Amtsmissbrauch des Bundespräsidenten, auch wenn Debatten von gestern heute nicht gefragt

Nahostpolitik

Von

Luz María De Stefano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 06.11.2014

Heribert Prantl erläutert die Skandalsache „Gauck“ („Deutsche Einheit – Der Gauck-Pegel“, SZ, 3.11.) und bringt damit einen wichtigen Beitrag in deutsche Medien ein. Nicht Sensationalismus, nicht „Schlagzeilen“ aus einem Unfug sollte der Maßstab sein, um eine Aussage zu beurteilen, vor allem nicht, wenn diese Aussage aus dem Mund eines Bundespräsidenten kommt. Dass von anderem politischen Führungspersonal „so wenig Bedeutendes zu hören ist“, ist keine Entschuldigung, kein Freibrief für dämliches Gerede, wie Nico Fried in seinem Kommentar „Gauck – Wenigstens einer, der etwas sagt“ irrtümlicherweise meint (SZ, 4.11.). Das macht den Unfug aus dem Bundespräsidialamt umso schäbiger. Schlagzeilen an sich sind ohne Wert. Es kommt auf den Inhalt an, darauf, was sie überbringen. Da kann man dem Bundespräsidenten Gauck bestimmt mit gutem Grund vorwerfen, mit seinem einzigen Instrument, der politischen Rede, nichts anzufangen zu wissen. Besser wäre, er hielte zukünftig den Mund, um sein Amt nicht weiter zu beschädigen. Diese erbärmliche Realität sollte Nico Fried im Lichte der Tatsachen und einer vorurteilsfreien richtigen Bewertung erkennen können.

Debatten von gestern sind heute nicht gefragt. Die Geschichte entwickelt sich und geht weiter mit neuen Akteuren und neuen Herausforderungen. Heribert Prantl trifft den Nagel auf den Kopf, wenn er schreibt: <Die gängigen Debatten über Unrechtsstaat und Rote Socken sind Debatten von gestern. Dazu gehört auch Bundespräsident Joachim Gauck, der in seinem Amt aus seiner Abneigung gegen die Partei Die Linke kein Hehl macht. Er hat sich nun in die Koalitionsbildung des Landes Thüringen eingemischt. …>

Damit hat Joachim Gauck sein Amt als Bundespräsident missbraucht, denn er hat keine Befugnisse, sich in die deutsche Politik einzumischen. Vor allem, seine falsche, scheinheilige Art und Weise ist schockierend und entlarvt eine Persönlichkeit voller Komplexe und alter Traumata. Solche Person hätte niemals das Amt des Bundespräsidenten bekleiden dürfen. Zu Recht wollte Angela Merkel 2012 Gauck nicht als Präsidenten. Nach der aufklärerischen Zeit des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker befindet sich dieses Amt im ständigen Verfall. Es war bedauerlich, aber bezeichnend, dass ein guter Vertrauter der Bundeskanzlerin, Angela Merkel, Christian Wulff, als Opfer einer medialen unwürdigen Kampagne regelrecht aus dem Amt als Bundespräsident gejagt wurde, getrieben von fremden unsagbaren Interessen.

Das Urteil des Verfassungsgerichtes, das die jahrelange Beobachtung des Abgeordneten Bodo Ramelow (DIE LINKE) durch den Verfassungsschutz verbot, ist zu lesen und zu achten, und zwar nicht nur von Gauck selbst, sondern von allen Personen der reaktionären Clique, die hinter ihm steht. Heribert Prantl weiter: < Die Demokratie, so sagte Karlsruhe, dürfe sich nicht „gegen sich selbst“ wenden, der Verfassungsschutz dürfe also nicht linke Abgeordnete als potentielle Antidemokraten denunzieren, nur weil sie Mitglied in einer Partei sind „in der unterschiedliche Kräfte und Strömungen miteinander um Einfluss ringen“. Der Bundespräsident als oberstes Verfassungsorgan sollte nun nicht das fortsetzen, was Karlsruhe dem Verfassungsschutz verboten hat. Das ist nicht Recht. Das ist nicht seine Rolle. Das steht ihm nicht zu. >

Die innere Einheit des Landes geht viel weiter. < Einheit ist das Miteinander auch von politisch sehr Verschiedenem. … Die Einheit ist noch nicht vollendet. Die Vollendung dauert. > So Prantl.

Die Falschheit von Gauck ist umso verwerflicher, weil er weiß, < dass viele, die im Herbst 1989 in der DDR auf die Straße gingen, zunächst einen besseren Sozialismus mit mehr Ehrlichkeit wollten, mit mehr direkten Einflussmöglichkeiten, mit mehr kontroversen, offenen Diskussionen, einen Sozialismus ohne Bevormundung. Lothar de Mazière, CDU-Ministerpräsident der DDR nach den Volkskammerwahlen am 18.März 1990, erklärte noch am 19.November 1989 in einem Interview mit „Bild am Sonntag“: „Wenn Sie glauben, dass die Forderung nach Demokratie zugleich die Forderung nach Abschaffung des Sozialismus beinhaltet, dann müssen Sie zur Kenntnis nehmen, dass wir unterschiedlicher Auffassungen sind.“ … 25 Jahre nach den Ereignissen im Sommer und Herbst 1989 läuft derzeit in den Medien eine reaktionäre Propaganda auf Hochtouren. … Dass aber viele Menschen in der DDR damals etwas anderes wollten und nicht wenige die sozialistische Alternative im Osten Deutschlands, die soziale Sicherheit und einen Staat, von dem nie Krieg ausging, in dem Antifaschismus Staatsräson war, erhalten wollten, verschweigen sie.> (leicht abgeändert aus dem Artikel: „DDR, November 1989 – Vertrauen wiederherstellen: Noch gingen am 4.November nicht wenige für die DDR und den Sozialismus auf die Straße…“ von nh, UZ, 31.10.14)

Der Schlussfolgerung von Heribert Prantl ist nur zuzustimmen: „Die Vollendung ist noch lange nicht vollendet. Sie dauert. Ein großes Stück mehr Einheit wird dann da sein, wenn eines Tages auf Länderebene nicht mehr nur die SPD, sondern auch die CDU mit der Partei Die Linke koaliert.“

Das politische Leben muss sich normalisieren, und zwar unter Einbeziehung und Mitwirkung aller fortschrittlichen Kräfte. Pluralismus ist die gesellschaftliche Basis einer funktionierenden Demokratie. Nur so kann sich die Republik weiter entwickeln. Vor allem, was die wahre Verantwortung in der internationalen Politik angeht, wäre sogar eine CDU-LINKE-Koalition erstrebenswert, um endlich eine konstruktive Außenpolitik gemäß dem Friedensgebot des Grundgesetzes aufzubauen und für das Wohl aller Menschen auf dieser Erde zu betreiben.