Israel zu Frieden und Abrüstung zwingen

Nahostpolitik

Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 13.12.2017

Jerusalem geteilter denn je – Welten zwischen Jerusalem und Tel Aviv

Judith Bernstein berichtet: <Jerusalem ist heute geteilter denn je. In Ost-Jerusalem leben rund 75 Prozent der Palästinenser unter der Armutsgrenze. Von den 600.000 jüdischen Israelis in Jerusalem leben 200.000 in Osten der Stadt. Jerusalem ist heute zehn mal so groß wie damals unter jordanischer Herrschaft. Gleichzeitig wurden im Jahr 2016 nicht weniger als 200 palästinensische Häuser zerstört. Netanjahu hat den Siedlern versichert, dass keine einzige Siedlung geräumt wird. Die Regierung will am Status Quo in Ost-Jerusalem und in der Westbank festhalten. Für ihre Grundstücke in West-Jerusalem werden die Palästinenser nicht entschädigt. Rund ein Viertel der palästinensischen Bevölkerung lebt heute außerhalb der Trennungsmauern. Die Bewohner müssen Checkpoints überwinden.

Die Mehrheit der Israelis weiß nicht oder will es nicht wissen, was in ihrem Name geschieht. Die Trennungsmauern sorgen dafür, dass sie nicht sehen, was hinter ihnen passiert. Durch das Verbot werden Kontakte zur anderen Seite verhindert.

Zwischen Jerusalem und Tel Aviv sind Welten entfernt, obwohl die Entfernung nur 58km beträgt. In Tel Aviv überwiegt eine säkulare Gesellschaft. Der Konflikt scheint hier weit weg zu sein.

Starke palästinensische Gesellschaft

Der Forderung Netanjahus an Mahmud Abbas, Israel als jüdischen Staat anzuerkennen, kann dieser nicht nachkommen, weil das bedeuten würde, dass 20 Prozent der israelischen Bevölkerung nicht zu diesem Staat gehören. In den Friedensverhandlungen mit Ägypten 1979 und Jordanien 1995 wurde diese Forderung nach dem „jüdischen Staat“ nicht gestellt. Trotz der Okkupation mit ihren Spuren im täglichen Leben scheint die palästinensische Gesellschaft stark und den Israelis moralisch weit überlegen zu sein. Die Sympathien in vielen Teilen der westlichen Welt gehören ihr. Vielleicht ist es die Überzeugung, dass sie eines Tages auch die Israelis überleben werden. Ein trauriger Gedanke, der mittlerweile von vielen Israelis geteilt wird: „Uns wird es bald nicht mehr geben.“ Mit ihrer Unterstützung der israelischen Politik tragen Europäer und Amerikaner zu dieser Entwicklung bei.

Jerusalem und der Tempelberg

Jerusalem ist das Herzstück des Konflikts, und das Herzstück von Jerusalem ist der Tempelberg. Die Provokationen auf dem Tempelberg ist vor allem für junge Palästinenser ein Angriff auf die islamische und nationale Identität. Nachdem ihnen ihr Land genommen wurde, ist der „Haram al-Sharif“ das Noble Heiligtum, die letzte Bastion. Der jüdisch-moslemische Konflikt um den Tempelberg zeigt, dass er sich nicht mehr um einen territorialen, sondern um einen Religionskrieg zu handeln droht. Deshalb wird die Gewalt weitergehen, auch wenn die Welt mit anderen Problemen beschäftigt ist.

Die israelischen Politiker wussten schon immer um die Gefahr, die vom Tempelberg ausgeht. Moshe Dayan übergab deshalb nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 die Kontrolle über den „Haram al-Sharif“ mithin über die Al-Aqsa-Moschee und dem Felsendom an die islamische Stiftung.

Jüdische Radikale und Fundamentalisten lehnen … den westlichen Humanismus ab. Wenn sie Kirchen und Moscheen anzünden, berufen sie sich auf die Bibel. Die Moral wird durch „das Wort Gottes“ ersetzt. Man könnte also von einem jüdischen IS sprechen.

Zwei-Staaten-Lösung ist obsolet

Angesichts der vollendeten Tatsachen ist die Zwei-Staaten-Lösung mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt des palästinensischen Staates, die als einzige Option für die internationale Diplomatie bisher in Betracht gezogen wird, obsolet geworden. Israel hat sie im wahrsten Sinne des Wortes verbaut. Die Ein-Staat-Lösung, die von vielen auch in Europa favorisiert wird, ist angesichts des Hasses und des Misstrauens auf beiden Seiten nicht vorstellbar. Es gibt eben einen Apartheids-Staat. Andererseits gibt es Juden auch unter den Siedlern, für die das Land wichtiger ist als der Staat und die bereit wären, in einem Staat Palästina als Minderheit zu leben. Eine „Lösung“ müsste von außen angestoßen werden. Nur wenn die Besatzung beendet wird und die Palästinenser die gleichen Rechte erhalten, wird es zu einem friedlichen Ausgleich zwischen beiden Völkern kommen. …

Friedensgruppen auf beiden Seiten unterstützen

Israelis und Palästinenser sind aufgrund der gemeinsamen Geographie natürliche Verbündete. Deshalb ist es auch für uns in Europa wichtig, die Friedensgruppen auf beiden Seiten in ihren Bemühungen zu unterstützen, einen Ausgleich auf Augenhöhe zu fördern. Insofern war die Absage seitens der Evangelischen Akademie Tutzing im Mai 2017 friedenspolitisch eine Katastrophe. Denn zu den Friedensgruppen gehören die letzten Palästinenser und Israelis, die zur Zusammenarbeit noch bereit sind und die nach Alternativen zur jetzigen israelischen Politik suchen – wie konnte man sie ausladen?> („Jerusalem – das Herzstück des israelisch-palästinensischen Konflikts“ von Judith Bernstein, aus dem Vortrag vom 3.10.17 im Münchner Gasteig, Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe München, Zwischenüberschriften d. A.)

Humane Pflicht: Aus der völkerrechtswidrigen Wirklichkeit eine Politik der Nicht- Anerkennung gestalten

Die israelische Apartheidspolitik ist zu beenden. Die realen Verhältnisse in Israel und den besetzten Gebieten werden zu Recht mit dem Begriff „Apartheid“ gekennzeichnet: Die westlichen Mächte, angeführt von den USA, sind treue Verbündete eines israelischen Pseudostaates, der de facto die Politik eines Kolonialregimes betreibt. Es handelt sich um einen Siedler-Kolonialismus, wie er sowohl in Nordamerika als auch in Lateinamerika von europäischen Einwanderern gewaltsam betrieben wurde. Es ist deshalb nachvollziebar, dass der damalige anglikanische Erzbischof Desmond Tutu von Südafrika, der Präsident Südafrikas Nelson Mandela und andere Kämpfer gegen die südafrikanische Apartheid zu den schärfsten Kritikern der israelischen Politik in den besetzten Gebieten gehören. Sie kannten Elemente dieser Politik aus der eigenen historischen Erfahrung und wussten, wovon sie sprachen. Aus dieser völkerrechtswidrigen Wirklichkeit ist eine Politik der Nicht- Anerkennung als humane Pflicht zu gestalten, und zwar auf der Grundlage internationaler Normen, zahlreicher UN-Resolutionen und Beschlüsse des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag. Darauf basierend hat sich die EU zu positionieren, wenn sie sich auf Werte der Zivilisation berufen will.

Keine Kollaboration mit einem Terror-Staat und illegitimen Besatzer

Es ist eine Schande, dass die Europäische Union keine Position gegenüber Israel einnimmt, einem Pseudostaat, der Aggression und Terror gegen seine eigenen Bewohner und gegen seine Nachbarländer praktiziert. Mit einem Terror-Staat und illegitimen Besatzer darf die EU keine Verbindung, keine Kooperation bzw. Kollaboration pflegen. Das gilt auch für Saudi Arabien, der andere Terror-Staat im Nahen Osten. Beide Staaten, die Unrecht praktizieren, sind zu isolieren. Eine politische EU-Position zum Nahost-Konflikt gibt es nicht, also keine unabhängige Politik Europas im Nahen Osten, sondern immer nur die Gefolgschaft hinter den USA, die jetzt als Komplize Israels bei der Gewalteskalation vom türkischen Präsidenten Erdogan gekennzeichnet worden sind.

Präsenz Russlands und Chinas in Nahost die beste Garantie für den Frieden in der Region

Dank dem militärischen Eingriff Russlands in Syrien auf Bitte der syrischen Regierung konnte die Stabilität und territoriale Integrität des Landes wiedererlangt werden. Russlands Luftwaffe hat zusammen mit der syrischen Armee und anderen Alliierten gegen bewaffnete Milizen und Terroristen gekämpft, Kampfgruppen, die von NATO/EU Staaten bewaffnet und finanziert wurden. Ist die US-Allianz mit Terroristen „kompatibel mit Europas Interessen“? Paul-Anton Krüger hätte diesen brennenden Punkt der EU-Politik gegenüber Syrien in seinem Artikel „Nahost – Das Vakuum füllt sich“ (SZ 12.12.) erklären müssen. Die Präsenz Russlands und Chinas in Nahost ist die beste Garantie für den Frieden in der Region. Die USA als Verbündeter oder Komplize Israels sind unerwünscht und Europa zählt nicht. Nicht einmal an dem politischen Prozess zur Stabilität und Frieden in Syrien, der auf Initiative Russlands seit Juni 2012 unter der UN erfolgreich läuft, hat sich Europa beteiligt.

Die USA und EU an der Seite von Terroristen positioniert

Das sind keine Regierungen in EU-Staaten und den USA, sondern kriminelle Organisationen, eine Gruppe boshafter kurzsichtiger außenpolitischer Versager. Sowohl das amerikanische Volk als auch die europäische Bevölkerung wurden von der USA und EU durch ihre eigenen Staatschefs und untergeordneten Medien an die Seite von Terroristen gestellt. Auf der Grundlage des Völkerrechts hatten sich aber der Außenminister Russlands, Sergej Lawrow, und der damalige US-Außenminister John Kerry in Genf im September 2016 darauf verständigt, Kampfgruppen und Terroristen in Syrien gemeinsam militärisch zu bekämpfen. Aber der Militärindustrie-Komplex im Pentagon durchkreuzte ihre Vereinbarung, und unter seinem Druck desautorisierte Obama seinen eigenen Außenminister. John Kerry hätte deshalb damals zurücktreten und die terroristische Außenpolitik Obamas öffentlich denunzieren müssen. John Kerry könnte das immer noch tun. Als ehemaliger US-Außenminister mit Anstand könnte er vor die US-amerikanische Öffentlichkeit treten und die irrationale terroristische Außenpolitik Obamas bloßstellen und anprangern. Die Trump-Außenpolitik im Nahen Osten ist nichts anderes als eine Fortsetzung von dem, was vorher an irregeleiteter Politik war. Was für eine Politik verfolgt dagegen die EU zukünftig in dieser Region? Wohin soll die Kumpanei mit einem niederträchtigen Terror-Paten führen? Alle Redaktionen in Deutschland haben hier anzusetzen.