Crazy country – Verrücktes Land

Nahostpolitik

Adam Keller von Gush Shalom schreibt am 5.4.15

Liebe Freunde, vor kurzem war ich bei B’tselem als Datenkoordinator, der verantwortlich ist für den Umgang mit denen, die mit dem Risiko leben, mit Gewalt vertrieben zu werden. Es gibt Dutzende solcher Dorfgemeinschaften, die In der Zone C der Westbank leben: besonders im Jordantal, in den südlichen Bergen von Hebron und in Ost-Jerusalem. Es ist das Zuhause von Tausenden von Leuten von denen die meisten kleine Bauern oder Hirten sind und die seit Jahrzehnten dort leben. In den letzten Jahren erlebten sie immer öfter Versuche der Zivilverwaltung und des Militärs, sie unter verschiedenen Vorwänden von ihrem Land zu vertreiben.

Mit der Aussicht, mehr Verständnis für diese Gemeinden zu erhalten, schloss ich mich B’tselems Feldrechercheuren an und einem Besuch in dem Gebiet.

Ich erlebte, wie die Dorfbewohner mühsame Wege gehen müssen, um an Wasser zu gelangen; die verrückte Kluft zwischen den krassen Bedingungen, unter denen sie leben und den Bedingungen, unter denen die Siedler leben, die zuweilen nur wenige Meter voneinander getrennt leben. Man kann weder mit Worten noch mit Fotos diese Realität beschreiben. Es ist auch kaum das Gefühl der Unsicherheit zu vermitteln, das das tägliche Leben der Dorfgemeinschaften durchdringt, dass in jedem Augenblick ihr Heim, die Quelle, ihr Lebensunterhalt oder das Eigentum zerstört oder konfisziert werden kann und dass man keine Macht hat, dies zu verhindern. Allein in diesem Monat ereigneten sich zwei solcher Vorfälle: am 4.März. kamen Leute der militärischen und zivilen Verwaltung nach Khirbet Ein-Karzaliyah im nördlichen Jordantal – seit Januar zum fünften Mal -und zerstörten die Wohnstätte von fünf Familien. Zwei Wochen später, am 18. März, zerstörte die Zivilverwaltung die Heimstätten, die Ställe von Schafen von vier Familien in Khallet Makul einem Weiler von 9 Familien, die hier auch seit Jahrzehnten lebt. Die Zivilverwaltung zerstörte 2013 alle Strukturen der Gemeinde. Die Bewohner dieser Weiler sind berechtigt, ungestört dort zu leben wie alle andern Bewohner. Die wiederholten Versuche der israelischen Behörden, sie zu vertreiben, muss beendet werden.

Inzwischen hat uns der Kalender wieder zum Passahfest gebracht, das auch den Spitznamen „Fest der Freiheit“ hat, ein Feiertag, der nach jüdischer Tradition ein Erinnerungstag an die wunderbare Befreiung der hebräischen Sklaven aus ägyptischer Gefangenschaft vor Tausenden von Jahren ist. Egal ob er auf historischer Basis beruht oder nicht, der Exodus ist sicher einer der großen emanzipatorischen Texte der menschlichen Kultur und hat im Laufe der Geschichte als Quelle der Hoffnung und Inspiration für Menschen gedient, die von der Befreiung von der Knechtschaft träumten. Insbesondere war er eine Quelle der Hoffnung und der Inspiration für die schwarzen Amerikaner.

Und hier wird Pessach auch dieses Jahr von den Soldaten gefeiert, die täglich mit der Besatzungsarbeit und Unterdrückung beschäftigt sind. Und Pessach wird mit besonderer Hingabe von Tausenden von Siedlern gefeiert werden, besonders von den Siedlern in der bewaffneten Enklave mitten in Hebron. Bei den allgemeinen Wahlen vor zwei Wochen hatten diese tausend Siedler das Wahlrecht – das die zweihunderttausend Palästinenser in der Stadt rund um sie nicht hatten.

An Pessach in diesem Jahr werden vier junge Israelis im Gefängnis verbringen, die sich entschlossen haben, kein Teil des Besatzungssystems, der Unterdrückung und Kolonisierung zu sein: Edo Ramon, Yehiel Nachmany, Effie Darschner und Yaron Kaplan. Jeder der vier hat einen anderen Hintergrund und verschiedene spezielle Gründe für die Entscheidung, mit der Verweigerung anzufangen: Ramon weigert sich, sich beim Militär einschreiben zu lassen aus ehrlichem Bedenken über die Militärpolitik in den besetzten Gebieten; Darshner ist ein Anarchist; Nahmany ist ein Gandhischer Pazifist; Kaplan weigert sich, weiter Soldat zu sein.

Edo Rahmon: „Ich glaube nicht, dass Gewalt und Krieg zu etwas anderem als zu Krieg und Leiden führt. Um so mehr, wenn diese Armee, die behauptet eine Verteidigungsarmee (IDF)zu sein, aber ein Mittel der blutdurstigen Politiker ist ,und die sich selbst als „die moralischste Armee der Welt“ bezeichnet, die aber Millionen von Männern und Frauen unter Besatzung hält und die dabei ihre grundlegendsten Rechte verletzt. Ich will die Uniform solch einer Armee nicht tragen und nicht ihren Befehlen gehorchen. Solch ein Gehorsam würde bedeuten, sich der Ungerechtigkeit zu unterwerfen und so ein Mittäter zu werden. Das war es, was ich dem Rekrutierungsoffizier in Tel Hashomer sagte.“

Yechiel Nachmani schrieb: Nach tausenden von Jahren voller Gewalt und Misshandlung muss ein neuer Weg gefunden werden. Wir müssen uns selbst, und die Welt aus diesem Gewaltzyklus herausholen. Ich sah Videos über das Benehmen von Soldaten in Hebron und mein kleiner und simpler Verstand kann nicht begreifen, wie jemand daran denken kann, dass dies zu einer Lösung führt. Welche Chancen haben diese Kinder, Frieden zu machen oder zu lieben, nachdem, was sie bei Nacht durch die Soldaten erlitten haben. Mit den Worten von Gandhi: „Wenn wir Hass mit Hass begegnen, tun wir nichts anderes als Hass verbreiten.“ Ich bin nicht bereit, einem System zu dienen, in dem der höchste Wert ist, Gewalt auszuüben. Meine Aufgabe im Gefängnis ist, einen Weg zu finden, wie das Militär und die Gefängniswärter den Hass überwinden, einen Weg zu finden, um sie zu lieben. Sie sind menschliche Wesen und in ihnen bleibt immer etwas, das mich hoffen lässt, dass sie sich ändern können.“

Effie Darshner, ein Anarchist, der aktiv in der Achdut (Einigkeit)-Gruppe ist, war nicht in der Lage, eine detaillierte Nachricht über seine Gründe der Weigerung, in der Armee zu dienen, zu geben, da er sich auch weigerte, eine Militäruniform zu tragen, während er in einem Militärgefängnis sitzt. Das brachte ihn dahin, isoliert in einer Einzelzelle zu sitzen.

Yoran Kaplan hat schon 18 Monate in der Armee gedient und seine Erfahrungen während dieser Zeit brachten ihn dahin, sich zu entscheiden, seinen Dienst nicht fortzusetzen.

Am 6. April um 12 Uhr wird es vor den Toren des Tel Hashomer-Rekrutierungszentrum eine Mahnwache geben und zwar aus Solidarität mit den Gefangenen Wehrdienstverweigerern. Die Protest-Organisatoren zitieren das traditionelle Wort: „In jeder Generation sollte man sich selbst als einer, der aus der ägyptischen Gefangenschaft befreit wurde, ansehen.

(dt. Ellen Rohlfs, 10.04.2015)