Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit, Abrüstung, nationale Souveränität: Eindeutige Konformität mit dem Recht

Nahostpolitik

Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 27.10.2021

Lynchjustiz keine angemessene Antwort auf Terror

Jenseits einer allgemeinen Verurteilung des Terrorismus geht es darum, dieses Problem an seiner Wurzel zu packen. Lynchjustiz ist keine angemessene Antwort auf Terror. Sie trägt überhaupt nicht dazu bei, dieses Übel zu beenden. Im Gegenteil. Terror gegen Terror anzunehmen und auszuüben, bedeutet der Verfall in eine endlose Kette der Gewalt: Anstatt die mörderische Gewaltkette zu durchbrechen, lässt man sich wider Willen in eine unberechenbare Eskalation treiben. Justiz und Autorität haben mit brutaler Gewalt nichts zu tun, von kriegerischen Akten ganz zu schweigen, auch wenn die größte Macht der Welt, und zwar der US-Hegemon, dahinter steckt.

Kultur der Zivilisation

Das Problem muss mit einer Kultur der Zivilisation behandelt werden, wie es das kultivierte englische Milieu zeigt. „The Guardian“ gibt uns schon in den 90er Jahren eine zivilisierte Orientierung hinsichtlich der Gewalt-gegen-Gewalt Problematik: „such acts undermine the consensus for a global rule of law which the US asserts directly and through the UN“ (The Urge to vengeance – It’s not the right answer, The Guardian, 22.8.1998).– übersetzt: „solche Taten untergraben den Konsens für eine weltweite Gesetzesregel, den die US unmittelbar geltend machen und mittels der UN.“ („Das Verlangen nach Rache – Es ist nicht die richtige Antwort“ The Guardian, 22.8.1998)

Leider schlug Amerika am 7.10.2001 nicht das erste Mal den falschen Weg ein, als es verbrecherische Attentate innerhalb von New York ausnutzte, um mit abscheulichem Bombenterror ein ausländisches Land im Mittleren Osten anzugreifen. Die US-Skrupellosigkeit gegenüber Menschen ist abstoßend, wenn die US-Regierung Bomben und Raketen auf eine der ärmsten Regionen der Welt abwirft, nämlich auf Afghanistan. In einer Kultur des Rechts und der Zivilisation ist ein solches übermäßiges, kriminelles Attentat völlig ausgeschlossen und strafbar.

Selbstmörderische Logik der Drohung mit Atomwaffen

Geächtete Waffen einzusetzen ist das höchste Verbrechen gegen die Menschlichkeit und mit ihnen zu drohen, eine abscheuliche unheilvolle Logik der atomaren Abschreckung des Westens, eine absurde, fatale, unzulässige, aber allgemein im Westen akzeptierte selbstmörderische Logik, die über 50 Jahre lang über Europa als Damokles-Schwert hing, ja, immer noch hängt. Dieses irrationale Dogma paralysiert den Geist, um eine Erneuerung, einen Aufbruch der Mentalität im Westen zu schaffen.

Die atomare Gefahr, die von organisierten Industriestaaten ausgeht, ist wahrzunehmen.

Ein Handvoll Staaten kann nach eigenen Interessen eine Friedensgefahr konstruieren und nach ihrem Belieben die Welt in einen Krieg treiben. Aber zu beachten ist, dass das bedrohte oder angegriffene Land nicht in der Lage ist, und es nicht sein kann, eine allgemeine weltweite Friedensgefahr zu identifizieren, nur weil es selbst bedroht oder angegriffen wurde, aber nicht der Rest der Welt. Ein solches Land kann in seiner Urteilsfähigkeit als eingeschränkt betrachtet werden. Also ein bedrohtes oder angegriffenes Land kann keine allgemeine Weltgefahr erkennen oder deklarieren als Folge der auf sich gerichtete singuläre Drohung oder aufgrund eines singulären Attentats auf sich. Es muss deshalb ausgeschlossen sein, dass es aufgrund seines eigenen bedrohten oder angegriffenen Zustands eine allgemeine Gefahr für den Weltfrieden erklärt, beispielsweise der Fall der USA nach 9/11 und der Fall von Nordkorea, das sich von den USA bedroht sieht.

Ein weiterer Problemkreis bilden Militärdoktrine im Zusammenhang mit dem Einsatz von Atomwaffen. Im Gegensatz zur Position Pakistans oder Indiens beharren einige westliche Nuklear-Staaten, die auch Mitglieder des Sicherheitsrats sind, auf irrationale Doktrinen, die ihnen einen ersten Nuklearschlag erlauben; dieselben Staaten sind auch dabei, ihre nuklearen Arsenale zu modernisieren. Noch ein wichtiger Grund, den jetzigen Kurs der deutschen Außenpolitik zu ändern. Anstatt auf völkerrechtswidrigen Doktrinen weiter zu beharren und für Interventionskriege zu werben, sollte Berlin ein Wort zur Vernunft sagen im Rahmen der „Advisory Opinion“ des Internationalen UN-Gerichts von Den Haag. Nur eine eindeutige Konformität mit dem Recht schafft internationale Zuverlässigkeit, internationale Rechtstaatlichkeit. Nur so ist eine Außenpolitik berechenbar, nicht aber die der gegenwärtigen deutschen Regierung und der EU/USA.

Außenpolitik auf die Grundlage des internationalen Rechts bringen

Kategorien wie Bündnisfähigkeit, Solidarität mit den Amerikanern, Dankbarkeit, geschichtliche Verpflichtung dürfen nicht zu völkerrechtswidrigen Handlungen führen. Zusammen mit anderen im Unrecht zu handeln ist klipp und klar reine Komplizenschaft, eine kriminelle Partnerschaft, keine Solidarität. Deswegen ist die Frage entscheidend, worin Solidarität besteht und wozu. Deutschland, alle Staaten Europas sind aufgerufen, ihre Außenpolitik auf der Grundlage des internationalen Rechts zu bringen, d.h. sich an die internationale Rechtsstaatlichkeit zu halten. Dankbarkeit kann nicht so weit gehen, um sich gegen Recht und Gesetz zu stellen und rechts- und gesetzwidrig zu handeln. Die USA hätten seit langem die Kurskorrektur vornehmen müssen, um das internationale Recht zu befolgen. Internationale Solidarität verpflichtet dazu, eigene Fehler zu korrigieren und andere vor ihnen zu bewahren.

Wenn im Namen der „Bündnisfähigkeit“ verlangt wird, dass sich Deutschland in eine fatale Richtung der internationalen Politik bewegen soll, dann muss die Bundesregierung den Mut und das Selbstbewusstsein aufbringen, diese falsche Richtung zu erkennen und zu korrigieren. Dies erfordert eine konzeptionelle neue Außenpolitik, die seit 1989, seit dem Umbruch Europas, fehlt. Seine eigene Urteilsfähigkeit darf Deutschland weder verlieren noch aufgeben, niemals. Grundlagen und Orientierung dazu ist sein Grundgesetz. Eine Regierung, die sich in „uneingeschränkter Solidarität“ von einer anderen Regierung bestimmen lässt, verzichtet damit auf einen Teil der Souveränität ihres Landes, das sie zu vertreten hat und gibt die Selbstbestimmung auf. Diese Verirrung ereignete sich im Jahr 2001 unter einem SPD-Kanzler mit desaströsen Konsequenzen, nämlich die deutsche Beteiligung am völlig unrechtmäßigen wie grausamen und unehrenhaften Krieg gegen Afghanistan, der erst kürzlich nach zwanzig Jahren im Debakel endete.

Souveräne Länder wie die USA zeigten damals (2001) bewusst ihre Zurückhaltung, was die deutsche Beteiligung an einem US-amerikanischen Krieg anging: Der ehemalige Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski präzisierte ganz offen: „Im Übrigen habe ich keine Zweifel daran, dass sich unsere wichtigsten Freunde im Lauf der Zeit stärker beteiligen werden, aber dann könnte es zu praktischen Problemen kommen, Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit mit den amerikanischen Streitkräften etwa. Natürlich ist es einfacher, eigene Truppen zu kommandieren. Die wirklich wichtigen Aufgaben werden wohl von den USA allein gelöst werden müssen. Das ist realistisch“. (Der Spiegel, 12.11.01). Darüber hinaus, sich mit Fehlern zu solidarisieren; ist Symptom von Inkompetenz, fehlendem Urteilsvermögen, Abhängigkeit oder Gewissenlosigkeit. Es ist keine internationale Verantwortung, sich mit einer interventionistischen Militär-Außenpolitik des letzten Jahrhunderts zu identifizieren, statt sich davon zu distanzieren und überzeugend die notwendige Korrektur zusammen mit Alliierten und europäischen Staaten zu meistern. Gerade wenn Verbündete mit Bomben ein Land militärisch angreifen und die NATO diesem Terrorakt zustimmt, bewegt sich die Außenpolitik ihrer Mitgliedsstaaten in einem rechtsfreien Fall, indem sie gegen den atlantischen, rein defensiven Vertrag verstößt und ihn überschreitet.

Nicht aktivere Außenpolitik mit militärischem Abenteurertum verwechseln

Internationale Verantwortung verlangt, im Namen rechtsstaatlicher Prinzipien diese irreguläre Situation anzuklagen und auf Kurskorrektur zu gehen. Kein zivilisierter Mensch, kein zivilisiertes Land kann Terror alsZwangsmittel einer Außenpolitik oder Basis einer Sicherheitspolitik betrachten. Ist dies die Art oder das Vorbild von Normalität für Deutschland? Wird die zukünftige deutsche Regierung weiterhin politisch so gelähmt und behindert sein, dass sie Handlungsfähigkeit, aktivere Außenpolitik mit militärischem Abenteurertum verwechselt? Diese grundsätzliche Debatte muss in Deutschland und Europa noch geführt werden.

Atomwaffenfreies Europa statt Atomwaffen- NATO

Redaktionen bieten bisher keinen Anhaltspunkt für eine konstruktive nennenswerte Diskussion über „die Zukunft“ eines aggressiven Militärpaktes, der keine Zukunft hat und keine Zukunft haben darf, da er in Europa ohne Legitimität mit der grauenvollen Brandmarke blutiger und brutaler Aggressionen weiterbesteht. Wie die Bundeskanzlerin Angela Merkel neulich sagte, geht es um die Grundsatzfrage, was wir für ein Europa wollen.

Abrüstungspflicht der NATO

Die einstige Erklärung des damaligen deutschen Außenministers Guido Westerwelle, die nukleare Abrüstung in Europa zu fordern, ist aktueller denn je und fordert vor allem die FDP heraus, sie zu verwirklichen. Die sogenannte „neue NATO-Strategie“ ist immer noch die alte absurde nukleare Abschreckung. Die US-Atomwaffen bleiben in Europa, auch in Deutschland gegen den Willen der überwältigenden Mehrheit der deutschen Bevölkerung und gegen die Abrüstungspflicht der NATO selbst (Abschluss-Dokument vom NATO-Treffen in Lissabon am 20. November 2010). Kein Wort, keine Bedenken, keine Kritik von deutschen Diplomaten. Soll das so bleiben?

Abrüstungskonzept mindestens auf deutschem Boden respektieren lassen

Außenpolitiker verstehen kein Deut von Freiheit und Demokratie, wenn sie die Freiheit nicht wahrnehmen, um eine souveräne Entscheidung gelten lassen zu können, nämlich das Abrüstungskonzept mindestens auf deutschem Boden respektieren zu lassen. Stattdessen maßen sie sich an, über rechtsstaatliche Demokratie in Russland zu predigen, wenn sie nicht einmal im eigenen Land funktioniert.

Von welchen Werten kann eine Bevölkerung sprechen und mit welchen Werten kann sie sich selbstbewusst identifizieren, wenn sie täglich als geistige Nahrung die Bild-Zeitung liest oder kommerzielles Fernsehen sieht? Um dieses Problem der Unbildung im eigenen Land sollten sich Politiker und Regierungsvertreter kümmern, weil ihre Regierung die Verantwortung dafür trägt, und zwar für deutsche Probleme, nicht aber für die russische Demokratie, worüber selbstverständlich der amtliche russische Präsident Wladimir Putin viel mehr versteht als sie.

Sollte die zukünftige Regierung die Rechtsstaatlichkeit als Maß der deutschen Außenpolitik einsetzen wollen, müsste sie zuerst anerkennen, dass eine alte obsolete verabscheuungswürdige NATO-Haltung, die das Völkerrecht bricht, immer noch Außenpolitik Europas und Deutschland bleibt: Aggression, Drohung, sogar Androhung mit Atomwaffen. Reiner demaskierter Wahn der Barbarei ist die NATO-Strategie. Kein kommunistisches Land war in diese ungeheuerliche Politik verfallen. Weder die Sowjetunion noch China. Nur westliche Demokratien, die vorbildlich sein wollen! Wie wollen ein deutscher Außenminister oder deutsche Diplomaten diese hartnäckige Monstrosität in Einklang mit der universellen Erklärung der Menschenrechte bringen? Zu Recht ist die NATO der europäischen und deutschen Bevölkerung völlig fremd geworden. Der einfache Mensch spürt das verhängsnisvolle Übel. Die deutsche Bevölkerung lässt sich nicht so ohne weiteres von ihrem normalen Verstand abbringen.

Eine generelle ablehnende Reaktion gegenüber der NATO muss bei allen Staaten der Welt entstehen. Gemäß dem Imperativ der Vernunft ist sofort zu reagieren und die NATO-Atomwaffen-Organisation klar und entschieden zur Konversion oder zur sofortigen Auflösung aufzufordern. Besonders die nicht-atomaren Länder stehen unter der ungeheuerlichen atomaren Bedrohung, denn eine reale nukleare Erstschlagskapazität ist nur dann gegeben, wenn der angegriffene Staat zu keiner nuklearen Antwort befähigt ist.

Die Politik hat mit geständigen Verbrechern und Wahnsinnigen hier mitten in Europa zu tun. Es sind Menschen, es sind Politiker, die einen solchen Wahnsinn geschaffen haben. Gegen die elementarste menschliche Vernunft. Mit Fug und Recht kann man die europäischen Führungskader in Politik und Verwaltung der Unzurechnungsfähigkeit bezichtigen, wenn der alte Kontinent am atomaren Erstschlag festhält und seine atomare Abrüstung weiterhin verweigert.