zivilisierten festgelegten Weltordnung zuwiderlaufen. Täglich wird hierzulande die Kriegstrommel gerührt. Nicht nur jetzt wegen der Ukraine-Krise, sondern immer dann, wenn ein Konflikt entsteht, wie schon 1991 zum Irak, später beim Zerfall Jugoslawiens 1999, beim zweiten Krieg im Irak 2003, beim Bombenangriff auf Libyen 2011 mit der Beseitigung der Regierung Ghadhafis, beim terroristischen Krieg in Syrien und in vielen anderen Fällen. Säbelrasseln, das kann die Berliner Regierung, aber keinen Frieden stiften. Dazu fehlt ihr das Bewusstsein und der Respekt für Rechtsnormen – eine sehr traurige Realität, die nicht einmal außerhalb von Regierungskreisen wie in Kirchen oder Gewerkschaften wahrgenommen wird.

Westliche Entgleisung aus völkerrechtlichen Bahnen

EU-Staatschefs, Außenpolitiker und ihre Medien verkennen die Lage, die seit Jahrzehnten entstanden ist und sich aufgrund einer niemals korrigierten westlichen Entgleisung aus völkerrechtlichen Bahnen zugespitzt hat. Diese verirrte Praktik des westlichen Blocks ist grundsätzlich nüchtern geschildert im Artikel: „Russland will die USA zwingen, die UNO-Charta zu respektieren – Steigende Spannungen“ von Thierry Meyssan: <Russland und China haben kürzlich die Vereinigten Staaten schriftlich aufgefordert (15.1.22), die Charta der Vereinten Nationen zu respektieren und ihr Wort zu halten. Dieses Vorgehen … stellt nicht nur das Funktionieren der UNO, der NATO und der Europäischen Union in Frage, sondern fast alle Vorwärtsbewegungen der USA seit der Auflösung der UdSSR. Für Washington ist dies offensichtlich inakzeptabel. Aber die amerikanische Hypermacht ist nicht mehr das, was sie einmal war. Sie wird ihren Rückzug beginnen müssen.>

Washington-Reise von Kanzler Olaf Scholz ohne Agenda für Deeskalation und Entspannung völlig überflüssig und nutzlos

Die für den 7.2.22 angekündigte Reise des deutschen Kanzlers Olaf Scholz nach Washington, ohne eine Agenda für Deeskalation und Entspannung mitzubringen, um US-Präsident Joe Biden zu veranlassen, die Lage zu entschärfen, ist ein fehlgeschlagener Schritt ins Vakuum, völlig nutzlos und überflüssig. Eher scheint, dass der Kanzler sich als uneingeschränkter Vassal der USA betätigen will und Anweisungen der Großmacht sucht, um sie zu befolgen – armseliges Deutschland!

Europäisches Problem der Ost-Ukraine rein europäisch angehen

Scholz Vorgängerin Angela Merkel gelang es dank kluger Diplomatie zusammen mit Frankreich und Russland das europäische Problem des Bürgerkrieges in der Ukraine rein europäisch anzugehen, um es zu lösen. Die USA blieben daran unbeteiligt, außen vor, ein Schritt, der wahrscheinlich nicht sehr gut in den USA ankam. Mithilfe von Verhandlungen im sogenannten Normandie-Format, nämlich im Beisein von Frankreich, Deutschland und Russland, konnten die beiden Bürgerkriegsparteien in der Ukraine zu einem Waffenstillstand gebracht werden (Minsk I) und zu einem Abkommen, um den Frieden nach gemeinsam festgelegten Schritten wieder herzustellen (Minsk II). Dass dieser Plan von Schritten bis heute nicht von Kiew befolgt wurde, bildet den Kern der gesamten Krise, die wir augenblicklich zwischen Washington und Moskau erleben; allerdings sorgen interessierte mächtige Kreise dafür, dass er in der Öffentlichkeit ausgeblendet bleibt. Offensichtlich gibt es Leute, die meinen davon zu profitieren, bei Bedarf den Bürgerkrieg in der Ukraine wieder anfachen zu können und ihn zu benutzen, um Russland zu destabilisieren, und letztendlich eine US-Marionettenregierung in Moskau zu haben. Sicherlich eine riesige Illusion.

Moskau in der diplomatischen Offensive

Wie auch immer die Absichten und Ziele dubioser angelsächsischer und EU-Kreise aussehen, Moskau ist jetzt in der diplomatischen Offensive. Der Westen muss jetzt auf die russischen Sicherheitsinteressen eingehen. Mit weiterem Umschweifen und Ablenken kommt er nicht mehr durch.

<Die großen Fragen, die sich um Moskaus Forderung nach Sicherheitsgarantien drehen, die also die außen- und militärpolitische Ordnung Europas betreffen – über sie verhandelt Russland seit Dezember 2021 mit den USA. … Russlands Außenminister Sergej Lawrow äußerte am Mittwoch (26.1.22) in der Duma, er lehne eine Einbindung der EU und der OSZE in die Gespräche ab, denn das ziehe die Diskussion bloß immer weiter in die Länge.> ( „Normandie-Gespräche zur Ukraine – Nichts von Relevanz“ von Jörg Kronauer, Junge Welt 27.1.22) Russland erwarte ein „ergebnisreiches Gespräch“ teilte Dmitri Peskow, Sprecher des russischen Präsidenten, vor dem Normandie-Treffen mit.

Erfahrung aus dem Zweiten Weltkrieg genug für Moskau, aber nicht für Leute wie Alt-Diplomat Ischinger

Alte Herren aus dem Kalten Krieg, wie Alt-Diplomat Wolfgang Ischinger sind nicht imstande, die US-NATO Krise mit Russland sachlich zu begreifen und beizutragen, sie auf vernünftige und faire Weise zu entschärfen. Ischinger versteht nicht oder will es nicht verstehen, dass Russland bereit ist, sich vor einer eventuellen ausländischen Attacke zu schützen und sich zu wehren. Die Erfahrung aus dem Zweiten Weltkrieg, als es von Nazi-Deutschland überfallen wurde, ist genug, um jetzt den Kreml nicht unvorbereitet zu treffen. Genau deshalb sind jetzt 130.000 Soldaten in der Nähe der Ukraine, um einen eventuellen Angriff zurückzuschlagen. Nicht Russland wird angreifen, hat mehrfach der Kreml versichert, aber wenn fremde Truppen es tun werden, dann haben sie den Krieg, denn Russland ist bereit, sich zu wehren. Oder glaubt Ischinger, dass Moskau die NATO-Osterweiterung und Truppen-Stationierung an der russischen Grenze willkommen heißen soll? Wie realitätsfern muss ein Alt-Diplomat sein, um im deutschen Fernsehen auftreten zu dürfen? Sahra Wagenknecht trifft den Nagel auf den Kopf, indem sie die Scheinheiligkeit der USA und ihre Vasallen wie Wolfgang Ischinger sachlich entlarvt (3.2.22):

<Statt auf Vernunft und Deeskalation zu setzen, wird von den USA und ihren Verbündeten die Situation im Ukraine-Konflikt weiter verschärft: Die USA entsenden tausende Soldaten zusätzlich nach Osteuropa und der ukrainische Präsident will die eigenen Truppen um 100.000 Soldaten vergrößern. Auch die Bundesregierung hat zur militärischen Eskalation beigetragen, indem sie die türkische Armee bei der Entwicklung von gefährlichen Kampfdrohnen unterstützt hat, die dann in der Ukraine für Angriffe auf Aufständische im Donbass zum Einsatz kamen. Auch verbal wird immer weiter aufgerüstet. Doch das Herbeireden eines Krieges mitten in Europa ist brandgefährlich. Mehr als 13.000 Menschen haben in dem Konflikt in der Ostukraine bereits ihr Leben verloren. Statt, wie jetzt die FDP, auch noch ein Ausbildungsprogramm für ukrainische Offiziere zu fordern, muss die Bundesregierung mit allen Mitteln für eine diplomatische und friedliche Lösung in der Ukraine eintreten. Dass Russland verbindliche Zusagen und umfassende Sicherheitsgarantien fordert, ist gerade vor dem historischen Hintergrund des Zweiten Weltkriegs und dem von Nazi-Deutschland ausgehenden Vernichtungskrieg, dem 27 Millionen Menschen in der Sowjetunion zum Opfer fielen, mehr als verständlich. Dass Russland, das entgegen gemachter Zusagen seit dem Ende des Warschauer Pakts eine erhebliche Ausweitung der NATO bis vor seine Grenzen erlebt hat, eine Mitgliedschaft auch noch der Ukraine im westlichen Verteidigungsbündnis ablehnt, ist ebenfalls nachvollziehbar. Gerade Deutschland sollte sich der Wichtigkeit und Bedeutung guter und verlässlicher Beziehungen mit Russland bewusst sein und alles dafür tun, diese zu sichern und zu bewahren. Frieden in Europa kann es nur mit und nicht gegen Russland geben!>

Wachsende Gefahr eines Überfalls von ukrainischer Seite auf den Donbass

Die Tatsache, dass die USA ihre militärische Präsenz im Osten des Bündnisses erhöhen wollen, wie die NATO in Brüssel am Montag (24.1.22) bestätigte, <führe „dazu, dass die Spannung wächst“, wie Dmitri Peskow, Pressesprecher des russischen Präsidenten sagte. Nicht Russland sei deren Ursprung, sondern die „Informationskampagne“ und „Hysterie“ der USA und der NATO. Die Kampagne werde von einer Vielzahl „einfacher Lügen“ begleitet. Er warnte zugleich vor der wachsenden Gefahr eines Überfalls von ukrainischer Seite auf den Donbass: „Die Gefahr ist da, und sie ist jetzt sehr groß, höher als früher. Die „Hitzköpfe“ in der Ukraine würden jetzt durch Waffenlieferungen ermuntert.>

Nicht ausgeschlossen: Bevorstehende Entsendung von mehreren tausend US-Soldaten, Kriegsschiffen und Flugzeugen ins Baltikum und nach Osteuropa

Eine aktuell laufende unberechenbare Mobilisierung stellt den großen Wahnsinn innerhalb der NATO bloß, wo <auch Dänemark, Spanien, Frankreich und die Niederlande Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge entsenden. Frankreich habe sich bereit erklärt, Truppen unter NATO-Führung nach Rumänien zu entsenden. Die Niederlande schicken ab April zwei Kampfflugzeuge nach Bulgarien. Einem Bericht der New York Times zufolge erwägt US-Präsident Joseph Biden die Entsendung von mehreren tausend US-Soldaten sowie von Kriegsschiffen und Flugzeugen ins Baltikum und nach Osteuropa.> („NATO rüstet in Osteuropa auf“ von Arnold Schölzel, Junge Welt , 25.1.22)

NATO-Verlogenheit bei kostspieligen militärischen NATO-Inszenierungen in der Nähe zu Russland

Höhnisch und höchst verlogen klingt angesichts dieser irrsinnigen bedrohlichen NATO-Maßnahmen die Aussage von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Brüssel, die Allianz reiche Russland „erneut die Hand, um zu versuchen, den Weg des Dialogs fortzusetzen und eine politische Lösung zu finden“. Eine politische? Was sollen dann die kostspieligen militärischen Inszenierungen der NATO in der Nähe zu Russland?

Gefährliche Konstellation wie zu Zeiten des Kalten Krieges

Mit Blick auf die Antwort der NATO bezüglich der Vorschläge Russlands sagte Außenminister Sergej Lawrow, es gebe in dem Dokument „keine positive Reaktion auf das Hauptthema“. Dies sei die Unzulässigkeit der weiteren Osterweiterung der NATO und der Stationierung von Rüstungsgütern, die das Territorium der Russischen Föderation bedrohen könnten“. Gleichwohl lasse die Antwort erwarten, dass ein „ernsthaftes Gespräch“ beginnen könne, „allerdings über zweitrangige Themen“. Diese gefährliche Konstellation gab es schon zu Zeiten des Kalten Krieges – da ging es gegen die UdSSR – und sie hat sich immer noch nicht geändert. Die NATO müsse „ihren Kram packen und sich an die Grenzen von 1997 begeben“, formuliert es Sergej Rjabkow, stellvertretender Außenminister Russlands.

Soll Moskau nur abwarten?

Die US-Einkesselung Russlands – hauptsächlich mithilfe ihrer NATO – ist eine zu beobachtende Tatsache. Soll Russland abwarten und zusehen, bis es zu einem US-geführten Angriff kommt oder sich auf eine US-Marionettenregierung in Moskau freuen? Die am höchsten bewaffnete Militärorganisation der Welt, die NATO, die schon Angriffskriege in Europa geführt hat, rückt gegen alle Abmachungen an Rußlands Grenzen. Keine vernünftige verantwortungsvolle Regierung der Welt würde eine solche potentielle ungeheure Gefahr verkennen und schweigend tatenlos bleiben. Das wäre sicherlich fahrlässig unrealistisch in Anbetracht der aggressiven jüngsten Geschichte der NATO, die sich nach dem Kalten Krieg grausam verbrecherisch abgespielt hat.

Deutschland darf nicht weiter der Perversion des Denkens seltsamer US-Regierungen folgen, die sich mit der Sensibilität eines Monsters als Richter über Gut und Böse erheben und fest daran glauben, das Gute mit dem Werkzeug des Bösen erreichen zu müssen.