Von
Haba al Harek, 18.11.2014
„Mir tut jedes menschliche Wesen leid. Was in Gaza geschieht, stellt für jeden Menschen der Welt eine Entmenschlichung dar, “antwortete Haba al-Harek, eine Studentin der englischen Literatur an der Universität in Gaza und Sozial-Medien und Gemeindeorganisatorin für „Aid Watch Palestine“, als ich zu begreifen versuchte, wo Menschlichkeit geblieben ist, nachdem ich ihre Geschichte gehört habe. Die Situation in Gaza hat eine tiefe menschliche Krise erreicht und im kommenden Winter kann es nur noch schlimmer werden.
Eine Mehrheit von 1,8 Millionen Bewohnern von Gaza sind Flüchtlinge, die die ethnische Säuberung der Palästinenser 1948 überlebt haben und angesichts Israels fortgesetzter Brutalität standhaft geblieben sind. Haba beschreibt Israels Sommerangriff als den schlimmsten im Vergleich zu den vorangegangen. Er war entsetzlich brutal. Die Menschen leben in großer Verzweiflung.
Die UN berichtet vom zunehmenden Todeszoll der Palästinenser während der letzten Operation „Protective Edge“ im Juli14: 2.258 Tote und 11.000 Verletzte.
Mehr als 20.000 Tonnen Bomben waren auf Gaza niedergegangen, viermal mehr als auf Hiroshima und ließ keine einzige Person unberührt. Khalil Shaheen vom palästinensischen Zentrum für Menschenrechte bestätigt, dass „die ganze Bevölkerung psychisch geschädigt wurde.
Das gilt besonders für die Situation der Kinder, die in einer Umgebung aufwachsen, die vom Krieg brutal verwüstet wurde. Haba beschreibt, wie das am besten an den Schulen gesehen werden kann. Ich weiß nicht, wer ihnen helfen wird. Die Lehrer stehen vor derselben Misere; sie haben nicht das Potential, diesen Kindern zu helfen, weil sie selber Hilfe brauchen. Es gibt für sie und die Kinder zwischen 6 und 18 keine Unterstützung, weder von den Familien noch von den Schulen. Wie sollten sie denn helfen? Alle stehen unter Druck. Wir sind psychisch und physisch zerstört worden.
Die UNRWA schätzt, dass etwa 90.000 Häuser beschädigt oder gar zerstört wurden. Diese Familien leben jetzt vorübergehend entweder in Zelten oder Wohnwagen oder bei Verwandten, während 30.075 intern vertriebene Personen noch in UNWRA- Schulen leben. Khalil sagte dass es schon vor diesem Krieg eine große Wohnungsnot gab, die nun noch viel größer geworden ist.“
Die Menschen suchen nur nach einem Bett und einem warmen Haus.
Es geht ihnen nicht um die Freiheit Palästinas. Sie müssen leider auch nach Nahrungsmitteln und Schutz suchen. Wenn man die Straße in Gaza entlanggeht, sieht man Leute, die auf dem Rücken einen Sack tragen, der ihre Schlafsachen enthält und damit geht es von Ort zu Ort,“ beschreibt Heba.
Mit dem bevorstehenden Winter wird das Problem der Unterkunft noch wichtiger, da das feuchte Wetter und die Kälte Gaza in eine große Not bringt. Heba beschreibt, wie schon jetzt – nach zwei Tagen Regen – die Straßen Gazas vollkommen überflutet sind und wir weder die Universitäten noch die Arbeitsstelle (So man eine hat) erreichen können. Die Infrastruktur ist zerstört: das Straßennetz und das Abwässersystem ist kaputt. Und das vor dem Winter von Regen und Abwässern überfluteten Straßen, Häusern und Schulen. Zu all dem kommt noch, dass es nur sechs Stunden Strom am Tag gibt und wenig Brennmaterial. Die Menschen fragen sich, wie sie die Kälte überleben werden, die im letzten Winter so brutal war. Bis jetzt gibt es keine Anzeichen eines Wiederaufbaus von Gaza, das in eine immer tiefere humanitäre Krise gerät. Die Menschen können sich nicht vorstellen, je eine schlimmere Situation erlebt zu haben.
Khalil und Heba beschreiben das Leben in Gaza: es sei schlimmer als in einem Gefängnis. Khalil gibt an: Selbst Gefangene haben nach dem internationalen Gesetz Rechte. Wir haben nicht einmal die fundamentalen Rechte auf Wasser, Nahrung, Sicherheit, medizinische Versorgung und einen Zufluchtsort, wir haben keine menschliche Würde“ Ähnlich sagte Heba: Wir haben keine Rechte; im Gefängnis gibt es Rechte, aber hier in Gaza gibt es keine. Es wurde zu einem sehr dunklen Platz ohne irgendwelche Aussichten für Schulabgänger und Akademiker, für die, die einen Arbeitsplatz benötigen, um mit dem tägliche Leben zurechtzukommen. …
Die Belagerung des Gazastreifens stranguliert die Bevölkerung.
Das Volk hat nichts zu verlieren. Khalil sagt, dass Israels Besatzungsbehörden Gaza in eine Flasche gesteckt und diese verschlossen haben. Aber wenn die Situation so bleibt, wird sie explodieren …
Als der Krieg zu Ende war, wandten sich die Augen der Welt wieder ab und jetzt benötigen die Gazaer eine Medienkampagne, um die Auswirkung der Zerstörung auf das Leben in Gaza jetzt herauszustellen und die Notwendigkeit eines Wandels. Es ist eine katastrophale Situation,“ sagt Khalil….
Mit den Worten des norwegischen Arztes Mads Gilbert: „ so lang wie das israelische Volk und seine Regierung das palästinensische Volk besetzt hält und weiter mordet, solange wird es keine Sicherheit noch Frieden haben, weil die Palästinenser als besetztes Volk auch ein Existenzrecht hat – sogar mit Waffen, wie es im Internationalen Recht festgeschrieben ist.“
(dt. und gekürzt: Ellen Rohlfs)