Amoklauf und Größenwahn- UNO-Resolution: Israel will aus Unrecht Recht machen

Nahostpolitik

Von Arn Strohmeyer, 27.12.2016

Der Gründungsvater des Zionismus Theodor Herzl hat immer wieder darauf hingewiesen, dass der Judenstaat „ein ganz normaler Staat wie alle anderen“ sein sollte. Er sollte sich also voll in die Völker- und Staatengemeinschaft einfügen und seine Regeln anerkennen. Wie wenig sich Herzls Vision erfüllt hat, belegt die israelische Politik seit langem. Das aktuellste Beispiel ist der Sturmlauf der israelischen Regierung gegen die UNO-Resolution, die nicht mehr und nicht weniger einklagt, dass dieser Staat sich dem geltenden Völkerrecht fügen soll und den Siedlungsbau auf Land, das ihm nicht gehört (also auf gestohlenem Land) sofort und vollständig beenden soll. In Artikel 49 Absatz 6 der Vierten Genfer Konvention heißt es klar und unmissverständlich: „Die Besatzungsmacht darf nicht Teile ihrer eignen Zivilbevölkerung in das von ihr besetzte Gebiet deportieren und entsenden“.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu reagierte mit einem Amoklauf auf die Resolution. Sie sei „antiisraelisch“, was ja so viel wie „antisemitisch“ heißt; die Staaten, die der Resolution zugestimmt hatten, wurden scharf gerügt und ihre Botschafter mussten sich eine Standpauke anhören; und Israel stellt seine Beziehungen zur UNO in Frage und will gegen die Weltorganisation vorgehen.

Was Israel hier erneut demonstriert, ist, dass Völkerrecht und Menschenrechte (also geltendes internationales Recht) diesen Staat nicht im geringsten interessieren. Ja, es soll das Umgekehrte gelten: Völkerrecht und Menschenrechte müssen nicht nur nicht eingehalten werden, sondern haben sich gefälligst nach den Interessen Israels zu richten. Oder anders gesagt: Die Weltgemeinschaft hat die politischen Vorgaben des Kleinstaates Israel zu befolgen. Man kann das nicht anders als gefährlichen Größenwahn bezeichnen, der Israel nicht helfen, sondern noch mehr in die Isolierung treiben wird.

Neu ist dieses Vorgehen nicht, es entspricht den Grundregeln des Zionismus.

Einer ihrer führenden Ideologen, Berl Katznelson (1887 – 1944), hatte es im letzten Jahrhundert schon so formuliert: Die Juden hätten ein Recht auf Land und Boden wie alle anderen Völker auch. Der Zionismus müsse gegen den Strom agieren und gegen den Willen der Mehrheit bzw. gegen den Gang der Geschichte seine Ziele erreichen. Er unterliege deshalb „anderen Maßstäben als der formalen Moralität“. Die deutsch-israelische Historikerin Tamar Amar-Dahl kommentiert diese Sätze so: „Hier wird ein Bewusstsein geprägt, demzufolge die eigene Existenz vom  Handeln nach ‚eigenen Regeln‘ , nach eigenen moralischen Maßstäben, abhängig gemacht wird. Diese Existenz [der Zionisten] lasse sich letztlich nur durch die Verdrängung des anderen Kollektivs [der Palästinenser] herbeiführen, und zwar sowohl aus dem Land als auch aus dem Bewusstsein.“

Hätte es noch eines Beweises bedurft, dass Israel an Koexistenz und Frieden mit den Palästinensern nicht das geringste Interesse hat, Benjamin Netanjahus Sturmlauf gegen die UNO-Resolution hat ihn geliefert. Und noch ein Weiteres zeigt die israelische Reaktion: Wie wenig dieser Staat die westlichen Werte teilt, auf die es sich aber gerade immer wieder beruft.