Betr.: Süddeutsche Zeitung vom 16.1.: „Giftpfeile aus dem Hintergrund“ und Kommentar „Israel – Attacke des Angriffsministers“ von Peter Münch
Beitrag von
Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait Juristin und Diplomatin a.D., 19./20.01.2014
Der Präsident Barack Obama und sein Außenminister John Kerry kennen die verbohrte Haltung der israelischen Regierung besser als jeder andere, nämlich ihre ungerechte Einstellung gegenüber den Palästinensern. An dieser sich verweigernden israelischen Attitüde hat sich jahrzehntelang nichts geändert. Die öffentliche Äußerung von Israels Verteidigungsminister Moschee Jaalon am 14.1. entspricht kategorisch und offen dieser verschlossenen Haltung, die Weigerung der israelischen Regierung zum Frieden, eine sture Weigerung, die längst in aller Welt bekannt ist. Wieso wundert sich Peter Münch? Er hat sich ständig mit dem Verlauf des israelisch-palästinensischen Konflikts befasst. Deshalb müsste er sachlich die Verweigerungskontinuität der israelischen Politik erkennen können, sich darauf einstellen und realistische Konsequenzen daraus ziehen. Allerdings bewirkt die jüngste israelische Schlappe ein gesundes Wachrütteln, um Medien und deutsche Politiker aus ihren Illusionen und ihrer Selbsttäuschung herauszuholen. Keine ministerielle Entschuldigung ändert die Realität, die der israelische Verteidigungsminister ohne Schnörkel, Maske, oder Schminke, in voller kruder Härte öffentlich bekanntgibt:
„In Wirklichkeit gibt es gar keine Verhandlungen zwischen uns und den Palästinensern, sondern die Amerikaner sprechen mit uns und parallel mit den Palästinensern. US-Außenminister John Kerry, der hier mit Entschlossenheit auftaucht und dann getrieben von unangebrachter Besessenheit und mit messianischem Eifer vorgeht, hat mir gar keine Lehren über den Konflikt mit den Palästinensern zu erteilen. … Die von Kerry und US-General John Allen präsentierten Pläne <sind das Papier nicht wert. Sie garantieren weder Sicherheit noch Frieden>.“ („Klartext aus Israel“ von Rüdiger Göbel, Junge Welt, 15.1.14)
Dieser Klartext auf höchstem Niveau in Tel Aviv ist keine Erfindung, sondern nackte hässliche Realität. In diesem Zusammenhang klingen die Äußerungen vom deutschen Außenminister Walter Steinmeier nicht nur deplatziert, sondern völlig realitätsfremd und lächerlich, als ob er sich auf dem Mond befände: „Die Chancen scheinen diesmal besser, als es in früheren Zeiten war. Wir sind guter Hoffnung, dass es diesmal gelingt, die Grundlagen für eine Zweistaatenlösung zu legen.“
Einbestellungen des Botschafter Israels und als Gegenschlag Einbestellung der europäischen Botschafter seitens Tel Aviv ändern gar nichts an der Situation. Der Rechtsbruch, der klare Verstoß gegen internationales Recht, den Israel jahrzehntelang begeht, hat keine Konsequenzen mit sich gebracht. Weder die USA noch Europa reagieren angemessen darauf. Angesichts dieser schuldigen westlichen Gleichgültigkeit, kann Israel ungestört seinen Geschäften mit den USA und EU nachgehen. Den Preis der Isolation hat es längst bezahlt, aber er ist für die israelische Regierung völlig egal, solange sie wirtschaftliche Sanktionen nicht zu befürchten hat.
Aufgrund der Siedlungspolitik, die die Palästinenser als Kolonisierung bezeichnen, gibt es heute praktisch kein zusammenhängendes Gebiet Palästinas mehr. Israel hat nicht davor zurückgeschreckt, mit einer illegalen Mauer die weitere Landnahme palästinensischen Bodens zu manifestieren.
Solange die Abnormität der israelischen Besatzung weiter besteht, ist kein Friedensprozess im Nahen Osten möglich. Die gleiche Situation, die gleichen Probleme verlangen heute eine entscheidende Lösung. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu – der seit dem 6.2.09 amtiert – ist nicht nur als militärischer Hardliner bekannt, sondern auch als politischer Gegner eines jeden Friedensprozesses im Nahen Osten. Sein Außenminister Avigdor Liebermann hat diese hässliche Wahrheit vor der ganzen Welt ausgesprochen. Deshalb ist das Misstrauen der Palästinenser völlig begründet, genauso wie ihre Ablehnung, unter diesen Umständen „Friedensverhandlungen“ mit Israel zu führen.
Das Scheitern der sogenannten „Friedensverhandlungen“ war von Anfang an vorauszusehen. Das Problem liegt jetzt bei der Weltstaatengemeinschaft, nämlich bei der UN-Vollversammlung, die dieses Problem 1947 schaffte. Selbstverständlich ist die Frage der Legitimität völlig gerechtfertigt gegenüber einem Staat, der sich an keine völkerrechtlichen Regeln hält, nicht einmal an die ursprünglichen, ein Staat, der sich ständig als illegaler Besatzer und expansionistischer Aggressor hervortut und dessen Regierung als Kriegsverbrecher von internationalen Instanzen wiederholt verurteilt worden ist.
Sieht heute Washington, sieht Europa und sieht heute die Weltöffentlichkeit nicht ein, dass die Teilung eine große Fehlentscheidung war? Die Geschichte bestätigt immer wieder diese ursprüngliche Fehlentscheidung durch die sture sich verweigernde Haltung einer israelischen Regierung, die immer weiter illegale Fakten gegen den Friedenswillen der ganzen Menschheit schafft.
Die größte Provokation stellte der israelische Außenminister Liebermann 2010 bloß, als er vor der damaligen Vollversammlung der Vereinten Nationen (UN) unverschämt erklärte, es wird kein Friedensabkommen mit den Palästinensern geben, nicht einmal in einem Jahrhundert. Das demaskierte schon damals öffentlich das falsche Spiel Israels, nämlich seinen Unwillen zum Frieden. Die UN-Vollversammlung muss sich mit dem Problem Palästina ernsthaft befassen, so wie sie es auf ausdrücklichem Wunsch der USA seit dem 30.3.1948 hätte tun müssen. Wenige Wochen nach der Teilung Palästinas durch die UN im November 1947 sah Washington ein, dass die Teilung angesichts der Ablehnung und wachsender Unruhe unter den in der Region lebenden Arabern, die die Mehrheit der ansässigen Bevölkerung darstellten, eine große Fehlentscheidung war. Die arabischen Staaten lehnten den Teilungsplan offiziell ab. Die USA zogen ihre Zustimmung zum Teilungsplan zurück (19.3.1948), als offensichtlich war, dass die Teilung einen Bürgerkrieg in Palästina hervorbringen würde, was dann auch eintraf. Sogar erlitten amerikanische und britische Delegationen in Jerusalem Terrorattentate seitens extremistischer zionistischer Banden. Washington beauftragte die UN-Vollversammlung, sich weiter mit dem Problem Palästina zu befassen. US-Präsident Harry Truman schlug vor, Palästina unter den Schutz der Vereinten Nationen (UN) zu stellen, sollte Großbritannien abziehen. Aber Israel kam den USA in die Quere und stellt sich seit seiner Gründung über den Willen der Staatengemeinschaft: Ende April, Anfang Mai 1948 drängen die UN auf eine Verschiebung der Unabhängigkeitserklärung der Juden in Palästina. Die zionistische Führung setzt sich durch und Israel wurde als unabhängiger und souveräner Staat am 14. Mai 1948 ausgerufen trotz der speziellen Démarche der UN, die Unabhängigkeitserklärung zu verschieben.
Aus dem Artikel „Angst vor Ausbreitung des Syrien-Krieges“ von Karin Leukefeld, Junge Welt vom 16.12. ist darüber weiter zu erfahren: <Die regionale Grenzziehung im Nahen Osten geht auf ein Geheimabkommen des britischen Diplomaten Mark Sykes und seines französischen Kollegen François Georges Picot zurück, die noch während des Ersten Weltkriegs 1916 die arabischen osmanischen Provinzen in eigene Interessenszonen umdefinierten. 1917 versprach der britische Außenminister Lord Balfour der Zionistischen Weltbewegung eine „jüdische Heimstätte in Palästina“. Verhandelt wurde die Aufteilung des Osmanischen Reiches auf der Pariser Friedenskonferenz 1919/1920.
Um zu erfahren, was die einheimische Bevölkerung der Region wollte, setzte der damalige US-Präsident Woodrow Wilson eine Kommission ein…Während ihrer dreimonatigen Reise, die sie von Adana bis Jerusalem, von Beirut bis Damaskus führte, war die überwiegende Meinung dieser 2.000 Delegationen, dass Syrien und Palästina nicht geteilt und kein jüdischer Staat errichtet werden sollte. Man wollte für den ungeteilten Staat Syrien-Palästina einen König einsetzen, der das Land zur Unabhängigkeit hätte führen sollen. Vorübergehend stimmte man einem ausländischen Mandat zu, um zu lernen, wie ein Staat politisch und wirtschaftlich entwickelt werden kann. Als Mandatsmacht wünschten sich die Delegationen die USA, die damals keine eigenen Interessen in der Region verfolgten. Auf keinen Fall wollte man ein französisches Mandat akzeptieren. Die Pariser Friedenskonferenz (1919/1920) beschloß in jedem Punkt genau das Gegenteil.>
Es ist höchste Zeit, dass sich die deutsche Politik gegenüber Israel nicht weiter an Illusionen klammert. Historische Schuld-Komplexe dürfen keine Politik bestimmen. Der deutsche Außenminister war ausgesprochen schlecht unterrichtet und gibt den Eindruck eines naiven Anfängers oder eines Außenpolitikers, der sich der Realität verweigert. Peter Münch scheint auch nicht begriffen zu haben, dass es keinen lebendigen Friedensprozess im Nahen Osten gibt.
Aus dem Artikel „Im Nahost nichts Neues“ von Werner Pirker, Junge Welt 4/5.1. kann Peter Münch eine realistische Lageeinschätzung entnehmen: „2013 gab es im israelisch-palästinensischen Verhältnis nicht die geringste Bewegung. Das liegt … allein an dem von Israel über die Palästinenser ausgeübten Machtdiktat.
… … Ein palästinensischer Staat in den Grenzen der 1967 von Israel besetzten Gebiete steht schon lange nicht mehr zur Debatte….
Doch selbst ein Verhandlungsprozess nach den Vorgaben der USA wird von Israels extrem rechter Regierung nicht wirklich gewünscht. … mit dem Bau immer neuer Siedlungen im Westjordanland schaffen Netanjahu und die Seinen vollendete Tatsachen und halten sich so offen die Option einer Annexion der besetzten Gebiete. Netanjahu war nie ein Anhänger der Zweistaatenlösung…. An einen palästinensischen Staat, der diesen Namen auch verdienen würde, ist ohnedies nicht gedacht.
… Die Befriedigung des Konflikts scheitert in erster Linie daran, dass Israel sich weigert, den Siedlungsbau in den besetzten Gebieten einzustellen. Da dies aber keine Konsequenzen nach sich zieht, ist die Fortsetzung einer endlosen Geschichte garantiert. … das zionistische Establishment fürchtet die Ein-Staat-Lösung mehr als alles andere. Eine Neukonstituierung Israels als Staat seiner Bürger – und nicht mehr des „jüdischen Volkes“ – wäre das Ende des zionistischen Projekts. Alle Anstrengungen der Zionisten sind deshalb darauf gerichtet, den exklusiv jüdischen Charakter Israels zu sichern. … Die Zweistaatenlösung beruht auf der Trennung der Ethnien und verbleibt so gesehen in der Logik der israelischen Apartheidspolitik…. Die Zionisten wollen die auf das biblische Land Israel, „Erez Israel“, bezogene Konzeption der jüdischen Landnahme weitgehend umsetzen, die das ganze historische Palästina einschließt…. Der zionistische Staat will die Festlegung seiner Grenzen offenbar bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag hinauszögern.“
Schon früher erkannte der große Analytiker und Journalist Werner Pirker die Kanten des Problems und schilderte sie in seinem hervorragenden Artikel „Im Zweifel für Israel“, eine aufklärende Überlegung auch für eine diesbezüglich verirrte Parteiführung der Linken: „Dabei stellte sich stets die Frage, welches Israel anerkannt werden sollte. Und in welchen Grenzen? Ein als Staat seiner Bürger oder ein als Staat des jüdischen Volkes definiertes Israel? Ein Israel in den Grenzen vor dem Krieg 1967 oder ein Israel, das seine genaue Grenzziehung noch bekanntgeben will? … Die israelische Demokratie ist eine Apartheiddemokratie, was bedeutet, dass die Demokratie der einen die Unterdrückung der anderen zur Voraussetzung hat. Die Begründer des zionistischen Projekts diskutierten sehr wohl die Frage, ob Israel ein jüdischer oder ein demokratischer Staat sein solle. Weil sie wussten, dass die jüdische Exklusivität durch den Gleichheitsgrundsatz gefährdet wäre, entschieden sie sich für den jüdischen Staat.“ („Im Zweifel für Israel“ von Werner Pirker, Junge Welt, 25.4.2008). Wegen seiner hohen brisanten Aktualität hat Junge Welt diesen Artikel von Werner Pirker am 17.1.14 noch einmal veröffentlicht.
In seinem Artikel „Im Nahost nichts Neues“ vom 4./5.1. macht uns Werner Pirker auf folgendes aufmerksam: „Die von Mahmud Abbas geführte Palästinensische Autonomiebehörde ist mehr denn je darum bemüht, sich gegenüber den imperialistischen Mächten durch Willfährigkeit auszuzeichnen. An der Parteinahme des Westens zugunsten Israels ändert das nicht das Geringste. Die israelische Regierung nutzt die Verhandlungen als Rauchvorhang, hinter dem sie ihre völkerrechtswidrige Politik fortsetzt… Auch Washington bezeichnet den Siedlungsbau in den besetzten Gebieten als illegal. (Ungeachtet davon) rangieren Israels angebliche <Sicherheitsinteressen> und sein Kampf gegen den selbstverursachten Terror auf der westlichen Werteskala weit vor dem Völkerrecht. … Das alles fördert die Einsicht, dass der Kampf um gleiche Rechte in einem gemeinsamen Staat dem Kampf um ein eigenes Territorium vorzuziehen sei.“ („Im Nahost nichts Neues“ von Werner Pirker, Junge Welt, 4./5.1.14)
Die Empörung aus dem Weißen Haus und aus dem State Department reicht nicht aus, um die Netanjahu Regierung in Richtung eines gerechten Friedens zu bewegen. Das weiß sowohl der US-Präsident als auch sein Außenminister John Kerry. Beide spielen seit langem das falsche Spiel Israels mit, das darauf abzielt, jede Chance für das Errichten eines Staates Palästina aus dem Weg zu räumen.
Washington, Brüssel, Berlin und die ganze Welt kennen Israels Aggressivität in Wort und Tat, ein Land, das sich permanent außerhalb des internationalen Rahmens bewegt, andere Staaten mit Krieg bedroht und im illegitimen Besitz von Atombomben und Territorium ist. Höchste Zeit für die Palästinenser, sich an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu wenden, ohne weitere Verzögerung.
Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait