Internationale Herausforderungen ehrlich und sachlich diskutieren

Nahostpolitik

Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 18.09.2019

Betr.: Unsere Zeit (UZ) vom 13.9.19: „US-Truppen gen Russland“, Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 14.9.19: „EU-Kommission – Was Europa ausmacht“ von Stefan Kornelius, SZ vom 17.9.19: „Dreiergipfel zu Syrien in Ankara“ von Christiane Schlötzer, SZ vom 18.9.19: „Zwischen Erzfeinden“ von Moritz Baumstieger und Dunja Ramadan

Desolates Medien- und Politik-Panorama

Die politische und mediale Landschaft Deutschlands stellt ein desolates Panorama bloß. Redaktionen wie Politiker sind grundauf desorientiert. Ihre Realitätsfremdheit ist schockierend und besorgniserregend. Sie erkennen nicht, dass fortwährend in der Außenpolitik das Recht gebrochen wird und auf diese Weise die Gesellschaft völlig entgleist. Untauglich, den ernsthaften Rechtsbruch zu erkennen und sich mit ihm zu befassen, verlieren sich Außenpolitiker und Journalisten in Nebensächlichkeiten. Als Gemeinschaft der Gerechtigkeit und Rechtstaatlichkeit ist die Europäische Union (EU) eklatant gescheitert. Eher hat die EU Gerechtigkeit und Rechtstaatlichkeit verraten, seitdem sie in zahllosen Aggresionskriegen als Vasall der USA verwickelt und bisher nicht in der Lage ist, aus diesen Aggressionen herauszukommen und sie zu beenden. Welche Identität kann dieses Europa für sich beanspruchen, wenn Europäer das Leben anderer Völker nicht respektieren und Tod und Verwüstung in ihren Ländern zusammen mit Terroristen betreiben wie in Syrien? Ist die Bereitschaft zur Aggression und zum Töten das, was Europa heute ausmacht mittels Angriffe auf die Rechtstaatlichkeit in den eigenen Reihen? Europa befindet sich in einer tiefen Vertrauenskrise, die es selbst durch seine Untaten geschaffen hat. Journalisten können immer wieder lang und breit über „Werte“ schwadronieren, leere Parolen, die die Menschen jedoch nicht mehr überzeugen, da Verbrechen mit falschen Worten nicht zu verstellen, nicht zu vertuschen sind. Trotzdem ist der West-Block EU/NATO weiterhin bereit, Mord und Kriege zu begehen, um seine ökonomischen Interessen durchzusetzen. Christiane Schlötzer erscheint völlig von Sinnen, wenn sie sich vor Terroristen stellt, als ob von ihnen Frieden ausgehen könnte, bewaffnete Leute, die willkürlich andere Menschen umbringen und Häuser in die Luft sprengen. Und als wäre Schlötzers Job sonst in Gefahr, besitzt sie auch noch die infame Dreistigkeit, die Aussage von Russlands Präsidenten Wladimir Putin auf der jüngsten Syrien-Konferenz in Ankara Mitte September, die Terroristen in Idlib müssten vernichtet werden, als Bereitschaft gegen den Frieden zu bezeichnen. Ist es ihr untersagt, daran zu denken und zu erwähnen, dass den Terroristen mehrfach von der syrischen Regierung angeboten wurde, freies Geleit zu bekommen und Straffreiheit, wenn sie die Waffen niederlegten, was sie aber nicht tun? („Dreiergipfel zu Syrien in Ankara“ von Christiane Schlötzer, SZ 17.9.19)

<Es ist entsetzlich, dass nach dem 2. Weltkrieg durch Kriege, Sanktionen und Hunger, verursacht durch das unmenschliche kapitalistische System, Millionen von Menschen mehr als im 2. Weltkrieg umgekommen sind. Statistiken sagen, dass täglich 30.000 Kinder bzw. 50 000 Menschen täglich vor Hunger sterben, das sind 10 – 20 Millionen Menschen jährlich ohne Kriege! Aber Kriege töten Menschen millionenfach. So kostete allein der Krieg der USA gegen Vietnam 14 Millionen Menschenleben, ähnlich den Angriffskriegen der US/NATO gegen den Irak, bzw. Libyen, Mali und Jemen!

Weltweite NATO-Militäreinsätze

Bereits im März 1999 wurde durch die neue NATO-Strategie eine neue Hochrüstungsrunde in der ganzen Welt angestoßen. … mit anderen Worten, seither werden durch die NATO Militäreinsätze weltweit praktiziert.> („Neue NATO-Strategie seit 1999 offen menschenverachtend und verbrecherisch“ von Brigitte Queck, Dipl.Staatswissenschaftlerin Außenpolitik, Subtitel d.A.)

US-Provokation gegenüber Russland

Das höchste Gut des Menschen ist das Leben und synchron damit der Frieden der Völker, wie das Völkerrecht in der UN-Charta festschreibt und in Einklang mit ihm das Grundgesetz. Just gegen dieses oberste Gebot im Grundgesetz und im Völkerrecht verstoßen die USA und die EU wiederholt bis zum Extrem, einen Dritten Weltkrieg mitten in Europa zu riskieren. US-Truppen und Militärgeräte, die in Polen und im Baltikum stationiert sind, bedeuten eine erneute Provokation gegenüber Russland. Die Bundesregierung reagiert nicht dagegen, obwohl die US-Militärstationierung die NATO-Russland-Akte 1997 verletzt, die explizit Kampftruppen in Osteuropa ausschließt, denn sie sind eine Hauptbedrohung, die die Sicherheit und den Frieden in Europa gefährden.

Keine Partei im Bundestag hat die potentiellen Aggressoren gegen Russland verurteilt und ihren Rückzug gefordert, sondern lediglich die Deutsche Kommunistische Partei (DKP). Die Misere der sogenannten „deutschen Demokratie“ wird damit bloßgestellt. <Die deutsche Bundesregierung reiht sich willig in die Front der Aggressoren gegen Russland ein… Sie riskieren ein nukleares Inferno… US-Botschafter Grenell muss gemeinsam mit den hier stationierten US-Truppen und den Atombomben das Land verlassen! („US-Truppen gen Russland“, DKP-Erklärung, UZ 13.9.19) Das Weiße Haus ist aufgerufen, seine Kriegsdemonstration in Polen zu beenden und Warschau zur Besinnung zu bringen.

Entlassung von Außenminister Mike Pompeo steht an

Gewiss ist die Verständigung der USA mit Russland dringend geboten und unumgänglich, um den langen terroristischen US/NATO-Krieg in Syrien zu beenden, aber vor allem auch, um die Kriegsgefahr am Persischen Golf und aus Europa zu verbannen. Die Wiederherstellung der internationalen Ordnung gemäß dem geltenden Völkerrecht ist heute bitter nötig. Die Trump-Regierung muss in dieser kritischen Stunde Vernunft und Pragmatismus gelten lassen und das Primat der Politik mit dem internationalen Gesetz an oberste Stelle anerkennen und entsprechend handeln. Demgemäß ist Kriegstreiberei im Weißen Haus und in Warschau definitiv zu bremsen und jeder Kriegsminister oder -Beamte zu entlassen. Nach der Entlassung des Falken John Bolton ist auch Außenminister Mike Pompeo, der andere US-Falke, von seinem Amt zu entfernen.

EU als atomwaffenfreie Zone

Zentrale Anliegen einer humanistischen, zivilisierten deutschen und EU-Außenpolitik, die aber die rückständige, im Kalten Krieg verhaftet gebliebene konfrontative CDU-Außenpolitik völlig vernachlässigt, haben folgende zu sein: Abzug von allen Atomwaffen auf europäischem Boden und Schaffung einer EU als atomwaffenfreie Zone, allgemeine Abrüstung, Rüstungsexportverbote an kriegführende Staaten und Krisenregionen – zweifellos nach Saudi-Arabien, USA und Israel. Außerdem sind die Sanktionen gegen Russland aufzuheben und die Beziehungen mit Moskau zu normalisieren. Mit einem Wort, eine längst überfällige Entspannungspolitik mit Russland ist einzuleiten.

Der Militärindustriekomplex, das große Hindernis in der internationalen Verständigung

Obama konnte sich im August 2013 dem Druck des Militärindustriekomplex widersetzen, als er in dem hinterlistigen Kniff der erfundenen Chemiewaffen nicht verfiel und einen Angriffskrieg gegen Syrien entschlossen ablehnte. Der damalige US-Präsident Obama erwähnte zu Recht das Völkerrecht und ermahnte die Weltöffentlichkeit dazu: Das Völkerrecht spreche auch gegen einen Angriff auf Syrien, sagte US-Präsident Obama im Interview mit CNN am 23.8.2013. So der ZDF-Korrespondent aus Washington im ZDF-Heute am 24.8.2013. Dasselbe zu tun hat heute Priorität; dazu ist jetzt US-Präsident Trump aufgerufen. Einflussreiche Kreise in den USA konstruieren sich immer wieder neue Feindbilder, um ihren Militärindustriekomplex zu alimentieren. Hier liegt die Gefahr beim politischen Washington und das Handicap jeder US-Regierung, die sich nicht für den Frieden einsetzen kann oder will, sondern immer wieder Aggression und Krieg betreibt. Es ist gerade der Militärindustriekomplex, der die Verständigung des Weißen Hauses mit dem Kreml und mit dem Iran verhindert. Der US-Präsident Donald Trump war dabei, die Sanktionen gegen Teheran einzustellen, um Gespräche mit dem iranischen Präsidenten zu ermöglichen. Dieses vernünftige Vorhaben von Donald Trump führte zur Entlassung des Hardliners Bolton, der sich für die ökonomische Blockade und sogar für gewaltsame Konfrontation gegen den Iran einsetzte. US-Außenminister Mike Pompeo verharrt auf dieser unsinnigen US-Blockadepolitik und ist besessen, einen Kriegsgrund gegen Teheran zu suchen. Diese perfide Vernetzung von Falken mit dem Militärindustriekomplex ist die größte Belastung für den US-Präsidenten Trump, der die USA in keinen Krieg im Nahen Osten weiter verwickelt haben will.

Allianzen im Nahen/Mittleren Osten revidieren und neu gestalten

<Boltons Entlassung wurde gerade in rechtsnationalen Kreisen als Beleg gefeiert, dass der Einfluss der verhassten „Neocons“ endlich gebrochen ist, welche die USA in die ewigen Kriege in Afghanistan und im Irak (und Syrien d.A.) getrieben haben.> So Hubert Wetzel in seiner SZ-Kolumne 17.9.19: „Keine Interesse“. Aber niemand geringeres als US-Außenminister und Falke Mike Pompeo verbreitet Kriegshetze gegen den Iran. Es ist höchste Zeit, die Allianzen im Nahen/Mittleren Osten zu revidieren und neu zu gestalten. Seit langem ist die Koppelung USA-Israel verheerend und eine große Last für die erforderliche Wende zum Frieden der US-Außenpolitik in dieser Region. US-Organisationen wie sogenannte Denkfabriken haben dieses Hindernis und höchste Gefahr erkannt und die US-Administration davor gewarnt.

Achse Riad-Tel Aviv-Washington auflösen

Der spektakuläre Militärschlag gegen die wichtigsten Ölanlagen in Saudi Arabien am Samstag 14.9. vermutlich aus dem Jemen ist als eine Kriegsreaktion zu werten im Kontext des entsetzlichen Interventionskrieges, den Saudi-Arabien seit März 2015 zusammen mit den Vereinigten Emiraten im Jemen führt. Trotz aller Warnungen der Vereinten Nationen hat Riad diesen grausamen unmenschlichen Krieg im Jemen weitergeführt, wobei die jemenitische Bevölkerung mit Blockaden dem Verhungern ausgeliefert worden ist. Und das alles unterstützt die USA auch noch militärisch gegen das ärmste Land der arabischen Welt. Dieser unmenschliche Krieg ist sofort zu beenden. Saudi-Arabien hat zur Besinnung zu kommen und mit den Huthi-Milizen Frieden zu schließen. Auch mit der Islamischen Republik Iran hat sich Saudi Arabien zu verständigen. Die Achse Riad-Tel Aviv-Washington, die sich gegen die islamischen Interessen in der Region richtet, ist definitiv aufzulösen. Die Regionalmacht Iran ist entscheidend für eine neue regionale Friedensordnung, zu der Saudi-Arabien gehört. Die iranische Regierung hat deshalb schon vor einiger Zeit vorgeschlagen, eine Konferenz der kollektiven Sicherheit und Zusammenarbeit zusammenzurufen. Diese Initiative blieb in hiesigen Medien weitgehend verschwiegen.

US-Täuschung nicht vergessen, die Riad schon 1990 erlebte

In der aktuellen Spannungslage am Golf ist es am entscheidendsten und begrüßenswert, dass US-Präsident Donald Trump keinen Kriegswillen manifestiert, sondern das Gegenteil, wie er es offen sagte: „Die USA wollen keinen Krieg“ (ZDF-Mittagsmagazin 17.9. 19 Uhr). Und umso wichtiger, dass er sich nicht von Falken und Kriegstreibern in seiner Umgebung manipulieren lässt, die mittels eindrucksstarker Bildchen, zusammengestellt und möglicherweise frisiert aus Sammlungen von Satellitenaufnahmen den Präsidenten in die falsche Richtung lenken wollen, um einen Krieg am Golf auszulösen. Donald Trump hat dennoch die Lage ganz nüchtern zu betrachten: Die schiitische Huthi-Miliz im Jemen reklamierte die Anschläge für sich und Saudi-Arabien untersucht den Fall, ohne den Iran zu beschuldigen. Gewiss weiß Riad schon, wer hinter den Attacken steckt, will es aber nicht bekanntgeben, um die innere Lage des Landes nicht weiter zu erschüttern. Die einzige Beschuldigung gegen den Iran kommt haltlos vom US-Außenminister und Falken Mike Pompeo, nicht aus Saudi Arabien. Das arabische Königsreich will sich nicht wieder für einen neuen unberechtigten Angriff instrumentalisieren lassen, dieses Mal gegen den Iran. Nicht zu vergessen die US-Täuschung, die Riad schon 1990 erlebte und die einen verhängnisvollen unberechtigten Krieg gegen den Irak kostete. Die Saudis haben sich niemals vom Irak bedroht gefühlt, bis die rasche US-Cheney-Mission 1990 dazu führte – auch mittels zusammengeschnippselter, frisierter Bildchen – die saudische Führung von einem vermeintlichen drohenden Angriff des Iraks zu überzeugen, mit dem Ziel, den kriegerischen US-Einmarsch in der Golf-Region zu ermöglichen (1991).

Heute versuchen US-Kriegstreiber Saudi-Arabien von einer angeblichen Drohung aus dem Iran zu überzeugen. <Insofern handelte der Jemen-Beauftragte der Vereinten Nationen folgerichtig. … Am Rande einer Syrien-Konferenz in Ankara dementierte Präsident Hassan Rohani… jegliche Beteiligung und verteidigte das Recht der Huthis, gegen Saudi-Arabien vorzugehen. Die Eskalation sei nichts mehr als Widerstand der Jemeniten „gegen die Kriegsverbrechen der von den Saudis angeführten Militärkoalition“. Die Jemeniten hätten das Recht darauf, „sich gegen die Vernichtung ihres Landes zu wehren“, sagte Rohani – und tat es dabei so, als stünde das Land geschlossen hinter den schiitischen Rebellen aus dem Nordwesten, die von Iran unterstützt, aber wohl nicht direkt kontrolliert werden. … Im Ausland hat das Vorgehen der Koalition im Jemenkrieg der Reputation des Königsreichs schwer geschadet: Die UN bezeichnen den Konflikt als „weltweit schwerste humanitäre Krise“. … Internationaler Druck, die hohen Kosten des Einsatzes und vor allem die explosive Lage im Konflikt mit Iran führten zuletzt dazu, dass das von Saudi-Arabien geführte Militärbündnis bröckelte: Nicht nur Marokko zog sich in diesem Jahr aus der Koalition zurück … auch die Vereinigten Arabischen Emirate zogen einen großen Teil ihrer Truppen aus Jemen ab…. Um Einigkeit zu demonstrieren, forderten Riad und Abu Dhabi ein Ende der Kämpfe, verlangten von beiden Seiten, zu „konstruktiven“ Verhandlungen am 5.September in Saudi Arabien zu erscheinen. Der UN-Sondergesandte Griffiths begrüßte das und schlug vor, den Friedensprozess wieder anzuschieben.> („Zwischen Erzfeinden“ von Moritz Baumstieger und Dunja Ramadan, SZ 18.9.19)

Deeskalation: Jemen-Krieg beenden und Friedensprozess in Syrien fördern

Der Jemen-Krieg ist sofort zu beenden. Hier muss US-Präsident Donald Trump anknüpfen genauso wie schon Bundeskanzlerin Angela Merkel getan hat, als sie jetzt versichert, Deutschland werde immer auf Seiten der Deeskalation stehen. Das Ende des saudischen Interventionskrieges im Jemen und der Friedensprozess in Syrien tragen effektiv zu einer Deeskalation bei. Dafür müssen sich Berlin und Brüssel einsetzen.

Eine sachliche ehrliche Diskussion über die internationalen Herausforderungen darf die verworrenen, gefährlichen Verhältnisse mit ihren kriegstreiberischen einflussreichen Personen in der US-Administration nicht ignorieren. Aber auf der Suche nach Themen, die die mediale Aufmerksamkeit erregen wie furchterregende Zukunftsszenarien zum Klimawandel, haben Regierungs-, aber auch Oppositionsparteien und Medien die wichtigen internationalen Ereignisse aus den Augen verloren. Sie finden in hiesigen Medien so gut wie nicht statt, und werden deshalb weder analysiert noch angemessen kommentiert – in einem international hoch angesehenen Land wie Deutschland ein sehr Besorgnis erregender Zustand!