70 Jahre Charta der Vereinten Nationen: USA zu einer Kurskorrektur ihrer Außenpolitik bringen

Nahostpolitik

Von

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 01.11.2015

Bewaffnete Rebellen und Söldner gehören nicht zum politischen Prozess

Russland lässt sich von Mahnungen seitens der Kriegsverbrecher USA und EU nicht beeindrucken und führt die Luftangriffe weiter gegen das destruktive Söldnertum in Syrien, das gerade die USA/EU schafften. Alle bewaffneten Rebellen und Söldner haben aus Syrien zu verschwinden oder sind außer Gefecht zu setzen. Sie gehören nicht zum politischen Prozess. In keinem Land der Welt.

Zusammenarbeit aller, die nicht mit der Aggression gegen Syrien verbunden

Es ist wünschenswert, dass Russland seine Mission vollständig erfolgreich erfüllt und bald als Mission accompli beendet. Dann ist der Weg für Frieden ohne Hindernisse innerhalb Syrien geebnet für die Befriedung und den Aufbau des Landes. Das erfordert die Zusammenarbeit aller Kräfte und Mächte der Region und alle Länder, die nicht mit der Aggression gegen Syrien kollaboriert haben.

Russland, China und Indien in Zusammenarbeit mit Syrien

<Russland und China, aber auch das aufstrebende Indien unterstützten grundsätzlich den Frieden in der Region, agierten allerdings völlig anders als der Westen ohne politischen Druck und Einmischung. Vielmehr boten sie weitreichende wirtschaftliche Zusammenarbeit an, was insbesondere die Zusammenarbeit mit Syrien und mit dem Iran festigte. Das genau wollten die USA verhindern.> So die Nahost-Expertin Karin Leukefeld in ihrem sehr lesenswerten Buch: „Flächenbrand. Syrien, Irak , die arabische Welt und der islamische Staat“, PappyRossa Verlag, 2015.

Deutschland und EU vor den bitteren Konsequenzen einer entgleisten Außenpolitik

Die Vereinten Nationen haben gerade 70 Jahre ihres Bestehens gefeiert, während Europa, vor allem Deutschland, die bitteren Konsequenzen einer verfehlten, entgleisten Außenpolitik erlebt, eine Außenpolitik, die wiederholt gegen die UN-Charta verstößt, seitdem die USA zahllose Interventionskriege (Irak, Afghanistan, Serbien, Libyen, Syrien) angezettelt haben und Europa im Schlepptau dieser entgleisten hegemonialen Macht mitgespielt hat. Als Folge des eklatanten Bruchs der UN-Charta haben wir jetzt den Fluchtzustrom auf dem Kontinent, eine immense humanitäre Katastrophe, für die kein Ende abzusehen ist, denn Washington beharrt auf seiner kriminellen Intervention.

Der russische Präsident Wladimir Putin gab eine kurze Erklärung ab bei seinem Treffen mit dem deutschen Vizekanzler Sigmar Gabriel in der Nähe Moskaus am 28.10.: <…Heute, da die ganze Welt, insbesondere Europa, sich dem Flüchtlingsproblem gegenübersieht, ist es wert, an die Haltung der Regierung der Bundesrepublik Deutschland zu erinnern, die sich aktiv gegen die Kriegsoperation im Irak ausprach. Und in der Tat entstand nach dieser Operation und nach der Destabilisierung anderer Länder der Region eine Bedrohung, die in das heutige Flüchtlingsproblem hinüberwuchs. … Um dieses Problem zu bewältigen, ist es aus unserer Sicht nötig, dort bei der Stärkung von Staatlichkeit Tatkraft zu zeigen, wo sie noch erhalten blieb, und Hilfe zu leisten bei der Wiedererrichtung staatlicher Strukturen dort, wo das gerade geschieht. Wir müssen einen politischen Prozeß der politischen Regelung aller strittigen Fragen verfolgen, darunter auch in Syrien.

Aber in erster Linie geht es heute selbstverständlich um die Bekämpfung des generellen Übels, des Terrorismus. Nur wenn wir den Terrorismus besiegt oder ihm auf jeden Fall einen ernsten Schlag versetzt haben, kann man über eine Vorwärtsbewegung auf dem politischen Pfad sprechen…> („Abgeschrieben“, Junge Welt, 30.10.)

USA mit weiterer militärischer Einmischung in Syrien – UN-Sicherheitsrat gefragt

Anstatt den Weg zum Frieden zu ebnen, planen die USA eine weitere militärische Einmischung auf syrischem Territorium mit dem Vorwand, den IS zu bekämpfen. Das soll wiederum vollkommen illegal geschehen, denn das Weiße Haus hat sich gar nicht mit der syrischen Regierung dafür verständigt. Die USA verstoßen damit erneut gegen das Völkerrecht. Hier liegt ein trifftiger Grund, um den Sicherheitsrat einzuberufen, um den Aggressor anzuklagen, denn mit einem John Kerry, mit dem Obama-Regime und seiner militärischen Eigenmächtigkeit auf fremden Territorium gibt es keinen Frieden.

Blockade zum Frieden in Syrien seit der ersten Syrien-Konferenz 2012

Die Öffentlichkeit erlebt diese US-Friedensblockade seit der ersten Syrien-Konferenz unter Kofi Annan am 30.Juni 2012 und der zweiten Syrien-Konferenz in Montreux im Januar 2014. Genau wie die jetzige Wiener Konferenz vom 30.10.15 brachten beide früheren Konferenzen keinen Durchbruch wegen der anmaßenden Haltung der US-amerikanischen Außenministerin Hillary Clinton (2012) und Außenministers John Kerry (2014 und 2015) bzw. des Obama-Regimes zu Syrien.

Was machen wir mit den Friedensstörern?

Hat Europa bemerkt, dass es absolut kein Recht hat, über die Zukunft des legitimen Präsidenten eines souveränen Landes zu bestimmen? Erkennt Europa nicht, dass diese Frage allein dem syrischen Volk zusteht und keinem anderen fremden Staat? Ist es nicht absurd, dass ausländische westliche Staatschefs über diese Frage diskutieren und dadurch Zeit verlieren, da es sich um eine Frage für das syrische Volk handelt? Die Frage für die vorgeblichen Friedensstifter ist eher vielmehr, was sie mit den Friedensstörern machen wollen, wie sie die Gewalttäter stoppen können, nämlich die USA, das neokoloniale Frankreich, die Despoten eines reaktionären Saudi-Arabien, der Türkei und Katar. Sie alle sprengen das internationale Gesetz und das friedliche Zusammenleben in Syrien.

Deutsche Medien vor monströser Realität der USA

Die Syrien-Konferenz in Wien vom 30.10.2015 scheitert an derselben US-Blockade wie die früheren Konferenzen vom 2012 und 2014, nämlich an der US-Besessenheit und Zumutung, die Zukunft Syriens bestimmen zu wollen. Russland und der Iran stützen zu Recht den legitimen amtlichen syrischen Präsidenten, der schon in einem Referendum am 26.2.2012 als Präsident bestätigt und am 3. Juni 2014 mit erheblicher Mehrheit wiedergewählt wurde. Eine aktuelle, in London veröffentlichte Umfrage gibt bekannt, dass 65% der syrischen Bevölkerung zufrieden mit ihrem Präsidenten sind und sich ein friedliches Leben gut vorstellen können, wenn die westliche Terror-Intervention in Syrien aufhört. Was die USA treiben, ist rein kriminell. Deutsche Medien wie ARD und ZDF sollten sich dieser monströsen nackten Realität stellen, um Druck auf die Verantwortungsträger auszuüben, damit ein Weg gefunden wird, den Frieden in Syrien zu ermöglichen ohne die Störregierungen, die daran gar kein Interesse haben.

<Nicht Russland hat Schuld an dieser menschlichen Katastrophe, sondern wohl eher die USA mit ihren sogenannten Willigen. Man kann zu Saddam Hussein und Gaddafi stehen, wie man will, ohne die gewaltsame Beseitigung dieser Regimes durch den Westen gäbe es heute diese schwere menschliche Katastrophe nicht. Die syrische Frage zu lösen heißt, den Krieg sofort zu beenden, so dass die Menschen nicht mehr flüchten, sondern in ihre Heimat zurückkehren können. Syriens Regierung muss unterstützt werden, um alle Fragen demokratisch durch das syrische Volk selbst lösen zu können. Das ist das Ziel, was auch Russland verfolgt mit seinem Eingreifen.> (Horst Soberski, Neues Deutschland, 30.10.)

Bruch der internationalen Ordnung bringt das Schlamassel

Das Schlamassel des Westens (USA/EU) mit allen gegenwärtigen Verheerungen begann mit dem Bruch der internationalen Ordnung. Die Vereinten Nationen sind jetzt 70 Jahre alt. Überall in der ganzen Welt gab es Feiern zu diesem Jubiläum. Nicht aber in Europa. Eine Würdigung der Vereinten Nationen findet man auch nicht in der SZ, jedoch in der Wochenzeitung der Deutschen Kommunistischen Partei „UZ“, Zeichen der aktuellen verkehrten Welt: <Am 25.Juni 1945 unterzeichneten 50 Staaten der Antihitlerkoalition am Ende der Konferenz von San Francisco die UNO-Charta. Man wollte Schlussfolgerungen aus Krieg und Faschismus ziehen… die Gründung der Weltorganisation folgte einem antifaschistisch-demokratischen Impetus. Man war unter anderem fest entschlossen, „künftige Geschlechter von der Geisel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat.“ (Präambel der Charta) Die Charta sei „eine feste Grundlage, auf der wir eine bessere Welt aufbauen können“. So US-Präsident Harry Truman….

Am 11. Dezember 1946 bestätigten die UNO-Mitglieder einstimmig „die Prinzipien des Völkerrechts, die vom Statut des Nürnberger Tribunals und vom Urteil des Tribunals anerkannt wurden“… Was die UNO bewirken kann, hing immer vom politischen Willen der Mitgliedstaaten, vor allem der wirtschaftlich stärksten und politisch einflussreichsten, ab.

… in den 90er Jahren nach dem Zusammenbruch und der Zerschlagung der Sowjetunion begann die Demontage der UN-Charta. Die USA stürzten die UNO in eine existentielle Krise. Die UNO soll(te) entweder Erfüllungsgefilfe ihrer Politik werden oder ihre Rolle in der internationalen Politik verlieren…. USA und NATO missachteten zunehmend die Prinzipien des Völkerrechts: Krieg gegen Jugoslawien 1999, Krieg in Afghanistan 2001, der zweite Krieg in Irak 2003. Doch: „Die UNO hat die drei Kriege hingenommen, nachträglich sanktioniert und sich mit einer Nebenrolle beim Umgang mit den schlimmen Ergebnisse und Folgen der Aggressionen abdrängen lassen.“(Gregor Schirmer) Auch die neuen Konzepte von USA und NATO für „Präventivkriege“ leisten durch ihren Widerspruch zu den Prinzipien der Vereinten Nationen einen Beitrag zur Schwächung der UNO.> (UZ, 30.10.: „70 Jahre Charta der Vereinten Nationen“)

Gerade diese Weichenstellung in den 90iger Jahren, als sich die USA in einen Aggressor im Nahen und Mittleren Osten verwandeln (Erster Angriff auf den Irak 1991) und somit mit der Weltordnung brechen, kennzeichnet den Anfang und die Hauptursache der humanitären Katastrophen, die sich seit 1991 profilieren und die jetzt Europa, vor allem Deutschland, erfassen.

Der Willkür einer kriegerischen Macht widerstehen

Mit dieser miesen Lage müssen sich die Medien und Politiker befassen. Die brennende Frage ist, wie die europäische Gesellschaft der Willkür einer kriegerischen Supermacht widersteht. Das sollte uns alle beschäftigen. Es handelt sich um eine existentielle Frage, die jetzt Syrien am dringendsten, aber im Grunde genommen die ganze Welt betrifft.

Wie kann Deutschland, wie kann Europa die USA zu einer Kurskorrektur ihrer militärischen Außenpolitik bringen und die Völker in Frieden leben lassen?

Erfahrung vorangegangener Generationen achten

Dass Politiker in Washington, Berlin oder Brüssel noch immer glauben, dass mit mehr und immer moderneren Waffen die notwendige politische Vernunft zu ersetzen ist, ist übel und irrsinnig genug. Doch wenn sich Medien in diesen Irrsinn einspannen lassen, ist das zumindest eine mangelnde Achtung vor der Erfahrung vorangegangener Generationen. Sie hatten irgendwann eingesehen, dass Wettrüsten nicht zu mehr Sicherheit führt, sondern weitere Explosionsherde in der Welt verursacht.

Erfolg der russischen Diplomatie

Wie alle anderen Konferenzen zu Syrien ist die Wiener-Konferenz am 30.10. ein Erfolg der russischen Diplomatie. Aus dem Carnegie-Center in Moskau heißt es, „die Einladung des Iran sei „auf gewisse Weise ein Erfolg der russischen Diplomatie“. Die US-Regierung habe einsehen müssen, dass ihre bisherige Strategie in Syrien keinen Erfolg gebracht habe. („US-Kurswechsel in Syrien-Krieg“ von Arnold Schölzel, Junge Welt, 29.10.)

Vor allem die Teilnahme Irans erfolgte auf Drängen Moskaus. Das markiert einen Wende-Punkt im Nahen Osten, eine „Zeitenwende im Nahen Osten“, wie der SZ-Journalist Stefan Braun (SZ, 31.10.) richtig erkennt: „Insbesondere die Teilnahme Teherans zeigt, wie sehr sich die Zeiten geändert haben… Es ist für ein Ende des Krieges entscheidend, dass alle, die den Konflikt von außen befeuern, für die Friedenssuche verpflichtet werden.“ Eine solche intelligente und sachliche Stellungnahme wäre vom Außenminister Walter Steinmeier zu wünschen. Europa steht vor seinem Zusammenbruch gegenüber dem enormen menschlichen Zustrom, als Folge seiner verfehlten Außenpolitik im Schlepptau der USA. Es ist deshalb unbegreiflich, dass der deutsche Außenminister hier ins Hintertreffen gerät, sich anscheinend im Hinterzimmer der Wiener-Konferenz versteckt und keine Stellungnahme für den Frieden in Syrien bekannt gibt, in Distanz zu der verhängnisvollen US-Intervention mit Hilfe von Rebellen, Söldnern und Dschihadisten. Mit ihrem SPD-Außenminister zeigt sich Berlin in einem entscheidenden Moment schwach und trübe, statt sich klar und deutlich für Stabilität und Frieden zu profilieren gemäß der Vorschriften der UN-Charta. An ihr 70-jähriges Bestehen wäre auch vom Außenminister Steinmeier und allen deutschen Staatsinstitutionen zu gedenken.