Robert C. Koehler, 02.01.2025
Ich begrüße das neue Jahr mit einem Gefühl abstrakter Hilflosigkeit, denn die Schlagzeilen bringen uns weiterhin tote Kinder, bombardierte Krankenhäuser, Folter, Vergewaltigungen und natürlich immer mehr „Selbstverteidigung“ (manchmal auch als Völkermord bezeichnet).
Von meinem sicheren Büro aus nehme ich die täglichen Nachrichten – aus Gaza, aus der ganzen Welt – mit einem Peitschenhieb von Schuldgefühlen und Naivität auf. Woher soll ich denn wissen, wie es sich anfühlt, wenn mein Haus oder mein Zelt bombardiert wird, wenn ich meine Kinder sterben sehe, wenn ich keinen Zugang zu Wasser, geschweige denn zu medizinischer Versorgung habe? Reicht es aus, wenn ich mich in die Kollateralschäden dieser Welt im Krieg einfühlen kann?
Nein, nein, nein, das ist es nicht.
Aber ich fühle trotzdem mit und bin zutiefst erschüttert von einer Ungläubigkeit, die nie vergeht: „Als ob das unerbittliche Bombardement und die katastrophale humanitäre Lage in Gaza nicht schon genug wären, wurde der einzige Zufluchtsort, an dem sich die Palästinenser sicher fühlen sollten, tatsächlich zu einer Todesfalle.“
Diese Worte stammen von Volker Türk, dem UN-Hochkommissar für Menschenrechte, der in einem kürzlich veröffentlichten UN-Bericht über Israels anhaltende Verwüstung palästinensischer Krankenhäuser und die praktisch vollständige Zerstörung des Gesundheitssystems in den besetzten Gebieten zitiert wird, einschließlich der Verhaftung – der Entführung – von Hunderten von Ärzten und anderen medizinischen Fachkräften, die oft gefoltert und manchmal ermordet werden.
Der UN-Bericht wurde veröffentlicht, „nur wenige Tage nachdem die letzte funktionierende größere Gesundheitseinrichtung im nördlichen Gazastreifen, das Kama Adwan Krankenhaus, nach einer Razzia der israelischen Streitkräfte außer Betrieb genommen wurde, so dass die Bevölkerung des nördlichen Gazastreifens fast keinen Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung hat“, so UN News.
„Personal und Patienten wurden zur Flucht gezwungen oder in Gewahrsam genommen, wobei es viele Berichte über Folter und Misshandlungen gab. Der Direktor des Krankenhauses wurde verhaftet, sein Schicksal und sein Verbleib sind unbekannt.
„Während des Berichtszeitraums gab es mindestens 136 Angriffe auf mindestens 27 Krankenhäuser und 12 andere medizinische Einrichtungen, die erhebliche Opfer unter Ärzten, Krankenschwestern, Sanitätern und anderen Zivilisten forderten und die zivile Infrastruktur erheblich beschädigten, wenn nicht sogar vollständig zerstörten.
Es ist praktisch unmöglich, Nachrichten wie diese zu verarbeiten, ohne sie zunächst auf eine Abstraktion zu reduzieren. Das ist etwas, das irgendwo „da drüben“ passiert, mit Menschen, die ich nicht kenne. Und schon bald ist die Welt selbst – die Welt, in der wir alle leben – größtenteils eine Abstraktion … ein durch Grenzen getrenntes Gebilde. Ich kann über schreckliche Dinge lesen, die an weit entfernten Orten geschehen, aber mir fehlt das Gefühl einer tatsächlichen Verbindung zu diesen Orten.
In dem Bericht der UN News heißt es weiter: „Der Schutz von Krankenhäusern während eines Krieges ist von höchster Wichtigkeit und muss von allen Seiten zu jeder Zeit respektiert werden.“
Und an dieser Stelle ging mein innerer Alarm los. Ich habe keine Einwände gegen den Sinn des obigen Satzes, aber es fehlt etwas. Etwas Entscheidendes. Die Grundaussage ist die folgende: wenn man Krieg führt, muss man sich immer noch an bestimmte Regeln halten, z. B. keine Krankenhäuser ohne einen wirklich guten Grund bombardieren. Wenn man es doch tut, hat man etwas Schlimmes getan. Man hat ein Kriegsverbrechen begangen.
Es geht nicht nur darum, dass Kriegshandlungen in ein juristisches Mäntelchen gehüllt sind, sondern dass der Krieg selbst – in dem Kontext, aus dem der Begriff „Kriegsverbrechen“ stammt – nicht in Frage gestellt oder moralisch angefochten wird. Krieg existiert einfach. Er ist eine transkulturelle moralische Gewissheit. Er ist ein fester Bestandteil der Zivilisation selbst. Verschiedene soziale Einheiten auf dem Planeten sind zwangsläufig uneins und/oder ärgern sich von Zeit zu Zeit übereinander, und wenn sie das tun – welche Wahl haben sie dann? – ziehen sie in den Krieg. So sind die Dinge nun einmal. Es ist in Ordnung, zu töten – man muss sich nur an bestimmte Regeln halten. Und meistens gelten diese Regeln für den Verlierer, nicht für den Gewinner. Rückblickend ist das sicherlich richtig.
Und plötzlich beginnt das Gefühl der Abstraktion, das ich empfunden habe, zu zerbrechen. Das Konzept des Krieges macht das Leben selbst sofort zu einer Abstraktion. Es spielt keine Rolle, dass alle Religionen (siehe 1. Mose 1,27) die Kostbarkeit des menschlichen Lebens … des Lebens selbst anzuerkennen scheinen. Die meisten Religionen sind auch die ersten, die ihre Truppen – oder, heutzutage, ihre Panzer und Bomber – in die Schlacht schicken.
Vor einem Jahr schrieb ich: „Wir – und damit meine ich den größten Teil der Menschheit – spielen immer noch mit der so genannten ‚Theorie des gerechten Krieges‘, der intellektuellen Rechtfertigung für den Krieg, die auf den heiligen Augustinus und die ersten Jahrhunderte der Common Era zurückgeht.
„Wissen Sie, Gewalt ist moralisch neutral – und wenn die Sache auch gerecht und heilig ist, dann nur zu! Tötet die Ungläubigen. . . . Die Neutralität der Gewalt kann von jedem genutzt werden, der eine Machtposition innehat.“
Und, ach ja, bevor man das Feuer eröffnet, bevor man mit dem Töten beginnt, muss man einen geistigen Schritt direkt in den Prozess machen: man muss den Feind definieren und ihn dann entmenschlichen. Wenn das geschehen ist, lass es krachen! Das Einzige, was einen jetzt noch aufhält, sind die so genannten Kriegsregeln, die angeblich unschuldige Zivilisten schützen und die ganze Sache vernünftig machen sollen. Was für ein Witz. Gewalt macht giftig süchtig und lässt sich leicht ausweiten – überall und jederzeit.
Der Krieg ist, wie ich bereits festgestellt habe, das Krebsgeschwür der Menschheit. Seine scheinbare Unvermeidlichkeit ist im globalen Militärhaushalt verankert. Wir verfügen über ein paar Tausend einsatzbereite Atomwaffen („falls nötig“) und damit über die Macht, alles Leben auf dem Planeten Erde, also auch uns selbst, zu vernichten. Ist es nicht an der Zeit, dieses potenzielle Armageddon zu überdenken?
Wir sind in der Lage, Frieden zu schaffen! Die meisten von uns wollen ihn, zumindest für uns selbst, unsere Lieben, unsere Gemeinschaft und unser Land. Wir wissen nur nicht, was Frieden ist – und nein, er ist nicht irgendein Klischee von perfekter Harmonie. Aber er beginnt mit der einzigen Regel des Krieges, die notwendig ist: es darf nie wieder Krieg geben.
Quelle: http://www.antikrieg.com