Klarheit schaffen – Friedensprozess im Nahen Osten nicht länger von den USA abhängig

Nahostpolitik

Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 30.10.2023

Keine Forderung nach Waffenstillstand, weder von den USA noch von Frankreich oder den restlichen EU-Staaten

Nicht nur die Vereinigten Staaten rücken immer näher an die reale Möglichkeit einer direkten Beteiligung an einem regionalen Krieg im Nahen Osten heran, sondern auch Frankreich, nachdem der französische Präsident Emmanuel Macron an der Seite von Netanjahu dieselbe widerliche Show in einer Pressekonferenz inszenierte wie zuvor Joe Biden. Skrupellos solidarisiert sich Macron mit der Aggression Israels und ruft nach einem noch erbärmlicheren Krieg gegen Hamas! Nichts von der Forderung nach einem Waffenstillstand ist zu hören – weder von Joe Biden noch von Emmanuel Macron.

Nachdem der UN-Generalsekretär der Vereinten Nationen (UN) Antonio Guterres vielmals zum Waffenstillstand aufgerufen hat, ist offenkundig, wer dagegen ist und sich als ein Regierungsoberhaupt wider alle Vernunft gegen das Völkerrecht und gegen jede Form von Zivilisation bloßstellt.
Auf diesem gefährlichen Terrain werden die Schwachstellen der zunehmenden US-Militärpräsenz im Nahen Osten plötzlich offenkundig.

Katars Emir Tamim bin Hamad Al Thani hat Israel eindringlich zu einem Ende der Angriffe auf den Gazastreifen aufgefordert. In einer Sitzung des Schura-Rats in Doha sagte der Emir am Dienstag (24.10.): „Genug ist genug: Israel durfte kein bedingungsloses grünes Licht und keine freie Lizenz zum Töten erhalten.“

Gerade das hat der französische Präsident Macron skrupellos getan, ohne menschliches Gewissen. Eine Schande für Frankreich! Dieser unwürdige Führer ist von den souveränen, unabhängigen Bürgern Frankreichs definitiv abzuwählen. Der jordanische König warnte Macron davor, dass die israelische Aggression eine Explosion in der ganzen Region verursachen könnte. In Kairo wird der Präsident Ägyptens dem Franzosen Macron die Leviten lesen. Der Präsident der Türkei, Recep Tayip Erdogan, hat öffentlich erklärt, dass Hamas keine terroristische Organisation ist, sondern eine Befreiungsgruppe. (Meldung 25./26.10.23).

Die Türkei ist sich in voller Klarheit darüber, wie hinterhältig kriminell die USA und die meisten NATO-Staaten agieren.

Kreml und Erdogan-Regierung lassen sich nicht täuschen

Schon 2016 war klar: Sowohl der Kreml als auch die Erdogan-Regierung lassen sich nicht täuschen. Das damalige Moskauer Treffen mit der Türkei und dem Iran am 20.12.16 offenbarte es. Großbritannien, Frankreich und die USA, nämlich die Aggressoren gegen Syrien, waren nicht dabei. Allerdings war dieses Moskauer Treffen, das den Erfolg der russischen Diplomatie Russlands belegt, in den Medien so gut wie nicht wahrnehmbar, weil sich zur selben Zeit (am 19.12.2016) der verbrecherische Anschlag in Berlin am Breitscheidt-Platz ereignete, der tagelang alle mediale Aufmerksamkeit auf sich zog. Deutsche Medien widmeten sich ausschließlich dem Attentat in Berlin,völlig abgenabelt von anderen wichtigen aktuellen Ereignissen. So unterblieb damals auch jede Nachricht über die brisanten Festnahmen von NATO-Offizieren in Ost-Aleppo durch Kräfte der syrischen Regierung.

Transatlantische Beziehungen auf neuer Grundlage definieren

Also schon damals musste jedem ernsthaften Beobachter und Politiker klar geworden sein: Kriminelle Handlungen sind keine Basis für transatlantische Beziehungen. Auch jetzt kennzeichnet Regierungskriminalität die USA und ihre Verbündete, was die unverhältnismäßige Aggression Israels gegen Gaza noch einmal beweist. Folglich müssen die transatlantischen Beziehungen, zumindest für Deutschland, wenn es ein glaubhafter Streiter für die Menschenrechte sein will und endlich international verantwortlich handelt, auf völlig neuer Grundlage definiert werden. Diese Einsicht hat sich hierzulande allerdings noch nicht durchgesetzt, nicht einmal in den Oppositionsparteien.

<<Die Flut von Ereignissen in der vergangenen Woche ist atemberaubend, angefangen mit einem Telefonat des iranischen Präsidenten Sayyid Ebrahim Raisi mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman am Mittwoch (18.10.23), um eine gemeinsame Strategie zu besprechen…

Zuvor hatte der Oberste Führer des Iran, Ayatollah Ali Khamenei in einer eindringlichen Erklärung betont, dass „diese Niederlage (seitens der Hamas) aus militärischer und geheimdienstlicher Sicht nicht wieder gutzumachen ist. Sie ist ein verheerendes Erdbeben. Es ist unwahrscheinlich, dass das (israelische) Usurpationsregime in der Lage sein wird, mit Hilfe des Westens die tiefen Spuren zu beseitigen, die dieser Vorfall in seinen Herrschaftsstrukturen hinterlassen hat.“ Iran warnt Israel vor seinem apokalyptischen Krieg. (Dienstag 17.10.23). Am wirksamsten abschreckend für Israel wäre, wenn der Iran über Überschallraketen wie die russische Kinshal-Rakete verfügte.

Ein hochrangiger iranischer Beamter erklärte gegenüber Reuters, Raisis Anruf beim Kronprinzen habe zum Ziel gehabt, „Palästina zu unterstützen und die Ausbreitung des Krieges in der Region zu verhindern. Der Anruf war gut und vielversprechend.“ Nachdem der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian eine umfassende Verständigung mit Saudi-Arabien herbeigeführt hatte, führte er ein Gespräch mit seinem emiratischen Amtskollegen, Scheich Abdullah bin Zayed, in dem er die islamischen und arabischen Länder aufforderte, das palästinensische Volk zu unterstützen, und die Dringlichkeit der Lage betonte.

Am Donnerstag (19.10.23) brach Amir-Abdollahian, Irans Außenminister, zu einer Regionalreise in den Irak, den Libanon, nach Syrien und Katar auf, die bis Samstag dauern wird, um sich mit den verschiedenen Widerstandsgruppen abzustimmen. Er traf insbesondere mit dem Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah in Beirut und Hamas-Führer Ismail Haniyeh in Doha zusammen. Amir-Abdollahian erklärte gegenüber den Medien, wenn Israel seine barbarischen Luftangriffe auf den Gazastreifen nicht einstelle, sei eine Eskalation des Widerstands unvermeidlich und Israel könnte ein „großes Erdbeben“ erleiden, da die Hisbollah zum Eingreifen bereit sei.

Teheran hat Tel Aviv über die UN eine deutliche Botschaft übermittelt, dass es eingreifen werde, wenn die israelische Aggression gegen Gaza nicht aufhört. Einfach ausgedrückt: Teheran wird sich von der Stationierung von zwei US-Flugzeugträgern und mehreren US-Kriegsschiffen und Kampfjets vor der israelischen Küste nicht abschrecken lassen. Hätte Teheran eine Kinshal-Rakete wäre dies sicherlich die wirksamste Abschreckung gegenüber Israel.

Starke Diplomatie Pekings parallel zu US-Aktivitäten

Die USA würden nicht ausschließen, dass der Iran in den Konflikt eingreife, so der nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Jake Sullivan, am Sonntag 22.10.23. Während der Iran sich mit den Widerstandsgruppen an der militärischen Front abstimmte, schalteten China und Saudi-Arabien auf der diplomatischen Schiene einen Gang höher. Als US-Außenminister Antony Blinken nach Gesprächen in Tel Aviv am Donnerstag (19.10.23) in die arabischen Hauptstädte reiste, nahm Chinas Sondergesandter für den Nahen Osten, Zhai Jun, Kontakt mit dem stellvertretenden Minister für politische Angelegenheiten des saudischen Außenministeriums, Saud M. Al-Sati, auf. Am selben Tag fand im chinesischen Außenministerium ein außergewöhnliches Ereignis statt, als die arabischen Gesandten in Peking ein gemeinsames Treffen mit dem Sondergesandten Zhai anstrebten, um ihren gemeinsamen Standpunkt zu unterstreichen, dass nach Israels Angriff auf den Gazastreifen eine „sehr ernste“ humanitäre Krise entstanden ist und „die internationale Gemeinschaft die Verantwortung hat, sofortige Maßnahmen zu ergreifen, um die Spannungen abzubauen, die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen zu fördern und die legitimen nationalen Rechte des palästinensischen Volkes zu schützen“.

China in der Palästina-Frage auf der Seite des Friedens und des menschlichen Gewissens

Die arabischen Botschafter dankten China „für die Aufrechterhaltung einer gerechten Position in der palästinensischen Frage … und brachten die Hoffnung zum Ausdruck, dass China weiterhin eine positive und konstruktive Rolle spielen wird.“ Zhai äußerte sein volles Verständnis dafür, dass „die oberste Priorität darin besteht, Ruhe zu bewahren und Zurückhaltung zu üben, die Zivilbevölkerung zu schützen und die notwendigen Voraussetzungen für die Behebung der humanitären Krise zu schaffen.“

Nach dieser außerordentlichen Sitzung veröffentlichte das chinesische Außenministerium um Mitternacht auf seiner Website eine ausführliche Erklärung des Mitglieds des Politbüros des Zentralkomitees der KPCh und Außenministers Wang Yi mit dem Titel: China steht in der Palästina-Frage auf der Seite des Friedens und des menschlichen Gewissens. Berichten zufolge führte dies zu einem Anruf des saudischen Außenministers Prinz Faisal bin Farhan bei Wang Yi.

US-Fokus: Geiselproblematik – Saudi-Arabien: Lösung der humanitären Krise in Gaza

Interessanterweise hat auch Blinken am 14. Oktober von Riad aus bei Wang Yi angerufen,

Kurz gesagt, bei all diesen Gesprächen, an denen Saudi-Arabien beteiligt war – insbesondere bei Blinkens Treffen in Riad mit dem saudischen Außenminister und Kronprinzen Mohammed bin Salman – konzentrierten sich die USA auf die Geiselproblematik, während die saudische Seite die Aufmerksamkeit auf die humanitäre Krise im Gazastreifen lenkte.

Rücktritt von Benjamin Netanjahu zu erwarten.

Wie geht es jetzt weiter? Je länger der israelische Angriff auf den Gazastreifen andauert, desto stärker werden die internationale Verurteilung und die Forderung nach einem humanitären Korridor. Nicht nur Länder wie Indien, die ihre „Solidarität“ mit Israel zum Ausdruck gebracht haben, werden ihr Gesicht im globalen Süden verlieren, auch Washingtons europäische Verbündete werden unter Druck geraten.

Es bleibt abzuwarten, ob eine Invasion des Gazastreifens durch Israel überhaupt noch realistisch ist.

Die arabisch-iranisch-chinesische Achse wird die Notlage des Gazastreifens im UN-Sicherheitsrat zur Sprache bringen, wenn Israel sich nicht zurückzieht.

<Was die Machtdynamik in Westasien betrifft, so können diese Trends nur zum Vorteil Russlands und Chinas sein, insbesondere wenn die BRICS-Staaten irgendwann eine Führungsrolle übernehmen, um einen Friedensprozess im Nahen Osten zu steuern, der nicht länger das Monopol der USA ist.

Die Ära des Petrodollars geht zu Ende – und damit auch die globale Vorherrschaft der USA.> („Die USA stehen vor einer Niederlage im geopolitischen Krieg in Gaza“ von M.K. Bhadrakumar 16.10.23)

Im Nahen Osten zeichnet sich eine Niederlage des gesamten Westen ab, der eklatant versagt hat, Palästina anzuerkennen und Israel als illegalen Besatzer und Kriegsverbrecher zu verurteilen. Eine Dringlichkeitssitzung der UN-Vollversammlung begann am Montag 23.10.23, um Israel zu bremsen, nachdem eine Resolution Russlands dazu im Sicherheitsrat durch Veto der USA blockiert wurde. Die gesamte arabische und muslimische Welt stand vereint hinter dieser Resolution. Als Reaktion auf das US-Veto kam es zu einer außerordentlichen UN-Vollversammlung aufgerufen, wo es gegen Resolutionen kein Veto gibt.

Überall auf der Welt gibt es Proteste, um das Morden und Zerstören zu stoppen. In den USA gibt es eine Welle von Studentendemonstrationen gegen die Unwahrheiten der Regierung und gegen die Kriegsführung der USA/NATO. Als Gegenmaßnahme versuchen die Mainstream-Medien, alle Demonstrationen mit „Antisemitismus“ in Verbindung zu bringen, aber das funktioniert nicht. Der Auftrag der beiden US-Flottenverbände in der Region und der 30.000 US-Soldaten, die dort nach einigen Berichten stationiert sind, besteht darin, Krieg zu führen. Das ist Wahnsinn.

Israel riskiert eigene Existenz als Staat

Das Votum der UN-Vollversammlung mit einer klaren Mehrheit für einen Waffenstillstand am 27.10. ist eine klare Absage an die Position der globalen Minderheit, also der USA, Großbritanniens und weiterer NATO-Staaten. Trotzdem führte Israel die Bombardierung auf Gaza weiter. Die Tel-Aviv-Regierung ist zu bestrafen. Zu erwarten ist, dass zwei Drittel der UN-Mitglieder einer kräftigen Resolution gegen Israel und die USA zustimmen werden. Beide Aggressoren sind zu isolieren. Mit seiner unmenschlichen Aggression gegen Gaza feuert Tel Aviv die arabischen Widerstandskräfte nur weiter an. Wenn Israel nicht die Verbrechen gegen Menschen in Gaza sofort einstellt, wird es seine eigene Existenz als Staat riskieren. Die gesamte arabische, muslimische Welt ist dazu aufgerufen, Israel zum Einlenken zu zwingen. Von den USA und ihren Verbündeten, von den EU-Staaten, ist überhaupt nichts zu erwarten. Sie haben die Kraft der Vernunft aufgegeben.