Im existentiellen deutschen Interesse: Sich emanzipieren und aus der NATO austreten
Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 13.12.2020
Richtige Allianzen schmieden statt untauglich auf NATO fixiert bleiben
Fixiert in der NATO bleibt die deutsche Regierung untauglich, die richtigen Allianzen zu schmieden, die die wahren, echten Interessen Deutschlands vertreten und fördern. Die deutsche Regierung und das politische Spektrum bleiben eingebettet, ja eingeschlossen in der NATO, die unter der Befehlshoheit der USA steht. So diktieren die USA und NATO den Deutschen, weiter aufzurüsten. Dazu haben sie schon vor Jahren die entsprechende Zusage erpresst. Neue Atomwaffen und neue Trägersysteme dafür sollen in verschiedenen EU-Ländern stationiert werden. Die deutsche Regierung will sich mit Drohnen-Angriffswaffen ausstatten. Der Verteidigungsetat steigt weiter, für 2021 auf 46.8 Milliarden.
Gemäß der erpresserisch erzwungenen deutschen Zusage an die USA/NATO stehen 2 % vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) für Rüstung und Militär fest auf der politischen Agenda der übergroßen Mehrheit des Bundestages. Dies heißt schließlich zirka 80 Milliarden für Krieg und Profite der Rüstungsindustrie. Ausgaben für soziales, Bildung und Gesundheit bleiben damit hierzulande und in Europa vernachlässigt.
Rüstungsmafia gegen die Interessen der Menschen in der EU
Ein Teil der CDU-Mitglieder erkennt diese Aufrüstungsvorhaben als Irrsinn und weist sie zurück. Wie die Bevölkerung darüber denkt, sollte allerdings wichtiger sein, wenn man sich die Gewichte einmal vor Augen führt: Nicht einmal 500.000 Mitglieder bei CDU/CSU einerseits und ca. 80 Millionen Menschen andererseits, die nichts von Aufrüstung und zunehmenden Ausgaben für das Militär halten. Aber die Rüstungsmafia scheint sich ein weiteres Mal durchzusetzen gegen die Interessen der deutschen, ja der gesamten Bevölkerung der Europäischen Union.
Schon in den achziger Jahren erkannte Marion Gräfin Dönhoff diesen Rüstungsirrsinn und plädierte für eine Abkehr, so auch in ihrem Artikel: „Das Streben nach Überlegenheit gefährdet die Chance, aus der Geschichte zu lernen“, Die Zeit, 21.3.1986: <Niemand wird behaupten wollen, dies (die militärische Rüstung) könne immer so weitergehen, bis schließlich weltweit drei -, vier oder fünftausend Milliarden Dollar jährlich für Rüstung ausgegeben werden. Das wäre schon angesichts des Notstandes in der Dritten Welt einfach nicht zu verantworten; es wäre Geldvergeudung, Zeitverschwendung und es würde neue, nicht berechenbare Gefahren heraufbeschwören. Darum ist jetzt, nach Gorbatschows neuen Vorstößen, der Moment gekommen, Verhandlungen ernst zu nehmen und sie nicht wieder, wie zu Adenauers Zeiten, zu verhindern. …
Die Geheimakten des State Department und des Foreign Office veröffentlicht aus der ersten Hälfte der fünfziger Jahren lassen erkennen, wie wenig Konrad Adenauer an einer deutschen Wiedervereinigung und an Verhandlungen mit Moskau interessiert war. (Die Stalin-Note vom 10.März 1952 war ein Dokument von großer historischen Bedeutung): Mit dieser Note boten die Sowjets ihre Zustimmung zu einem wiedervereinigten Deutschland an, ohne politische oder wirtschaftliche Auflagen mit einer Nationalarmee zur Selbstverteidigung. Voraussetzung: Das Land darf nicht Mitglied irgendeiner Militärallianz sein. Dieser sensationelle Vorschlag, so meinten viele Deutsche, müsse unbedingt ausgelotet und die Eizelheiten ergründet werden. Aber in seiner ersten öffentlichen Stellungnahme am 16. März 1952 erklärte Konrad Adenauer (CDU) schlicht: „Die Note bringt wenig Neues“.> Unprofessioneller und törichter geht es kaum, und das bei einem deutschen Kanzler!
Marion von Dönhoff weiter: <Die SPD war ganz anderer Meinung als der Bundeskanzler. Mit allen Mitteln drang die Opposition auf Viererverhandlungen… Bei der Frage, was Priorität haben solle, die Integraionsverträge oder die Viererverhandlungen, traten Lemmer, Kaiser, Gradl, Blumenfeld und andere für Prüfung der Note ein.
Keineswegs einig waren sich die Alliierten in der Beurteilung der sowjetischen Note. Der Quai D’Orsay, der zunächst sehr ablehnend gewesen war, änderte seine Meinung sehr bald und erklärte, die Note sei vielmehr als ein taktischer Schritt: „Nämlich, ein ernstgemeinter, aber sehr gefährlicher Versuch, die Deutsche Frage zu lösen.“ Außenminister Eden: „Die Sowjets meinen es ernst mit diesem Vorschlag“. In den Vereinigten Staaten gab es verschiedene Stimmen. In einem Geheimbericht des State Department vom 14. Mai 1952 wurde untersucht, was geschehen würde, wenn ein echtes sowjetisches Angebot angenommen würde.Die Antwort lautete: „Man erwarte eine gemäßigte und demokratische gesamtdeutsche Regierung“, die, obwohl „einigermaßen pro-westlich orientiert, im Kern eine neutrale Außenpolitik treiben werde.“>
Gelegenheit für ein souveränes unabhängiges vereintes Deutschland zweimal verpasst
Deutsche Regierungen haben es zweimal verpasst, sich für ein souveränes unabhängiges vereintes Deutschland in Freiheit und Selbstbestimmung zu erklären, und zwar zuerst beim sowjetischen Vorschlag 1952 und dann bei der sogenannten deutschen Einheit 1990, als sie sich dem Druck der NATO beugten, anstatt sich von dieser Organisation zu lösen. Die Chance besteht aber heute weiter dringender denn je. Deutschland muss sich emanzipieren und aus der NATO austreten im ureigenen existentiellen Interesse, das nicht mit dem US-Interesse zusammenfällt. Erst recht nicht hat eine deutsche Regierung Rüstungsinteressen zu dienen.
Sich der Lage fehlender Friedensverträge stellen
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 gab es keinen Friedensvertrag. Daher die aktuelle Unordnung, in der sich gerechte Forderungen aus überfallenen Staaten erheben wie Griechenland und Polen. Der Bundespräsident Richard von Weizsäcker plädierte während seiner Amtszeit dafür, diese Lage zu verstehen. Nicht einmal haben die USA einen Friedensvertrag mit Japan abgeschlossen, auch nicht zwischen beiden Staaten Koreas gibt es einen Friedensvertrag oder mit dem US-Aggressor gegen Korea. Die deutsche Außenpolitik muss sich dieser Lage fehlender Friedensverträge stellen.
Ernsthafte Herausforderung für den zukünftigen US-Präsidenten: US-Außenpolitik ohne Militarismus
Natürlich muss auch die abenteuerliche militaristische Außenpolitik der USA endlich aufhören. Das ist eine ernsthafte Herausforderung für den zukünftigen US-Präsidenten Joe Biden. Auch wenn ein Regime unerwünscht für Washington wäre, ist es nicht zu rechtfertigen, eine fremde militärische Invasion, einen Überfall oder interne Terroranschläge gegen einen souveränen Staat zu organisieren.
Wer bringt kriminelle Regierungshandlungen vor Gericht?
Demokratie als Lebensform der Freiheitsidee ist nicht um jeden Preis, mit Zwang oder Gewalt durchzusetzen und schon gar nicht von einer fremden Macht, die die Vernichtung der zivilen Bevölkerung in Kauf nimmt. Belgrad, Bagdad, Libyen und Syrien haben eine der ungeheuerlichsten Plünderungen seit dem Einfall der Barbaren im alten Rom erlebt. Durch ihre Grausamkeit und ihren Hass sind die Amerikaner die Tartaren des 21. Jahrhundert geworden. Wer bringt ihre kriminellen Handlungen vor Gericht? Im UN-Sicherheitsrat kann der angeklagte Hegemon sich selbst durch sein eigenes Veto einer Verurteilung entziehen. Offensichtlich erfordern die UN-Normen eine dringliche Revision gemäß der allgemeinen Rechtsprinzipien.
Vom Präsidenten der Vereinigten Staaten wie von jedem anderen Staatsmann erwartet die zivilisierte Welt vielmehr mit Recht, politische Entscheidungen mit Besonnenheit zu treffen. Dies umso mehr, als die US-Verstöße gegen das Völkerrecht, gegen internationale Vereinbarungen und diplomatische Gepflogenheiten inzwischen ein Extrem erreicht haben.
Jeder Mensch, auch der schlimmste Sünder kann seine Aktionen bereuen und umkehren. In der menschlichen zivilisierten Ordnung ist es deshalb nicht zu missachten, was unsere christlich-abendländische Zivilisation auszeichnet, nämlich letzlich den Raum, den Platz, die Anerkennung, dass hier der Mensch alle seine Grundrechte besitzt, die in allen heutigen zivilisierten Ländern gelten, einschließlich für den gemeinen Verbrecher.
Nur aufgrund des Gesetzes kann man richten, aber nicht aufgrund eines beliebigen Gesetzes, denn Legalität lässt sich nicht grundsätzlich mit Recht und Gerechtigkeit gleichsetzen. Es ist diese Voraussetzung für die Bewertung der Justiz, ein Kennzeichnen unserer Zivilisation in einer demokratischen Rechtsordnung. Legalität ist nicht mit Gerechtigkeit gleichzusetzen. Sie zu verkennen hat zu tragischen Ereignissen in der Geschichte geführt, zu Rückfällen in die Barbarei und sinnloser Gewalt. Nur zuverläsige Institutionen und die allgemeinen anerkannten internationalen Grundsätze sind die beste Garantie einer zivilisierten Rechtsordnung.
Primäre Pflicht der neuen US-Administration: Barbarische Außenpolitik der USA korrigieren
Die neue US-Administration unter Präsident Joe Biden wird daran zu messen sein, ob es ihr gelingt, die barbarische Außenpolitik der USA zu korrigieren und zu geordneten internationalen Verhältnissen gemäß internationalem Recht zurückzukehren. Die Vorstellung von einer Mission, die zu erfüllen wäre, ist eine rückständige, abwegige Idee, die sich gegen die Herrschaft des Rechtes wendet. Die Herrschaft des Völkerrechts ist der einzige „beacon“, der einzige Leuchtturm, der in der Nacht europäisch-amerikanischer Rückständigkeit leuchtet. „Diese einzige Republik“, schrieb Thomas Jefferson 1809, „(…) dieser einzige Verwahrungsort des heiligen Feuers von Freiheit und Selbstbestimmung, soll fortan in anderen Regionen der Welt entzündet werden (…).“
Die Abkehr von internationalen Regeln und Prinzipien schwächt die Demokratie Amerikas und schadet dem demokratischen Rechtsstaat, vielmehr als jede Wahlirregularität, denn die Missachtung der Institutionen, die selbst die USA einmal gründeten, um Krieg und Gewalt zu verhindern, bedeutet Verrat an den eigenen Grundsätzen, denen sich die USA verpflichtet haben, was den US-Rechtsstaat in einen Unrechtsstaat verwandelt.