Der Vorstoß des israelischen Außenministers Lieberman ist an Absurdität nicht mehr zu übertreffen
Von Arn Strohmeyer, 18.01.2015
Die bedingungslose Unterstützung Israels ist für die deutsche Kanzlerin Angela Merkel „deutsche Staatsräson“. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, dass die deutsche Politik ohne Wenn und Aber hinter Israels völkerrechtswidriger Politik stehen muss. Sie stellt sich so in direkten Widerspruch zum deutschen Grundgesetz, denn in Artikel 25 und 26 ist klar festgelegt, dass für deutsche Regierungen das Völkerrecht unmittelbar geltendes Recht ist. Politologen und Völkerrechtler haben nicht nur darauf hingewiesen, dass der Begriff der Staatsräson aus obrigkeitsstaatlicher Zeit stammt und die Macht und Sicherheitsinteressen eines Staates über Moral und Ethik stellt, sondern wie hier auch eine selbst gestellte Falle bedeuten kann, weil man sich mit dem Bekenntnis zur rückhaltlosen Unterstützung eines Verbündeten in die vollständige Abhängigkeit von seinen Entscheidungen begibt – noch dazu eines, der mit dem Völkerrecht nichts im Sinn hat.
Jetzt hat der israelische Außenminister Avgidor Lieberman ganz ernsthaft gefordert, dass Deutschland seine Zahlungen an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag (IGH) einstellen soll, was dessen Ende bedeuten würde, da Deutschland einer der größten Zahler ist. Nun ist dieser Gerichtshof bei allen Unvollkommenheiten, die ihm sicher noch anhaften, ein großer Fortschritt bei der Durchsetzung des internationalen Rechts. Lieberman will nun gleich das Kind mit dem Bade auskippen: anstatt die Politik seines Staates dem Völkerrecht anzupassen, fordert er, die Instanz, die es durchsetzen soll, und damit gleich das ganze Völkerrecht abzuschaffen. Absurder und dreister geht es wirklich nicht!
Aber der Vorstoß zeigt auch: Der Schritt von Präsident Abbas, die Mitgliedschaft der Palästinenser im Internationalen Gerichtshof zu beantragen, zeigt Wirkung. Die israelische Regierung ist äußerst nervös, befürchtet das Schlimmste, d. h. Gutachten und Urteile des Gerichtshofes über seine Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen, die dem Staat Israel sehr schaden und ihn weiter in die internationale Isolierung treiben können. Wer ein gutes Gewissen hat, reagiert so nicht. Abbas diplomatische Offensive erweist sich offenbar schon nach kurzer Zeit als sehr erfolgreich.
Nun weiß man noch nicht genau, ob die Forderung Liebermans, dem IGH die Gelder zu sperren, eine private Äußerung, ein politischer Versuchsluftballon oder die offizielle Linie der israelischen Regierung ist. Sollte letzteres zutreffen, hätte die Bundesregierung ein ernstes Problem: Soll man in Nibelungentreue zum engen Freund Israel halten oder dem Völkerrecht den Garaus machen und sich international lächerlich machen?
Wie auch immer: Liebermans Vorstoß sollte den Regierenden in Berlin klar machen, mit was für einer Art „Freund“ man es da zu tun hat!