Nach 20 Jahren sinnloser Krieg gegen Afghanistan

Nahostpolitik

Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 21.04.2021

Divergenzen unter den wichtigsten NATO-Staaten über Militäreinsätze

Innerhalb der NATO gibt es Krisenstimmung aufgrund grundsätzlicher Divergenzen unter den wichtigsten NATO-Staaten, was Militäreinsätze betrifft. Anfang 2020 hat Frankreich einen Marineneinsatz in der Straße von Hormus auf eigene Faust gestartet mit dem Vorwand, die Handelsschifffahrt dort zu schützen. Deutschland lehnte es ab, sich daran zu beteiligen. Paris hat damit ein ernstes Problem verursacht, das an die verheerende Initiative Frankreichs erinnert, als es im März 2011 gegen den ausdrücklichen Willen der USA Libyen angriff und dazu die NATO auf eigene Faust benutzte.

Die militärische Operation Frankreichs in der Straße von Hormus veranlasst die scharfe Kritik des European Council on Foreign Relations (ECFR): <Wenn Militärinterventionen „nicht vom politischen Willen der Mitgliedstaaten getragen würden und die Union deshalb nicht in der Lage sei, auf die wachsenden äußeren Anforderungen zu antworten“, dann würden früher oder später „immer mehr Mitgliedstaaten den Wert der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Frage stellen“, hält der ECFR fest. Die EU müsse die Frage beantworten, was sie wirklich leisten wolle. Kampfoperationen, wie sie etwa Frankreich im tunesischen Sahel durchführt? Nichts sei „schädlicher für die Glaubwürdigkeit des europäischen Blocks“, urteilte der ECFR, als „eine Vertiefung der schon jetzt riesigen Kluft zwischen der ehrgeizigen Rhetorik und der Wirklichkeit“ der EU-Militärpolitik.> („Hintergrund – Krisenstimmung“ von jk, jW 9.4.21)

Die militärische Inkursion Frankreichs am Persischen Golf wirkt völlig konträr zum Friedensplan des Irans und der Anrainer-Staaten und ist deshalb total kontraproduktiv.

US-Schutzmission am Persischen Golf nicht zustande gekommen

Der Iran warnte die Golfstaaten vor einer US-Schutzmission am Persischen Golf. Besonders Israels Beteiligung würde zu „katastrophalen Folgen“ führen. (Handelsblatt 8.8.19) Bisher waren die Bemühungen des Iran erfolgreich: Eine US-Schutzmission vor seinen Küsten ist nicht zustande gekommen, worüber bezeichnenderweise so gut wie nichts in den führenden deutschen Medien zu erfahren ist.

Iran mit Friedensplan für den Persischen Golf und die Straße von Hormus

Der iranische Staatspräsident Hassan Rouhani kündigte am 22.9.2019 im Fernsehen seines Landes eine „Koalition der Hoffnung“, einen Friedensplan an, den er den Vereinten Nationen in New York vorlegen will. Dieser „Friedensplan für den Persischen Golf und die Straße von Hormus“ sieht seinen Worten nach ein Bündnis der Anrainerstaaten vor, das für den Schutz der Handelsschiffahrt in den betreffenden Gebieten sorgen soll.

Mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, die bis vor kurzem als Verbündeter Saudi-Arabiens bekannt waren, kam der Iran Ende Juli 2019 überein, die „maritime Sicherheitskooperation“ im Golf von Persien und im Golf von Oman auszubauen. Qassem Rezaei, ein Brigadegeneral der iranischen Grenzpolizei, betonte danach, dass der Golf von Persien und der Golf von Oman den Völkern in der Region gehörten und dass man „anderen Ländern“ mit eigenen Interessen nicht erlauben solle, die Sicherheit in der Region zu gefährden. (Meldung 23.9.19)

Russland, China und der Iran 2019 mit gemeinsamem Marinemanöver im Indischen Ozean und im Golf von Oman

Russland, China und der Iran führten im Dezember 2019 ein beispielloses gemeinsames Marinemanöver im Indischen Ozean und im Golf von Oman durch. Die Botschaft dieser Übung laute Frieden, Freundschaft und dauerhafte Sicherheit durch Zusammenarbeit und Einigkeit, sagte der iranische Admiral Gholamreza Tahani im staatlichen Fernsehen. Als Ergebnis wird gezeigt, dass der Iran nicht isoliert werden könne. Dem iranischen Fernsehen zufolge wurde vier Tage lang unter anderem geübt, wie Schiffe gerettet werden, die unter Beschuss stehen oder von Piraten angegriffen werden. Die Gewässer im Süden des Iran stehen seit längerem im Mittelpunkt internationaler Spannungen. Im Mai und Juni wurden in der Straße von Hormus mehrere Handelsschiffe attackiert. (Reuters 27.12.19).

Berlin und Paris militärpolitisch nicht einig

Was Frankreich am Persischen Golf vorhat, ist völlig unklar und lässt viele Fragen offen. Berlin und Paris ziehen militärpolitisch nicht an einem Strang. Letztendlich <gibt es nach wie vor auch Differenzen in der Frage, wie das Verhältnis zur NATO gestaltet werden soll. Während Berlin wohl noch eine ganze Weile auf das transatlantische Bündnis angewiesen sein wird, hat Paris es mit der „strategischen Autonomie“ der EU deutlich eiliger und übt an der NATO offene Kritik. In einem offenen Brief von Generälen und Offizieren der französischen Streitkräfte im Ruhestand an NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnen die Militärs, die engere politische Kooperation in der NATO, die manche forderten, laufe vor allem darauf hinaus, Europa in dauerhafte Gegnerschaft zu Russland zu bringen und es faktisch „unter amerikanische Vormundschaft“ zu stellen. Dem widersetzen sie sich, und zwar heftiger, als Deutschland es tut: Auch diesbezüglich zeichnen sich weitere Reibereien zwischen Berlin und Paris ab.> („Streit um Kriegspolitik“ von Jörg Kronauer, jW 9.4.21)

Krisenstimmung in der NATO verschärft sich

Die Krisenstimmung hat sich verschärft seit der letzten Sondersitzung der NATO am Mittwoch 14.4.21 in Brüssel als der US-Außen- und der US-Verteidigungsminister die Entscheidung des Präsidenten Joe Biden ankündigten, alle amerikanischen Truppen aus Afghanistan abzuziehen, ein Abzug, der schon vor dem 1. Mai beginnen und bis spätestens zum 11.September zu Ende sein soll, ohne dies an Gegenleistungen durch die Taliban zu knüpfen. <Die NATO-Partner wurden damit vor vollendete Tatsachen gestellt, obwohl der Abzug vorauszusehen war, seitdem der vorherige US-Präsident Trump im vergangenen Jahr mit den Taliban ein Abkommen über den Abzug aller US- und NATO-Truppen bis 1. Mai geschlossen hatte, und der neue Präsident Joe Biden hatte schon im Wahlkampf angekündigt, dass auch er – wie Donald Trump – den längsten Krieg Amerikas beenden wolle und der Abzug in diesem Jahr erfolgen würde. Dass Biden sich dagegen entschied, Bedingungen für den Abzug zu setzen, ergibt sich aus seiner Erkenntnis, dass dies dazu führen würde, den Einsatz immer weiter zu verlängern, wie es tatsächlich geschehen ist. Es gibt keine militärische Lösung am Hindukusch. Schon die Obama-Administration war angetreten, die Kriege im Irak und in Afghanistan zu beenden. Joe Bidens Auftritt markierte eine Zäsur, die zu erwarten war. Der Krieg hat Washington Schätzungen zufolge Billionen Dollar gekostet. Amerika ist seit langem kriegsmüde. Trumps Erfolg von 2016 gründete auch auf seinen Attacken gegen das außenpolitische Establishment, das sich nicht um die Nöte des amerikanischen Volkes schere. In die Defensive geraten sind außenpolitische Falken auf der rechten Seite des politischen Spektrums. Aus US-amerikanischer Sicht ist das Zeitalter der Antiterrorkriege vorbei. Für Joe Biden geht es offenbar darum, die Agenda weiter abzuarbeiten, die schon lange zuvor in Washington besprochen war, in seinem Nationalen Sicherheitsrat, im State Department, im Pentagon, aber auch in den Denkfabriken der Hauptstadt. Trump hatte 2016 Obama immer wieder vorgehalten, für das Entstehen der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) im Irak und in Syrien verantwortlich zu sein. „Es ist an der Zeit, den längsten Krieg Amerikas zu beenden. Es ist Zeit, dass die amerikanischen Soldaten nach Hause kommen.“ Man könne den Kreislauf der ständigen Verlängerung der militärischen Präsenz in Afghanistan nicht fortsetzen. Als Oberbefehlshaber sei der US-Präsident veranwortlich für den Einsatz, und er werde die Verantwortung nicht an seinen Nachfolger übertragen.> („Augen zu und raus“ FAZ 15.4.21)

Rückzug aller US-amerikanischer Truppen aus dem Irak anordnen

Am törichsten ist es, weitere US-Soldaten und Marine im Nahen Osten zu halten, wie im Irak, ein Land, das zweimal von den USA angegriffen wurde, 1991 und 2003. Großer Hass auf die Amerikaner ist dort verständlich. Mehr denn je nach dem Mord an einem irakischen und iranischen General und dem Raketen-Angriff auf den Flughafen von Bagdad Anfang Januar 2020. Sollte Joe Biden wirklich den Frieden wollen, muss er angemessen handeln und den Rückzug aller US-amerikanischen Truppen aus dem Irak anordnen, die dort nichts zu suchen haben. Jedes Land hat das Recht, sich selbst zu bestimmen. Mit der Phantasterei eines Weltherrschers ist es längst beendet. Sie bedeutet nicht nur Verwüstung, sondern auch Verlust von Ressourcen. Die USA müssen sich normalisieren, um allen Ländern und Völkern auf derselben Ebene auf dem Boden des Rechts und mit Anstand zu begegnen. Kooperation ist angesagt. Die über tausend US-Militärstützpunkte sind zu schließen. Sie sind für die USA nur ein völlig unrentabler Kostenfaktor, verursachen Spannungen und Konflikte, statt irgendjemanden Schutz zu gewähren oder den USA einen messbaren Vorteil. US-Amerikaner im Nahen Osten werden angegriffen, weil sie sich dort einmischen, wo sie sich niemals hätten einmischen dürfen.

Unaufgeklärter Terror-Anschlag vom 11.9.2001 in New York der abscheuliche Vorwand für lang geplante US-Kriegsoperation in Afghanistan

Die Bundesregierung sollte schon früher mit dem Abzug der deutschen Soldaten beginnen. Ihr militärisches Engagement erfolgte aufgrund einer falschen perfiden Solidaritätserklärung von Kanzler Gerhard Schröder nach dem unaufgeklärten Einsturz von drei Bürohochhäusern des New Yorker World Trade Center, am 11.9.01, der gar nichts mit Afghanistan zu tun hatte. Der sogenannte Terror-Anschlag vom 11.9.01 in New York war eher der abscheuliche Vorwand für eine lang geplante US-Kriegsoperation in Afghanistan, was sich schon darin zeigt, dass schon kaum einen Monat später US-Militärs in Afghanistan waren. Der damalige SPD-Kanzler Gerhard Schröder spielte bedenken- und verantwortungslos mit.

Rückzug aus Afghanistan mehr als überfällig, deutsche Linie: Gemeinsam rein – gemeinsam raus

Inzwischen – nach 20 Jahren – ist ein Rückzug mehr als überfällig: <Seit langem wird in Berlin im Verteidigungsministerium betont, dass die Bundeswehr nicht ohne die Amerikaner in Afghanistan bleiben werde. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) unterstrich in Brüssel am Mittwoch 14.4. dass es dabei bleiben solle. „Wir haben immer gesagt: wir gehen gemeinsam rein, wir gehen gemeinsam raus“. Man werde die deutschen Planungen „mit den Planungen der USA synchronisieren“, so formulierte es Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer.

Unter Bidens Vorgänger US-Präsident Trump hieß es, bis Ende April würden die US-Truppen aus Afghanistan abziehen, so sei es mit den Taliban vereinbart. Für die rund 10.000 Soldaten, die noch am Hindukusch sind, soll es nun schnell zurück in die Heimat gehen. Noch vor dem 1. Mai werde der Abzug beginnen, heißt es jetzt. Aber wenn Abkommen mit den Taliban nicht eingehalten werden, sind alle möglichen militärischen Widerstandsoperationen gegen die widerrechtlichen Besatzer des Landes möglich bis hin zu Entführungen und komplexen Angriffen auf mehrere Ziele gleichzeitig. Angesichts der Tatsache, dass die US-Truppen mit ihren Allierten niemals in das Land gerufen worden sind, ist es wahrscheinlich, dass afghanische Widerstandskämpfer nicht nur einfach zusehen, wie die fremden Soldaten verspätet abziehen. Sie könnten sie gewaltsam aus dem Land werfen, eine Reaktion auf US- und NATO-Willkür. Ein Taliban-Sprecher erklärt am Mittwoch 14.4. sinngemäß: <Wenn die Vereinbarung gebrochen wird und ausländische Kräfte es unterlassen, unser Land zum genannten Datum zu verlassen, werden die Probleme dadurch gewiss verstärkt, und diejenigen, die sich nicht an das Abkommen gehalten haben, werden dafür zur Verantwortung gezogen.>

Keine Konferenz mit Taliban vor Abzug aller fremden Truppen aus Afghanistan

Schon im Januar waren US-amerikanische Überlegungen öffentlich geworden, eine Übergangsregierung für Afghanistan unter Einschluss der Taliban zu bilden. Die Taliban hatten sich nie klar zum Plan einer gemeinsamen Übergangsregierung geäußert. Die Gruppe werde sich nicht an der von Washington initiierten Afghanistan-Konferenz in Istanbul Ende April beteiligt. „Bis nicht alle ausländischen Truppen vollständig aus unserer Heimat abgezogen sind, sind wir nicht bereit, an irgendeiner Konferenz teilzunehmen, bei der Entscheidungen über Afghanistan getroffen werden sollen. Dafür seien dann jene haftbar, die sie nicht eingehalten hätten. So der Taliban-Sprecher am Mittwoch 14.4.(„Augen zu und raus“, FAZ 15.4.21) Also alle NATO-Truppen sind angesprochen.

Zurückhaltung Moskaus gegenüber Washington

Bezüglich des von Biden am Dienstag 13.4. vorgeschlagenen Gipfeltreffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin reagierte Moskau zu Recht zurückhaltend. Erst nach einer „Analyse der realen Situation, der realen nächsten Schritte“ könne über ein solches Treffen entschieden werden, sagte der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Mittwoch 14.4..

(„Biden verschiebt Abzug“ von AFP/dpa/jW, jW 15.4.21)

Umsicht und Schutz der eigenen Truppe: Deutsche Soldaten jetzt nach Hause holen

Offensichtlich müssen sich die NATO-Staaten schon bald entschließen, ihre Truppen aus Afghanistan abzuziehen, damit dort Klarheit herrscht und die Taliban sich nicht weiter provoziert ansehen können. Umsicht und Schutz der eigenen Truppe verlangt, dass die Bundesregierung schon jetzt damit beginnt, die deutschen Soldaten nach Hause zu holen.

Sich als US-Präsident gegenüber der Kriegsfraktion durchsetzen

Ein weiterer Schauplatz US-amerikanischer Kriegsaktivitäten ruft nach Frieden: Syrien. Die USA sollten sich endlich mit Russland verständigen, um den langen terroristischen US/NATO-Krieg in Syrien zu beenden. Die internationale Ordnung gemäß dem geltenden Völkerrecht ist überall wieder herzustellen. Donald Trump manifestierte ständig seinen Willen zum Frieden und zum Beenden der US-Intervenionskriege, konnte sich aber offensichtlich nicht gegen die Kriegsfraktion durchsetzen. Es ist diese stark zionistisch beeinflusste Kriegsfraktion, die ihn immer wieder torpedierte und manipulierte, um die USA feindselig konfrontativ und aggressiv gegen den Iran zu steuern. US-Präsident Joe Biden benötigt zuverlässige Leute, um den fatalen aggressiven Kriegskurs zu ändern. Anthony Blinken scheint dafür nicht der richtige Mann zu sein, der als US-Außenminister eher eine Wühlarbeit im Interesse zionistischer Kreise und der Kriegsfraktion betreibt und sich respektlos gegenüber den Normen der Vereinten Nationen, gegenüber dem Völkerrecht, äußert.