Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 22.01.2022
Betr.: Pressekonferenz von US-Außenminister in Genf am 21.1.22,
deutliche Mahnung von US-Präsident Joe Biden an seinen Außenminister Blinken,
Chef des deutsch-russischen Forums, Matthias Platzek, im Sender Phoenix am 21.1.22
Biden: NATO wird Ukraine-Krise nicht zuspitzen
US-Präsident Joe Biden gab genau am Abend 20.1., als sein Außenminister Antony Blinken mit seiner deutschen Kollegin und Kanzler Scholz in Berlin konferierte, eine Entwarnung ab in dem Sinne, dass die NATO nicht eine Krise in der Ukraine zuspitzen werde.
Nationaler US-Sicherheitsberater Jakob Sullivan: Keine Anzeichen für russische Invasionsvorhaben in die Ukraine
Der US-Präsident Biden ist bestens informiert. Nicht nur sein Nationaler Sicherheitsberater Jakob Sullivan hat ihm in diesen Tagen klargestellt, dass es keine Anzeichen für russische Invasionsvorhaben in die Ukraine gibt, sondern auch der CIA-Report Langley 1988 stellt klar: „Russland hegt keine aggressiven Absichten“. Sullivans jüngster Erklärung zufolge haben die US-Nachrichtendienste „keine Einschätzung abgegeben, dass Russland „endgültig beschlossen habe, in der Ukraine militärisch vorzugehen“.
NATO-Osterweiterung mit zahlreichen Manövern an der russischen Grenze gegen mündliche Abmachungen – belegt von US-Universität
Der US-Präsident ist sich auch darüber im Klaren, dass die NATO-Osterweiterung mit zahlreichen Manövern an der russischen Grenze gegen mündliche Abmachungen verstößt. Zwei Dossiers einer Forschergruppe an der George-Washington-Universität, die 2017 und 2018 veröffentlicht wurden, dokumentieren diesen Verstoß klar und eindeutig: Nicht nur die berühmte Phrase „keinen Zoll ostwärts“ des damaligen Außenministers James Baker gegenüber dem sowjetischen Staatspräsidenten Michail Gorbatschow am 6. Februar 1990 ist dort nachzulesen – sondern auch, dass schon wenige Wochen danach der damalige US-Präsident George Bush Senior dem tschechoslowakischen Präsidenten Vaclav Havel bei dessen Antrittsbesuch in Washington persönlich die Vorstellung austrieb, man könne jetzt doch vielleicht mit dem Ende des Kalten Kriegs nicht nur den Warschauer Vertrag, sondern auch die NATO auflösen. Das Weiße Haus arbeitet gründlich und kennt alle diese Belege. Außenminister Lawrow versicherte auch in Genf, dass Russland nicht in die Ukraine einmarschieren wird und „die Gemüter sollten sich darüber beruhigen“. Trotz alledem und ungeachtet dieser eindeutigen russischen Erklärung zeigte sich der US-Außenminister borniert, indem er auf derselben alten Leier bestand und seinen üblen Unfug auf seiner Pressekonferenz wiederholte. Er erwähnte keinen einzigen Schritt zur Deeskalation, mit keiner Silbe zeigte er, dass er die Sorge Russlands über die US-geführte NATO-Aggressivität wahrnimmt, so auch Null Zeichen von ihm, dass er die militärischen Maßnahmen Moskaus als Reaktion auf die NATO-Aggressivität erkennt. Im Gegenteil, Blinken verdreht vollständig die Ereignisse, sprach, als ob diese US-Aggressivität nicht existierte und stellte die Fakten der NATO-Osterweiterung gen Russland auf den Kopf, völlig durcheinander. Nicht verwunderlich, dass die Gespräche weniger als zwei Stunden dauerten, nicht so lange wie erwartet.
US-Präsident Biden ohne Durchsetzungskraft gegenüber dem starken Militärindustriekomplex
US-Präsident Joe Biden konnte bisher sein Vorhaben nicht verwirklichen, die NATO-Aktivitäten Richtung Russland einstellen zu lassen. Er hat versagt, sich gegenüber dem starken Militärindustriekomplex durchzusetzen und bringt nicht die Durchsetzungskraft auf, seinen US-Außenminister Antony Blinken durch einen loyalen Minister auszutauschen. Blinken ist ein Hardliner, der sich als Echo der Kriegsmafia betätigt, mit falschen Spekulationen über eine Militärinvasion Russlands in die Ukraine, wie seine Pressekonferenz in Genf nach Gesprächen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow zeigte (21.1.22). Treffend sagte der US-Präsident, dass kein US-Militär in der Ukraine kämpfen wird. Er wünsche sich ein Treffen mit Präsident Wladimir Putin. Der russische Präsident sei bereit, sich mit seinem US-Kollegen zu treffen, erklärte Außenminister Lawrow.
Biden: Kriegsmeute innerhalb der NATO und innerhalb seiner eigenen Entourage zum Schweigen bringen und US-Außenminister an die Leine nehmen
Müde und erschöpft von dieser dauernden, elenden Kriegsbellerei aus dem Lager der Rüstungsindusrie und ihren Helfershelfern, dem gesamten mächtigen Militärindustriekomplex mit seinen europäischen Hofschranzen, wollte Joe Biden endlich die laute Kriegsmeute innerhalb der NATO und innerhalb seiner eigenen Entourage zum Schweigen bringen und seinen verirrten Außenminister an die Leine nehmen. Deshalb relativierte er öffentlich die NATO-Reaktion als „begrenzt“, würde Russland in die Ukraine militärisch eindringen. Er spielte auf die „Uneinstimmigkeit“ der NATO-Staaten darüber an. Das löste eine Schockwelle in Washington und in NATO-Kreisen aus. Natürlich sind die EU/NATO-Staaten diesbezüglich gespalten, weil nicht alle so verkommen sind, um einen Krieg in Europa gegen Russland zu riskieren. Daher das schlechte Theater von Antony Blinken im Kanzleramt Berlins, als ob alle Verbündete einstimmig hinter ihm wären. Ein großer Irrtum, auch wenn der deutsche Kanzler vor Blinken eine völlig verlogene Schau abzog wie auch die Außenministerin Annalena Baerbock, die unter dem Druck ihres US-Kollegen eine bodenlose Forderung an Russland wagte, völlig deplatziert. Sie hatte weder den Charakter noch die Ehrlichkeit, dem US-Außenminister offen zu sagen, dass sie seine Furcht vor einer Invasion Russlands in die Ukraine nicht teilt, weil sie das Gegenteil von ihrem russischen Kollegen Lawrow in Moskau persönlich versichert bekam. Sie hätte auch auf die eindeutige Erklärung des US-Nationalsicherheitsberaters Jakob Sullivan anspielen müssen, um Blinken sachlich zu widersprechen. Aber Annalena Baerbock war nicht gründlich genug vorbereitet und hat diese Bewährungsprobe gegenüber ihrem penetranten US-Kollegen nicht bestanden. Inzwischen und zwar nach Joe Bidens Erklärung in Washington, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj: „Die Ukraine fürchtet keinen Angriff aus Moskau.“
Unverschämter US-Außenminister Blinken in Genf (21.1.22)
Allerdings gelang es US-Präsident Joe Biden, seinen Außenminister auszubremsen, denn auf Blinkens Pressekonferenz in Genf am 21.1.22 erklärte er mehrfach, „Diplomatie und Dialog walten zu lassen“, obwohl völlig verlogen und unglaubwürdig, da er sich keineswegs bereit zeigte, zu erklären, was die USA tun wollen, um die Lage zu deeskalieren und diese erforderliche US-Aufgabe Russland zuschob. So seine ablenkende Antwort auf die Frage eines Journalisten: „Was würden Sie tun, um die Lage zu deeskalieren?“ Blinken: „Diese Frage sollten Sie an Präsident Putin richten.“ Noch unverschämter wurde der US-Außenminister danach: „Russland hat die Wahl, entweder Diplomatie oder Konfrontation.“ Schon vor Jahren manifestierte der Außenminister Russlands kein Pardon für die wiederholten Völkerrechtsbrüche der USA: Die NATO-Bombenangriffe auf Jugoslawien 1999, die US-Aggressionen und Invasionen im Irak und Libyen, die NATO-Osterweiterung gegen Russland. Die USA und ihre NATO sind aufgerufen, diese gefährliche Lage aus der Welt zu schaffen. Höhnisch klingt dann Antony Blinken, wenn er nach allen diesen gravierenden Völkerrechtsbrüchen der USA die Unverletzlichkeit der Grenzen, Souveränität und territoriale Integrität von Staaten anmahnt, als ob ausgerechnet er als Vertreter der andauernd Vökerrecht brechenden USA die Welt darüber belehren könnte. Außenminister Lawrow stellte vor seinem Kollegen die Sache richtig: Die Freiheit oder Souveränität eines Staates darf nicht auf Kosten der Sicherheit anderer Staaten ausgeübt werden. Mit anderen Worten, souveräne Länder dürfen sich nicht unvorsichtig, respektlos oder gar feindlich gegenüber ihren Nachbarn verhalten, denn gerade das schafft unzählige Konflikte. Die Europäische Sicherheitscharta von 1999 legt dieselbe Mahnung auch fest.
Israel mit seinen unbeanstandeten Atomwaffen wirklicher Gefahrenherd, aber Blinken lügt frech über den Iran
So dreist wie Blinken die Lage an der Grenze Russlands verdreht, wo die NATO Russland bedroht und nicht Russland irgendein Land, so verhält er sich auf seiner Pressekonferenz in Genf (21.1.22) auch gegenüber dem Iran. Weiter propagiert er frech die Lüge einer atomaren Gefahr aus dem Iran, obwohl der Iran für eine atomwaffenfreie Zone im ganzen Nahen Osten eintritt und Israel, der erklärte Feind des Iran, der wirkliche atomare Gefahrenherd ist, wo es seit langem Atomwaffen gibt, was einfach unbeanstandet bleibt. Grotesk wirkt, dass Blinken den US-Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran im Mai 2018 auf seiner Genfer Pressekonferenz unerwähnt ließ, sich aber bereit erklärte, weiter mit dem Iran zu sprechen, wissend, dass Teheran Verhandlungen mit den USA zu Recht ablehnt. Auch werde es keine Gespräche über das umstrittene iranische Raketenprogramm oder die Regionalpolitik Teherans etwa in Syrien oder Jemen geben. Das Atomabkommen ist Geschichte. Es existiert nicht mehr, seitdem die USA es im Mai 2018 kündigten. Einseitige Verpflichtungen gibt es nicht, also gibt es keinen Grund, um den Iran zu belästigen und die Öffentlickeit weiter zu betrügen. Russland wird sich selbstverständlich nicht dafür hergeben.
Törichte Aussage des Kanzlers zu Nord-Stream 2 Projekt
Kanzler Olaf Scholz war sehr töricht, als er das Nord-Stream 2 Projekt erwähnte, dessen Stop eine mögliche Sanktion gegen Russland sein könne, wie Scholz meinte. Er hat dafür nicht einmal seine Partei, die SPD, hinter sich, ganz zu schweigen von der deutschen Bevölkerung. Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern widersprach dem Kanzler sofort und stellte die vorgesehene Inbetriebnahme der Gasleitung Nordstream 2 klar. Sie lehnt auch Sanktionen gegen Russland ab ebenso wie andere SPD-Ministerpräsidenten, hohe Parteimitglieder und Mitglieder der Opposition im Bundestag.
Von Völkerrechtsprinzipien leiten lassen
Frieden ist das oberste Gebot in den internationalen Beziehungen. Deutsche Politiker müssen das noch lernen, anstatt wie Barbaren Unfrieden in der Welt zu stiften. Es sind die Völkerrechtsprinzipien, von denen sich alle Volksvertreter leiten lassen sollten, damit sie zuerst Respekt gegenüber anderen Ländern mit andersartigem System bezeugen können. Sonst bleibt in Deutschland alles beim Alten: ein Land als unberechenbarer Faktor in der internationalen Arena, den diplomatischen Beziehungen nicht gewachsen.
Der ehemalige Ministerpräsident von Brandenburg und Chef des Deutsch-Russischen Forums, Matthias Platzek, erklärte gerade: „Der Westen trägt Mitschuld an dem Ukraine-Konflikt“ und teilte einer möglichen NATO-Mitgliedschaft der Ukraine eine Absage. (Phoenix 21.1.22) Er kritisierte scharf den Umgang der USA/EU mit Russland. Die aktuelle Krisenlage um die Ukraine sei brandgefährlich. Er fragt sich, wo die internationale Gemeinschaft den Friedenspfad verlassen habe.
Die Kriegstreiber sind weniger als eine Handvoll NATO-Staaten, die immer mehr isoliert werden. Allerdings könnte diese unberechenbare Bande den Frieden in Europa gefährden. Nach der Erklärung seines Präsidenten stellte Antony Blinken auf seiner Pressekonferenz in Genf sachlich treffend, dass Art.5 des transatlantischen NATO-Vertrags, also der „Bündnisfall“, nicht entreten werde im Fall einer Invasion Russlands in die Ukraine, weil die Ukraine kein NATO-Mitglied sei. Damit wollte er militärische Spekulationen einiger NATO-Staaten eindeutig desavouieren.
Brandaktuelle Gedanken aus Putins Waldai-Rede vom Oktober 2017
Um generell Konflikte und Krisen zu verstehen und sie wirksam anzugehen, seien nachfolgend einige Gedanken von Wladimir Putin aus seiner Waldei Rede im Oktober 2017 wiedergegeben, denn sie sind brandaktuell:
<Die führenden Mächte haben unterschiedliche geopolitische Strategien und Sichtweisen auf die Welt. Die ist das unveränderliche Wesen der internationalen Beziehungen, die auf der Ausgewogenheit zwischen Kooperation und Wettbewerb basieren. Wenn dieses Gleichgewicht gestört wird, wenn die Einhaltung und sogar das Bestehen universeller Verhaltensregeln in Frage gestellt wird… wenn Interessen um jeden Preis durchgesetzt werden, dann werden Konflikte unberechenbar und gefährlich und führen zu gewaltsamen Konflikten. Unter solchen Umständen und einem solchen Rahmen kann kein einziges wirkliches internationales Problem gelöst werden, und die Beziehungen zwischen den Ländern verkommen einfach.
Alle Streitigkeiten müssen zivilisiert beigelegt werden. Russland hat einen solchen Ansatz immer bevorzugt. Wir sind der festen Überzeugung, dass selbst die komplexesten Knoten – sei es die Krise in Syrien oder Libyen, die koreanische Halbinsel oder etwa die Ukraine – nicht abgeschnitten, sondern gelöst werden müssen.
Warum waren sie so gedankenlos, angetrieben von flüchtigen politischen Erwägungen und ihrem Wunsch, ihren großen Bruder in Washington zu erfreuen – ich sage es ganz offen -, die Sezession des Kosovo… bedingungslos zu unterstützen und damit ähnliche Prozesse in anderen Regionen Europas und der Welt zu provozieren?
…als die Krim auch ihre Unabhängigkeit erklärte und dann – nach dem Referendum – ihre Entscheidung, Teil Russlands zu werden, aus irgendeinem Grund nicht begrüßt wurde.
…eine solche Doppelmoral – und das ist ein anschauliches Beispiel für Doppelmoral – stellt eine ernste Gefahr für die stabile Entwicklung Europas und anderer Kontinente sowie für die Weiterentwicklung der Integrationsprozesse weltweit dar.
Jeder Staat hat seine eigenen politischen, wirtschaftlichen und sonstigen Interessen. Die Frage ist, mit welchen Mitteln sie geschützt oder durchgesetzt werden. In der modernen Welt ist es unmöglich, einen strategischen Gewinn auf Kosten anderer zu erzielen. Eine solche Politik, die auf Selbstbewusstsein, Egoismus und Exzeptionalismus beruht, bringt weder Respekt noch wahre Größe. Es wird natürliche und gerechtfertigte Ablehnung und Widerstand hervorgerufen. Infolgedessen werden wir weiterhin Spannungen und Unstimmigkeiten erleben, anstatt zu versuchen, gemeinsam eine sichere und stabile internationale Ordnung aufzubauen…Die Grundprinzipien der UNO sollten auf Jahre und Jahrzehnte hinaus gewahrt bleiben, denn kein anderes Gebilde ist in der Lage, die ganze Bandbreite der internationalen Politik abzubilden. Heute entstehen neue Einfluss- und Wachstumsmodelle, es entstehen zivilisatorische Allianzen, politische und wirtschaftliche Verbände nehmen Gestalt an.
Diese Vielfalt eignet sich nicht zur Vereinheitlichung. Deshalb müssen wir uns um eine Harmonisierung der Zusammenarbeit bemühen.>
Ob die US-Regierung von Joe Biden und ihre EU-Satelliten diese vernünftigen, zutreffenden Gedanken einsehen werden, ist wünschenswert, aber höchst fraglich.