Von
Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 23.11.2014
Der Angriff auf eine Synagoge in Jerusalem mit fünf toten Israelis ist eine wiederholte Explosion der Gewalt eines über sechzig Jahre andauernden, ungelösten Konflikts zwischen Palästinensern und Israelis. Es handelt sich gar nicht um einen religiösen Konflikt.
Die Netanjahu-Regierung hat schon mit dem zweiten verbrecherischen Gaza-Krieg im Juli/August 2014 das Verhältnis mit Palästina nicht nur radikalisiert, sondern unmöglich gemacht. Eine Basis für Gespräche mit einer solchen extremistischen mörderischen Regierung gibt es nicht. Tel-Aviv treibt eine Gewalteskalation und verhindert sogar die Arbeit der UN-Untersuchungskommission der israelischen Verbrechen in Gaza.
Die ständige Blockade zum Frieden hat nicht nur der Präsident Abbas erkannt. Sie ist auch bei den wiederholten gescheiterten Missionen aller US-Sonderbeauftragten offenkundig geworden, bei George Mitchell 2009, danach bei Hillary Clinton und jetzt bei John Kerry.
Natürlich ist die US-Haltung mitverantwortlich für das permanente Unheil. Sie muss längst erkannt haben, dass sich die israelische Regierung von allein und durch gutes Zureden nicht zur Vernunft bringen, nicht zu einem Friedensprozess bewegen wird. Trotzdem setzt die US-Regierung sie nicht unter Druck und beschließt keine Sanktionen, ja diskutiert sie nicht einmal. Deshalb sind alle US-Bemühungen gescheitert und werden weiter scheitern. Wenn Kerry einen „Friedensprozess“ im Munde führt, ist es billiges Theater für eine duldsame Öffentlichkeit.
Auch der deutsche Außenminister Walter Steinmeier hätte sich seine jüngste Reise nach Tel-Aviv sparen können. An der Seite israelischer Sturheit und Irrationalität stumm vor der Öffentlichkeit zu stehen, ist für einen Außenminister würdelos.
Es ist ein grundsätzlicher Fehler sowohl von Politikern als auch von Redakteuren, Besatzer und Besetzte auf die gleiche Stufe zu stellen. Recht und Unrecht sind zu unterscheiden. Recht und Unrecht sind beim Namen zu nennen und nicht gleichzusetzen oder zu vernebeln. Es ist Unrecht, fremdes Territorium besetzt zu halten, und dagegen gibt es das Recht auf Widerstand, so einfach ist das. Und das hat mit den Nazi-Großeltern in den Familien von Redakteuren und Politikern nichts zu tun!
Der Präsident Abbas zögert immer noch, Israel vor dem Internationalen Strafgerichtshof in den Haag anzuklagen. Diesen gerichtlichen Schritt darf Abbas nicht länger verschieben. Aufrufe zur Besinnung überhört Netanjahu und seine ganze Clique. Sie beachten sie nicht. Warum sollten sie auch, solange sie von den USA/EU keine harten Strafmaßnahmen zu befürchten haben?
Israel ist ein illegaler, illegitimer Besatzer von palästinensischem Territorium. Diese illegitime Realität wagt der Journalist Peter Münch nicht zu thematisieren. In keinem einzigen seiner Leitartikel bezeichnet Peter Münch Israel als illegalen Besatzer. Der palästinensische Präsident Abbas bezeichnet die Besatzung als die Wurzel des Aufruhrs. Damit spricht er sachlich eine Wirklichkeit aus: „Es ist an der Zeit, die Besatzung zu beenden und damit die Auslöser von Spannung und Gewalt.“ Der palästinensische Präsident radikalisiert somit nichts, sondern verweist ganz genau auf die schon radikalisierte Lage, die die inakzeptable illegale Besatzung Palästinas durch Israel hervorgerufen hat, und für die kein Ende in Sicht ist. Die Zuspitzung des Konflikts entsteht aus diesem schon zu langen unerträglichen illegalen Zustand. Die Serie von Anschlägen ist nur die gewaltsame Reaktion darauf. Die irrationale Vergeltungspolitik Israels geht extrem unmenschlich weiter. Sie heizt den Hass und die Wut der unterdrückten Palästinenser so sehr an, dass heute kaum noch moderate Palästinenser zu finden sind.
Rainer Rupp trifft den Nagel auf den Kopf in dieser endlosen Gewalt-Kette: <Die brutale, wahllose Metzelei von – laut UN-Angaben – 2.100 wehrlosen palästinensischen Männern, Frauen und Kinder im Bomben- und Granathagel der israelischen Soldateska im vergangenen Juli und August in Gaza ließ ARD und ZDF unerwähnt. … Dazu zählt (auch) das Massaker, das der zionistische Siedler Baruch Goldstein am 25.Februar 1994 in der Abraham-Moschee in Hebron anrichtete. Mit einer Maschinenpistole bewaffnet, drang er damals während des Gottesdienstes in das heilige Haus ein und erschoss wahllos 29 unschuldige, betende, nichtsahnende Menschen und verletzte Dutzende teils schwer. Damals reduzierte sich das Entsetzen der sprechenden Köpfe hiesiger Medien auf eher formalistische Verurteilungen. Die Toten waren schließlich nur Muslime. Und von dem am 11.Juli 1948 vom 80. israelischen Kommandobataillon unter Führung des auch von Deutschen bewunderten „Kriegshelden“ Mosche Dayan im palästinensischen Dorf Lydda begangenen Massaker, bei dem über 80 Dorfbewohner in der lokalen Moschee ermordet wurden, werden die Zuschauer von ARD und ZDF wahrscheinlich nie etwas erfahren.> (Leitartikel „ARD und ZDF zu Attentat in Israel – Zweierlei Maß“ von Rainer Rupp, jW, 20.11.)
Die Aktionen der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) sind im Rahmen eines legitimen Widerstands gegen den Besatzer zu begreifen. Als der erforderliche israelische Rückzug ausbleibt, nehmen sie ihr Schicksal in die eigenen Hände und leisten Widerstand. Dass Hamas zusammen mit der Volksfront zur Befreiung Palästinas gemeinsame Sache macht und beide sich einig zeigen, ist verständlich. Dass die Palästinenser in Gaza ihre Kämpfer unterstützen ist ebenso verständlich. Haben deutsche Medien vergessen, wie bestialisch die israelische Kriegsmaschinerie die Menschen in Gaza 2008/2009 und dann wieder im vergangenen Juli/August angriff?
Deutschland hat während des Dritten Reichs einen gewaltsamen Aufruhr erlebt. Haben die Nazi-Besatzer etwa nicht den gewaltsamen Widerstand der Völker der okkupierten Länder gespürt? Sie haben den Widerstand als Terror bezeichnet.
Europa spielte für einen Frieden im Nahen Osten bisher eine ehrlose unglückliche Rolle ohne eigenständige EU-Politik. Eine willige bedeutungslose Nachahmung, eine unwürdige Kopie der US-Regierung braucht der Nahe Osten nicht, die restliche Welt sowieso nicht.
Die Zeit für starke Sanktionen gegen Israel ist längst angebrochen. In diesem harten Punkt versagte bisher die US-Regierung ebenso wie die EU, deren Schwäche blamabel offenkundig ist. Allerdings war es im Kontext der extremen Gewalt-Explosionen, die die israelische Regierung in Gaza erzeugte, nachvollziehbar, dass die damalige US-Außenministerin Hillary Clinton eine revidierte Position ihres Landes gegenüber der Regierung Netanjahu in aller Härte klarstellte. Wann wird man endlich mehr professionellen Arbeitseifer und selbständiges Urteilsvermögen im deutschen Kanzleramt, im deutschen Außenministerium und in deutschen Redaktionen entwickeln? Ist die EU, ist die Bundeskanzlerin Angela Merkel, ist der Außenminister Walter Steinmeier zu diesen strengen Maßnahmen gegen Israel bereit? Alles andere ist wirkungslos und führt nur zu leeren Parolen, zu unehrlichem Lamento und übertriebenen Emotionen für die Öffentlichkeit. Die jüngste Reise ins Leere von Außenminister Walter Steinmeier hat erneut bewiesen, wie wirkungslos „Gespräche“ mit Tel-Aviv sind.
Die Anerkennung Palästinas durch Schweden, Briten, Spanier und Franzosen ist ein richtiges politisches Signal, aber es genügt nicht, um Israel in die Schranken zu weisen. Dazu gehört jetzt der Gang zum Strafgerichtshof in Den Haag. Diesen Weg sollte Palästina mit Unterstützung mindestens von Schweden, Großbritannien, Spanien und Frankreich unverzüglich gehen können. Die fortgesetzten Kriegsverbrechen der israelischen Regierung in Gaza und ihre illegale Besetzung Palästinas sind vor Gericht zu bringen. Das gebieten die internationale Rechtsordnung und die Gerechtigkeit. Niemand, der die Werte von Rechtsstaatlichkeit und Menschlichkeit vertritt, wird diesem Standpunkt widersprechen können. Aber die Zuträger und Helfershelfer der israelischen Regierung werden alles daran setzen, Schweigen über dieses Anliegen zu verbreiten und Ablenkungsmanöver zu inszenieren. Dabei ist die internationale Anklage Israels wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit überfällig.
Eines dieser Ablenkungsmanöver ist gerade bei der Partei DIE LINKE zu beobachten. Dort versäumt man es, auf das israelische Morden unbescholtener palästinensischer Familien in Gaza einzugehen, darunter eine Familie mit deutscher Staatsangehörigkeit, worüber zwei jüdische Journalisten in Veranstaltungen der Linkspartei berichten wollten, aber zunächst daran gehindert wurden. Presse-Verlautbarungen in Berlin in dieser Sache führten zu Morddrohungen in Israel gegenüber einem der Journalisten, der israelischer Staatsbürger ist und dessen Familie in Israel wohnt, wie er selber im Fernsehsender „RTdeutsch“ berichtet. Nichts davon wird in deutschen Medien berichtet, weniger noch werden die in Berlin sich aufhaltenden jüdischen Journalisten dazu von deutschen Kollegen befragt. Stattdessen kommt es bei der Partei DIE LINKE zu einem öffentlichen innerparteilichen Eklat, was die Parteigegner in den Konzernmedien sofort nutzten und das Ablenkungsspiel auf Anti-Linke-Propaganda ausdehnten. Das eigentliche Thema der Verbrechen gegen die Menschlichkeit der israelischen Regierung wird bisher nur in der Fernsehsendung „Der fehlende Part“ im neuen deutschsprachigen Sender von RT, 17.11. beleuchtet. ( http://www.rtdeutsch.com/6433/der-fehlende-teil/der-fehlende-part-ukraine-uberschattet-g20-gipfel-e04/)
Nicht nur bei der Partei DIE LINKE, sondern in allen Parteien und Medien ganz Europas müssen Israels Kriegsverbrechen und die illegale Besatzung Palästinas zentrales Thema werden. Das setzt voraus auch, dass man sich in Europa aus überkommenen Traumata und Befangenheit befreit, indem man sich der faschistischen Verbrechensgeschichte ganz Europas endlich stellt und heute gegen Faschismus mit den Mitteln des Rechtsstaates vorgeht. Wann werden wir das endlich erleben?
Schon die Tatsache, dass Washington mehr als ein Jahrzehnt lang Gespräche mit der palästinensischen Befreiungsorganisation PLO ausgeschlossen hatte, war verantwortungslos, denn es verzögerte den Dialog über eine Beilegung der Israel-Palästina-Frage. Washington hat diesen Fehler bisher nicht eingesehen und begeht ihn jetzt erneut, indem das Weiße Haus nicht mit der Hamas verhandeln will. Politische Kontakte mit Hamas sind unvermeidlich. Die USA und die EU werden die Frage des Umgangs mit der Hamas nicht länger vertagen können.
Was die Weltstaatengemeinschaft bei der unverhältnismäßigen Aggression Israels gegen Palästina in Gaza im vergangenen Juli erneut erlebte, wäre niemals geschehen, hätten die USA und die EU längst das zügellose aggressive Israel gebremst. Die USA mit ihrer früheren Israel-Politik sind die wahren Schuldigen der täglichen Massaker von Palästinensern. Wie schon zuvor fand der unmenschliche feige Angriff gegen Gaza unter dem Deckmantel der USA statt, die längst das internationale Recht gesprengt haben. Ihre unberechenbare Exklave, Israel, folgt skrupellos derselben aggressiven US-Außenpolitik im Nahen Osten. Ein Wille zum Frieden gibt es nicht, gab es niemals und wird es nicht geben, solange Israel nicht mit starkem massivem Druck gezwungen wird, sich aus den okkupierten palästinensischen Territorien zurückzuziehen und solange EU-Staaten Israel skrupellos weiter aufrüsten. „Wer rüstet Israel ab?“, war schon in den achtziger Jahren die berechtigte Frage eines FDP-Außenpolitikers, Wolfgang Mischnik.
Es ist realistisch und nicht verwunderlich, dass keine ernsthafte Friedenslösungen mehr möglich sind, vor allem nicht nach der wiederholten völlig unverhältnismäßigen Vernichtungsmaschinerie, die Israel gegen Gaza 2008/2009 und 2014 in Gang setzte, ohne irgendwelche Strafmaßnahmen fürchten zu müssen, nicht einmal Verurteilungen durch europäische Regierungen oder führende Presseorgane. Fatah und Abbas sind gebrannte Kinder von Israel. Aber jetzt ist die Zeit für die internationale Justiz gekommen.