Sendung Presseclub am 16.1.22: „Eskalation oder Entspannung: Was plant Putin?“

Nahostpolitik

Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 16./17.01.2022

Westdeutscher Rundfunk

Redaktion Presseclub

Sehr geehrte Damen und Herren,

Das Thema von heute im WDR-Presseclub „Eskalation oder Entspannung: Was plant Putin?“ konnte nicht ausreichend sachlich debattiert werden, weil sowohl die WDR-Redktion als auch die eingeladenen Gäste die Vormachtstellung der USA über Deutschland und Europa während des Kalten Krieg als Normalität akzeptiert haben, ohne Widerstand zu befürworten und ohne eine Alternative vorzulegen – eine US-Vormachtstellung, die die NATO schon immer instrumentalisiert hat, um Deutschland und Europa unter Kontrolle zu halten, eine NATO, die nach 1990 in das Vakuum hineinging, das der aufgelöste Warschauer Pakt hinterließ. Damit rückte die US-geführte NATO näher an Russland heran und kreiste sie mit den Beitritten der baltischen Staaten, Anrainerstaatem am Schwarzen Meer immer stärker ein, ein nicht zu ignorierender geografischer Tatbestand. Nicht verwunderlich, dass früher oder später Moskau reagieren musste. Aber gerade die Reaktion des Kreml wird hier nicht verstanden, sondern sie wirkt auf Journalisten und Außenpolitiker schockierend, die gewöhnt sind, ohne wenn und aber jede US-Außenpolitik zu befolgen und sie gut zu heißen.

Erstaunlich und erbärmlich der Kommentar einer Teilnehmerin, die sich damit dekorieren wollte, am Petersburger Dialog teilgenommen zu haben, als sie sagte, sie habe von den russischen Repräsentanten dort nichts anderes gehört als die offizielle russische Position. Was erwartete sie eigentlich anderes? Hat sie wenigstens die russische Position verstanden? Das blieb in Ihrer Sendung leider im Dunkeln.

Ein weiterer Kritikpunkt: Der Presseclub von heute machte mehrfach auf die Kuba-Krise aufmerksam, ohne zu erklären, wieso sie 1962 entstand.

Eine der größten propagierten Lügen und Fälschungen hinsichtlich der geschichtlichen Ereignisse im Kalten Krieg findet sich in der Tat zur Kuba-Krise, als ob die Sowjets sie verursacht hätten mit ihren Schiffen voller Raketen mit Atomwaffen für Kuba. Dies war die Folge, nicht die Ursache der Krise. Mutig und selbstsicher konfrontierte sich der damalige Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) und Friedensnobelpreisträger, Mohamed El Baradei, mit dieser hinterhältigen betrügerischen Mafia-Politik des Westens und hob die wahren Tatsachen über die Kuba-Krise hervor.

Im Oktober 1962 gab es eine Konfrontation zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) und der Sowjetunion (UdSSR), die sich aufgrund der Stationierung von US-amerikanischer Mittelstreckenraketen auf einem NATO-Stützpunkt in der Türkei (Izmir) in Reichweite zur UdSSR und die daraufhin beschlossene Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen auf Kuba entwickelte. Während des Schiffstransports nach Kuba drohte die US-Regierung unter Präsident John F. Kennedy, sie werde nötigenfalls Atomwaffen einsetzen, um die Stationierung auf Kuba zu verhindern. Die eigentliche Krise dauerte 13 Tage. Ihr folgte eine Neuordnung der internationalen Beziehungen. Beide Supermächte kamen während dieser Krise einer direkten militärischen Konfrontation so nahe wie nie zuvor. Einer breiten Öffentlichkeit wurden dadurch erstmals die ungeheuren Gefahren eines möglichen Atomkrieges bewusst.

Auffällig ist nun, dass auch in Ihrer heutigen Sendung der Auslöser der Kuba-Krise 1962 vertuscht blieb: Die Ursache und springender Punkt der Kuba-Krise war die Stationierung von US-Raketen in der Türkei (Incirlik), was die Sowejtunion veranlasste, Raketen in Kuba zu stationieren.

Gerade das Aufstellen von US-Raketen in Incirlik, damals sogar mit Atomwaffen, führte 1962 zur Kuba-Krise, die lediglich durch die Vereinbarung gelöst wurde, solche Atomwaffen in Incirlik (Türkei) innerhalb von sechs Monaten abzuziehen. Das vereinbarten damals der Bruder des damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy, Robert Kennedy und der sowjetische Botschafter Anatoli Dobrynin in Washington, bevor die sowjetischen Atomwaffen in Kuba zurückgezogen wurden, Waffen, die Moskau dort in der Nähe der USA installiert hatte als Reaktion auf die US-amerikanischen in Incirlik. Jetzt zeigt sich, dass die USA aus der damaligen irrsinnigen, fatalen Erfahrung nichts gelernt haben und darauf bestehen, denselben Irrsinn rücksichtslos bei der Ukraine zu wiederholen. Daher die Ukraine-Krise.

Auch als Finnland und Schweden in Ihrer Sendung heute angesprochen wurden, geschah das nicht vollständig sachlich, denn die Position Russlands blieb unerwähnt.

Russland respektiere die Souveränität Finnlands und Schwedens uneingeschränkt, so der Aussenminister Russlands, Sergej lawrow, in seiner Presekonfernz am 14.1.22. Die Neutralitätspolitik dieser Länder sei einer der wichtigsten Beiträge zur gesamteuropäischen Architektur und zur Stabilität auf dem europäischen Kontinent, betonte Lawrow: „Diejenigen, die die Souveränität Finnlands und Schwedens nicht respektieren, sind diejenigen, die sie mit allen Mitteln und um jeden Preis zu einem NATO-Beitritt veranlassen wollen.“

Zudem sei ein NATO-Beitritt der Ukraine für Moskau inakzeptabel. Ähnlich bewertete Lawrow die Stationierung von Waffen des Bündnisses auf dem Gebiet des Nachbarlandes. Auch das Vorhaben der EU, eine militärische Ausbildungsmission in die Ukraine zu entsenden, kritisierte Lawrow: „Das heißt, sie wollen auch zur Ausbildung antirussischer Einheiten beitragen.“ Der Kreml wies den Vorwurf einer Planung einer Invasion der Ukraine wiederholt zurück und wies darauf hin, dass es die NATO sei, die ihre Aktivitäten an den Grenzen zu Russland intensiviere. Alles das bieb in Ihrer Presseclub-Sendung unerwähnt! Was hat denn der Sender WDR zu befürchten, hätte er die Position Russlands konkret angesprochen?

Es wäre ratsam, das nächste Mal einen journalistischen Russland-Experten aus der Zeit der untergegangenen DDR beim Presseclub dabei zu haben. Da würden sich sicherlich ungewohnte Ansichten vernehmen lassen und einiges wäre nicht so einfach zu verschleiern.

Freundliche Grüße

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait