Betr.: „ZDF-Mittagsmagazin 15.8.16: Auftritt von Außenminister Walter Steinmeier in Jektarinburg/Russland“
Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 15.08.2016
Schon der Ort, wo der deutsche Außenminister auftrat, zeigt wie drittrangig der plötzliche Besuch Walter Steinmeiers in Russland dort eingestuft wurde. Kein übliches Protoll, keine Dekoration, nicht einmal das deutsche Staaswappen oder die deutsche Fahne. Es ist klar: Der deutsche Aussenminister stört. Er hat sich selbst einbestellt, höchst wahrscheinlich von seinem US-amerikanischen Kollegen John Kerry beauftragt, der davon genug hat, bei seinem russischen Kollegen gegen die Wand zu rennen.
Steinmeiers Erklärungen sind gar nicht konstruktiv, sondern erbärmlich abwegig. Zuerst bringt er „eine Luft-Brücke nach Aleppo“ ins Gespräch ( ARD-Tagesschau am 12.8.), was gerade eine verhängnisvolle Assozierung mit Libyen nahelegt, wo der Vorwand humanitärer Hilfe mit einer solchen „Flugverbotszone“ die NATO-Aggression 2011 erst ermöglichte. Gerade Russland war damals (2011) Opfer dieser trügerischen NATO-Finte. Heute (15.8.) fordert der naive oder schlecht unterrichtete deutsche Außenminister „Waffenstillstand“ in Aleppo. Eine solche Forderung ist gemäß der umkämpften Lage in dem kleinen Teil von Aleppo, der noch in der Hand von kriminellen Banden ist, nicht vernünftig und deshalb nicht zu akzeptieren. Waffenstillstand kann nur zwischen regulären Armeen entstehen. Von kriminellen Banden wie bewaffneten Aufständischen ist nur das Niederlegen der Waffen zu fordern. Die Regierung von Syrien tut dies und bietet im Gegenzug dafür sogar Straffreiheit, also Amnestie, an. Für solche Aufständische, die die Waffen niederlegen, ist ein gesondeter Korridor, der aus dem betroffenen Teil von Aleppo herausführt, von der syrischen Armee eingerichtet worden. Das ZDF-Mittagsmagazin versäumt, auf diesen Aufruf zum Niederlegen der Waffen, dem eingerichteten Korridor für sich ergebende Aufständische und der angebotenen Amnestie hinzuweisen.
Es sollte klar sein, dass In Aleppo bewaffnete Aufständische und Söldner gegen die legitime Regierung Syriens kämpfen, die sich gezwungen sieht, mit der regulären syrischen Armee solche Aufständische unschädlich zu machen. Wie könnte die reguläre Armee Syriens ein Waffenstillstand mit Banditen und Söldnern paktieren? Kann man solchen Banditen trauen? Ein Waffenstillstand mit Banditen besteht nirgends in der Welt. Entweder sie legen die Waffen nieder oder sie unterliegen der Waffengewalt, die sie selbst als Reaktion hervorrufen. Mit anderen Worten, bewaffnete Extremisten müssen vom syrischen Territorium ein für alle Male verschwinden, entweder freiwillig durch Niederlegung ihrer Waffen oder unter Zwang mit Waffen-Gewalt, die sie selbst reaktivieren.
Warum ruft der deutsche Außenminister nicht die von USA und NATO-Staaten gesponsorten Aufständischen in Syrien dazu auf, ihre Waffen niederzulegen? Wer soll von einem Waffenstillstand mit Banditen profitieren? Wen wollen NATO-Staaten retten oder weiter bewaffnen? Nachrichtenredaktionen sollte sich nüchtern diese Frage stellen.
Was die humanitäre Lage in Aleppo angeht, informiert das ZDF-Mittagsmagazin vom 15.8. völlig unzureichend: Die meisten Menschen von Aleppo, 85% bzw. 1,5 Millionen sind in Sicherheit, und zwar in den Gebieten, die schon unter der Kontrolle der syrischen Armee stehen. Lediglich in Ost- und Süd-Aleppo geht der Kampf gegen Dschihadisten und Söldner weiter. Ein Waffenstillstand wäre kontraproduktiv, ungeeignet für die gewünschte Befreiung der ganzen Stadt, denn er gäbe den kriminellen Banden und ihren ausländischen Helfern Gelegenheit der Neu-Aufstellung und verbesserter Bewaffnung über geheime Verbindungen in die nahegelegene Türkei.
Von Russland, nicht von Deutschland oder anderen EU-Staaten, bekommen die in einem Stadtteil von Aleppo eingekesselten Menschen Nahrung und Hilfe, seit die tägliche Feuerpause dank russischem Verhandlungsgeschick in Kraft ist. 80 russische Lastwagen sind in Aleppo mit Hilfsgüter angekommen, die die UN versprochen hatte. (Agenturmeldungen aus Russland und Syrien). Was hindert die Bundesregierung, dasselbe zu tun? Das ZDF-Mittagsmagazin und andere Nachrichtensendungen sollten über die unterlassene Hilfeleistung der Bundesregierung berichten und im Kontrast die gute Nachricht der syrisch-russischen Hilfsgüterverteilung an Menschen in Ost-Aleppo verbreiten.
Steinmeier bräuchte nicht nach Russland zu fliegen, um einen vernünftigen Aufruf an die Milizen in Syrien zu adressieren oder an seinen türkischen Kollegen, damit keine weitere Waffenlieferung durch die lange türkisch-syrische Grenze nach Syrien passiert. Es ist schon bekannt, was für Hilfe die Menschen in Aleppo benötigen. Warum organisiert der deutsche Außenminister keine Hilfsgüter-Lieferung aus Deutschland und Europa? Es gibt schon humanitäre Korridore, die die russische und syrische Armee eingerichtet haben und deren Sicherheit sie garantieren. Die Unsicherheit schaffen die Anschläge der Milizen, die über Nachschubwege aus der Türkei ohne Aufsehen deutscher Nachrichten-Sendungen oder der deutschen Regierung versorgt werden. Es ist deshalb verständlich, dass der erbärmliche Auftritt von Herrn Steinmeier in Russland größte Irritation beim Kreml verursachte, denn der Außenpolitiker aus Berlin hat nichts konstruktives, keinen seriösen Vorschlag anzubieten. Im Gegenteil: Er störte.
Auf Russland fällt bisher das schwere Gewicht aller Friedensbemühungen an der Seite Syriens, das sich im verstärkten Kampf gegen kriminelle Banden sieht, gegen Milizen und Söldner, die auch noch von den USA und ihren Hauptverbündeten seit Jahren gefördert werden. Was unternimmt Steinmeier dagegen, wo steht die Bundesregierung?
Nachrichten wie das ZDF-Mittagsmagazin sollten sich nicht allein auf jenen Teil der Stadt Aleppo konzentrieren, der von kriminellen Banden wie von al-Qaida-Gruppen gehalten wird, und der insgesamt gerade rund 200.000 Menschen umfasst, mit einberechnet noch die kleine Armee von Geheimdienstagenten aus den USA, Großbritannien, Frankreich, Türkei und Israel, dazu noch etliche westliche Nichtregierungsorganisationen wie die White Helmets. Viel aufklärerischer wäre ein Bericht über die rund 1.5 Millionen Menschen in den von der Regierung gehaltenen Stadtteilen, die schon unter Kontrolle der syrischen Armee stehen und wo sie schon als Mehrheit der Bevölkerung Aleppos in Sicherheit leben.
Übrigens ist die syrische Armee die offizielle reguläre Armee des Staates Syrien, keine Privat-Armee von Baschar Al-Assad. Von „Assads Armee“ oder „Assads Truppen“ zu sprechen, ist deshalb ein grober Unfug, völlig deplatziert. Allein die Fakten, die Wahrheit richtigzustellen, bricht mit den Propaganda-Lügen, die aus Brüssel oder Washington in deutsche Nachrichtenredaktionen wie beim ZDF wie infiltriert ihren Weg finden.
Kurz gesagt: Von Aleppo zu sprechen ist unrichtig. Man muß differenzieren. Ganz Aleppo befindet sich Gott sei dank nicht in Belagerungszustand. Tatsächlich sind lediglich ca. 15% der Bevölkerung (200.000) von Aleppo eingeschlossen von der syrischen Armee. Zur selben Zeit befindet sich das gesamte Land Syrien unter Belagerung durch Wirtschaftssanktionen der USA, der Europäischen Union und Australiens. Für die Aufhebung der Sanktionen gegen das arme Land könnte sich der deutsche Außenminister wirksam engagieren, wenn ihn die Menschen in Syrien wirklich am Herzen liegen. Dafür braucht er keine Extra-Reise nach Russland. Von Berlin oder von Brüssel aus sollte er endlich eine menschenfreudliche Außenpolitik gestalten und die richtigen Aufrufe zu lancieren, wie zum Beispiel dazu, dass die bewaffneten Aufständischen ihre Waffen abliefern.
Steinmeier sollte sich auch zu einer Stellungnahme herausgefordet sehen zu dem bekannten Sachverhalt, dass die USA und europäische NATO-Staaten die Kämpfer in den kriminellen Banden unterstützen. Aus Syrien wird berichtet, ihre Waffen kämen alle aus Europa und aus den USA, bestimmtes Militär-Gerät und deren Einzelteile bis hin zum Sprengstoff kämen aus europäischen und türkischen Fabriken. Die syrische Armee wisse zudem „dass mindestens 2.000 ausländische Spezialkräfte im Norden unseres Landes operieren, aus den USA, aus Deutschland, Großbritannien und aus Frankreich.“ So berichtet Karin Leukefeld, freie Journalistin, in der Tageszeitung „Junge Welt“ vom 12.8.16 aus Damaskus, bezeichnenderweise wohl der einzige deutsche Staatsbürger mit journalistischer Akkreditierung in Damaskus.