Nachgedanken zur Veranstaltung in Osnabrück am 29./ 30. April 2015

Nahostpolitik

Als Abdallah Frangi und Avi Primor Ehrenmitglieder der Erich-Maria-Remarque-Gesellschaft wurden. (ich war auch eingeladen, weil ich vor Jahre auch Ehrenmitglied geworden war)

Am 29. hielten beide noch einen Vortrag in der Universität Oldenburg über die augenblickliche (sehr komplizierte) Lage und wie man aus dieser herauskommen könnte. Der große Saal war sehr voll. Also großes Interesse.

Die Feier fand am 30. April im Friedenssaal des Osnabrücker Rathauses vor geladenen Gästen statt. (dies nur zum äußeren Rahmen.)

Nach den beiden Vorträgen durften noch Fragen gestellt werden.

Mich bewegte die ganze Zeit eine Frage: „Wie kann in diesem Land Frieden werden, wenn auf israelischer Seite die psychologische Seite ausgeklammert wird.

  1. Israelische Kinder ab ca. 4 Jahren werden auf ihren späteren „Beruf“ als Soldat vorbereitet: also schon im Kindergarten findet Gehirnwäsche statt: Araber sind Feinde, die das kleine (doch hochgerüstete, und mit ca 200 Atombomben versehene) Israel bedrohen, also müssen wir uns verteidigen. Kinder werden schon sehr früh (ab 10/ 12Jahren) an Panzer, Rüstung, Waffen herangeführt. (ich kann jetzt keine genaue Quelle angeben, aber ich habe die Bilder(vom vor Libanonkrieg) noch im Kopf. (als 10- 12 jährige hab ich solch eine Gehirnwäsche durch die Nazis durch gemacht. Dank meines Elternhauses konnte ich 1942 mich dieser Gehirnwäsche und bes. Umstände der sog Hitlerjugend entziehen
  2. Nurit Peled-Elhanan (Universität Tel Aviv; book-review , 11.8.12 Asa Winstanley)) hat 17 isr. Schulbücher genau untersucht und festgestellt, dass die Palästinenser marginalisiertund kriminalisiert werden und während der ganzen Schulzeit, Kinder/Jugendliche u.a aber vor allem. auf ihre spätere Militärpflicht vorbereitet werden. So dass, wenn sie mit 18 zum Militär müssen, um das – „ringsum in so großer Gefahr befindliche“ – „kleine Israel“ vor all den Feinden=Terroristen (die ja keine Menschen sind) zu verteidigen. Nur wenige wissen, dass es um Landgewinn geht, damit ganz Samaria, Galiläa, ganz Jerusalem, Israel vom Meer zum Fluss(Jordan) dem verheißenen „Jüdischen , von Gott verheißenen Land“ gewinnt. Also Zone A B und C)

(Nur eine kleine Zahl weigert sich, dem Militärdienst nach zu kommen Der Hass wird regelrecht gepflegt – muss dann aber ins Militär-Gefängnis)

c.) das Trauma, das die Holocaustüberlebenden sehr verständlicherweise – mit sich tragen und ihre Kinder und Enkelkinder wahrscheinlich auch noch — dass dieses Trauma auch den irakischen, jemenitischen marokkanischen Juden und ihren Nachkommen aufgehalst wird – durch Schule und Besuche in Auschwitz: „Wir Israelis sind immer die Opfer“. (Das ist meiner Meinung nach sehr unvernünftig, ja eigentlich kriminell – so kann gewiss kein Frieden entstehen).

(Kleine Gruppen wie Rabbiner für Menschenrechte, Ärzte für Menschenrechte, Taayush, Gush Shalom (Uri Avnery)  Combattants for Peace, ICAD, Machshomwatch, Frauen in Schwarz, Parent’s Cercle, B’tselem, Yesh Gvul, New Profile, AIC und einzelne mutige Personen wie Felicia Langer, Tikva Parnass, setzen sich für Palästinenser ein — aber ohne Unterstützung der Regierung – im Gegenteil); Jüdische Stimme für Frieden, Tikkum Olam …

d.) dazu kommen noch die biblischen Mythen, 4.Mos.21,3: Jos. 6,21, 8,26, 11,11-21; 2. Sam12,31; Jes. 34, 2-5 …..Im Film „Im Bunker Gottes“, 1994 wird die grausame Wirkungsgeschichte dieser Mythen bis in unsere Zeit deutlich.

  1. e) Wenn man dann noch Arnon Sofer u.a. hört: „We have to kill, to kill and kill every day … Sophia Deeg: “Stimmen israelischer Dissidenten” ISP 2005

und Rabbi Manis Friedman (The Forword):” Destroy their holy sites, kill men, women, children and cattle” und so gibt es noch hunderte, ähnliche Zitate ( s. Mein Buch: “Nie wieder!”?) Shaul Mofaz Oberrabbiner von Safed, Yisrael Rosen

  1. f) erst in letzter Zeit hörte ich, dass sich ca. 45 frühere Soldaten nach dem Krieg im Sommer 2014 das Leben nahmen, sehr viele schon seit Jahren sich in eine psychiatrische Behandlung ( bei Nahariya) begeben und sehr viele nach der Militärzeit nach Ostasien flüchten, um Abstand zu nehmen.

Ofer Grosbard hat mit seinem Buch:“ Israel auf der Couch“ 2001, auch wenn er dem Schicksal Israels hier andere Deutungen gibt — so bedarf es vieler, vieler Jahre, wenn nicht Jahrhunderte, bis sich der gesunde Menschenverstand wieder äußert. Israel ist dabei, sich mit seinem Hass und seinen Lügen über seine Feinde oder angeblichen Feinde (Iran) selbst zu zerstören ….was eine Reihe Israelis/ Juden selbst sagen z.B. , schon Erich Fried, M. Warschawski, Prof. Daniel Bar-Tal, Shlomo Sand, Jeff Halper, Hajo Meyer und viele andere, die auch vom „schleichenden Völkermord“ reden, damit aber die Palästinenser meinen).

Wenn ein einigermaßen normaler Mensch – aus irgend einem triftigen Grund ( z. B. Unfall) ein Trauma hat, versucht man ihm zu helfen, mit diesem Trauma fertig zu werden, , weil das Trauma sich in unangenehmer, ja vielleicht in gefährlicher Weise später andern gegenüber auswirken könnte. (In Bethlehem habe ich als Beobachter solch einer Sitzung beiwohnen dürfen)

Frieden zwischen Menschen und Völkern kann aber nur entstehen, wenn diese Gehirnwäsche aufhört, die Traumatas bearbeitet werden oder gar nicht erst von einer Generation auf die andere mit staatlicher Hilfe weitergereicht wird.

Nun zur palästinensischen Seite:

Die Kinder/ Jugendlichen/ Erwachsenen müssen nicht „künstlich“ traumatisiert werden, sie benötigen keine solchen Schulbücher ( auch wenn das von isr. Seite behauptet wird.: sie erleben täglich: Unterdrückung ,Checkpoints, keine Ausreise, nächtlich Überfälle, Gefängnis schon im Kindesalter und gefesselt, gefoltert … und natürlich die Angriffe, die den Tod ganzer Familien verursachen, das Töten von Kindern, Verletzen von Kindern wonach sie lebenslang behindert sind, oder kaum ärztliche Behandlung da keine Medikamente vorhanden, die Hauszerstörung (angeblich ohne Genehmigung gebaut) ,fast täglicher Landraub, kaum Wasser und dieses schwer kontaminiert ( was ich selbst in Gaza 1995 erlebt habe, zerstörte, vergiftete ( durch tote in den Brunnen geworfene Tiere), kaum Strom, Zerstörung von zig Tausenden Millionen von Ölbäumen … – inzwischen ist das ganze Volk schwer traumatisiert – und man muss sich nicht wundern, wenn es auf verschiedene Weise Widerstand leistet ( nach den „Menschenrechten“ erlaubt) z.B. durch gewaltlose Demos. Z.B. oder auch Steine-Werfen auf Panzer, schwer bewaffnete Soldaten (worauf Gefängnisstrafe steht) ja vielleicht auch Raketen werfen, die auf einem Feld enden, ganz selten Menschen treffen – zahlen mäßig nicht zu vergleichen mit den Bomben aus Kampfflugzeugen, Drohnen, Marineschiffen; Beschießung von Fischern, Zerstörung ihrer Boote; nach der letzten Operation Sommer u.v. m. 2014: über 20 000 Wohnhäuser zerstört, 2100 Tote, ca. 500 Kinder 10 000 Verletzte, zerstörte landwirtschafte Felder , auch von Flugzeugen aus mit Gift besprüht und vieles mehr.

Die Siedler in Hebron und andern Siedlungen machen den Palästinensern das Leben zur Hölle. Die Siedler sind Faschisten und benehmen sich nicht mehr wie Menschen und werden noch von der extremrechten, fastischen Regierung unterstützt.)

(Dass vor der Küste Erdgaslager entdeckt wurden, und Israel diese natürlich nicht den Palästinensern zum Ausbeuten überlassen will, wird im Allgemeinen verschwiegen).

Wurde deshalb der Norden des Gazastreifens komplett zerstört?)

Wie soll unter diesen Umständen Frieden entstehen

Diese ganze psychologische Seite hat Avi Primor in seinem Vortrag weggelassen.

Das konnte ich natürlich nicht so kurz ausdrücken. Ich fürchte sogar, dass ich die konkrete, aktuelle Frage diesbezüglich vergessen habe, worauf ich dann von A. Primor natürlich auch keine Antwort erhielt. Am nächsten Tag meinte er mir gegenüber, es sei eine gute Frage gewesen.

Von ihm noch ein Zitat: „Israel braucht zum dauerhaften Frieden auch eine gute Nachbarschaft mit den Palästinensern. Solange die Palästinenser nicht in Würde leben können, solange ein palästinensisches Kind nicht dieselben Chancen hat wie ein israelisches Kind, wird Israel keinen echten Frieden haben“. (1.3. 1998)

Das ist ein wunderbares Wort — aber sehr weit entfernt von der Realität und noch weiter entfernt von dem, was wir unter Frieden, Shalom meinen.

Ellen Rohlfs, 08.05.2015