Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 20.05.2018
Betr.: Münchner Runde am 16.5.: „Aufruhr in Nahost: Wer kann die Eskalation noch stoppen?“
Die „Münchner Runde“ vom 16.5., sehr gut von Ursula Heller moderiert, befasste sich leider nicht mit der illegitimen Besatzung Palästinas, auch nicht mit ihrem Ursprung, und zwar mit dem Unrecht der Teilung eines Landes, das niemals hätte stattfinden dürfen.
Palästina war tatsächlich zur Zeit des gescheiterten UN-Teilungsplan (November 1947) völkerrechtlich weltweit anerkannt als Gebiet des britischen Mandats. Israel existierte nicht. Gerade hierin verbirgt sich der Zugang zum Öffnen des gordischen Knotens. Die UN, nämlich die Weltstaatengemeinschaft hatte keine Kompetenz, keine rechtlichen Befugnisse, ein Land zu teilen, um Staatengründungen gegen den Willen der ansässsigen Bevölkerung und der Nachbarstaaten zu ermöglichen. Natürlich hat die zionistische Bewegung die Chance sofort ausgenutzt, um einen jüdischen Staat gewaltsam zu gründen, auf einem Territorium, das den jüdischen Einwanderern nicht gehörte.
Kein Staat existiert ohne Grenzen. Daher ist von einem Pseudo-Staat zu reden, was Israel angeht, denn es weigert sich von Anfang an bis heute, seine Grenze zu definieren und setzt immer weiter auf gewaltsame Ausdehnung. Mit dem Unrecht der Netanjahu-Regierung hat diese rechtmäßige Bezeichnung „Pseudo-Staat“ nichts zu tun, sondern das Manko hat mit der Nicht-Erfüllung der legalen Bedingungen für die Existenz eines Staates zu tun; dabei ist eine Bedingung das Vorliegen einer definierten Grenze. Kein Staat ohne Grenze! Lediglich der Pseudo-Staat Israel agiert grenzenlos und ignoriert alle internationalen Beschlüsse darüber.
Die unzähligen Aggressionskriege im Nahen Osten bestätigen den fortwährenden israelischen Expansionsdrang, ohne Anerkennung von Grenzen. Benjamin Netanjahu hat nur fortgesetzt, was seine Vorgänger schafften, nämlich weitere Gebiete zu rauben und zu besetzen. Die europäische Geschichte ist gebrandmarkt von ständigem Raub. Über den illegitimen Okkupanten zu sprechen, ist hierzulande ein Tabu wegen der penetranten zionistischen Infiltration bei deutschen Regierungskreisen und Medien.
Mehrheiten bedeuten nichts, wenn sie keine Befugnisse haben, über das Schicksal eines Landes und seine Bevölkerung zu bestimmen. Die UN-Charta lässt keinen Zweifel darüber. Selbstverständlich waren die Umstände damals sehr erdrückend, was die jüdischen Einwanderer anging, aber es gab keine Legitimation, keine Rechtfertigung, einen Staat anzuerkennen, der auf Kosten und Leid der ansässigen Bevölkerung eines Territoriums gegründet wurde. Die damalige Kommission, die US-Präsident Woodrow Wilson angeordnet hatte, reiste drei Monate lang von Adana bis Jerusalem, von Beirut bis Damaskus und war überwiegend davon überzeugt, dass Syrien und Palästina nicht geteilt und kein jüdischer Staat errichtet werden sollte. Diese historische Tatsache kann jeder prüfen, denn sie darf nicht ignoriert werden. Darüberhinaus waren die Umstände, unter denen die Staatsgründung Israels in New York zustande kam, sehr dubiös. Die offiziellen Akten (Offizielle Akten der 2.Sitzung der UN-Vollversammlung, New York, 27.11.1947, 2. US Congressional Record, 18.12.194, 3. Chicago Daily Tribune, 9.2.19484. „What Price Israel?“ – A. Lilienthal – Chicago, 1953) belegen Indizien von Bestechungen einiger Delegationen. Also rechtlich gesehen war die Mehrheit aus Willensmangel wegen Bestechung null und nichtig. Viele Länder enthielten sich der Stimme. Das ist auch historisch belegt. Dieser hässliche Hintergrund ist nicht zu übersehen. Keine politische Diskussion gab es darüber. Aus Unkenntnis der Fakten oder aus Verweigerungswillen vor der Realität?
Anstatt an einem gescheiterten Plan von gestern festzuhalten, der keine Legitimationsbasis und keine Zukunft hat, sollte der UN-Generalsekretär die UN-Vollversammlung beauftragen, sich erneut mit dem Problem Palästina zu befassen. Hiermit würde die UN-Vollversammlung an die korrekte Entscheidung der Truman-US-Administration anknüpfen, die schon damals die Teilung als Fehlentscheidung zu erkennen wusste. Die USA zogen eigentlich am 19.3.1948 ihre Zustimmung zum Teilungsplan Palästinas zurück. US-Präsident Harry Truman schlug vor, Palästina unter den Schutz der Vereinten Nationen (UN) zu stellen, sollte Großbritannien abziehen. Israel ignorierte selbstverständlich die Entscheidung des Weißen Hauses und erklärte sich schnellstens zum unabhängigen und souveränen Staat (14. Mai 1948) trotz der speziellen Démarche der UN, die Unabhängigkeitserklärung zu verschieben. Damit setzte sich Israel über den Willen der Weltstaatengemeinschaft hinweg.
<Die britischen Mandatssoldaten, die selbst von den zionistischen Milizen angegriffen worden waren, zogen sich zurück und ließen die Palästinenser ohne Schutz zurück.
Die Unabhängigkeitserklärung Israels am 14.Mai 1948 provozierte einen Angriff arabischer Truppen aus Ägypten, Transjordanien, Irak, Syrien und Libanon. An ihrer Seite kämpfte die Befreiungsarmee… Sie konnten sich aber nicht durchsetzen und wurden zurückgeschlagen. Am Ende des Krieges im Juli 1949 hatte Israel nicht nur das Gebiet eingenommen, das im Teilungsplan der UN-Resolution 181 (II) für einen jüdischen Staat vorgesehen war, sondern weitere 60 Prozent des Landes, das die Vereinten Nationen einem zu gründenden arabischen Staat Palästina zugeschlagen hatten.> („Die Katastrophe“ von Karin Leukefeld, Junge Welt, 15.5.18)
Der UNO-Teilungsplan im November 1947 ist in der Tat der Ausgangspunkt einer kontinuerlichen Ungerechtigkeit, die sich in eine Katastrophe entwickelte. <Der Grundstein für das Unrecht war nach dem Ende des Ersten Weltkriegs gelegt worden. Verantwortlich waren Großbritannien, Frankreich, die USA sowie der Völkerbund. Auf der von ihnen organisierten Pariser Friedenskonferenz (1919/20) war das Schicksal des Mittleren Ostens mit einem Frieden besiegelt worden, der für die Zukunft jeden Frieden verhinderte. Der britische Feldmarschall Archibald Wavell hielt damals in seinen Aufzeichnungen fest: „Nach dem Krieg, der den Krieg beenden sollte, waren sie jetzt in Paris ziemlich erfolgreich damit, einen Frieden zu schaffen, der den Frieden beendet.“> („Die Katastrophe“ von Karin Leukefeld, Junge Welt, 15.5.18)
Dass sich bis heute die arabischen Staaten intensiv darum bemühen, die illegitime Okkupation Palästinas zu beenden, ist zu verstehen, wenn man einen Sinn für Gerechtigkeit hat, denn kein Frieden ist gewaltsam zu erreichen, weniger noch akzeptabel durch Raub eines Territoriums. Nazi-Deutschland musste sich auf den von ihm besetzen europäischen Ländern mit hartem Widerstand konfrontieren. Andererseits sprach die unglückliche Balfour-Erklärung von 1917 nur von „Heimat“ für die Juden, nicht von einem Staat.
Dass die Sowjetunion damals (1947) für die Teilung Palästinas stimmte, ist sehr bedauerlich und gibt berechtigten Anlass, sie grundsätzlich zu kritisieren und zu korrigieren. Interessant wäre, die heutige Ansicht Russlands darüber zu kennen. Es ist an der Zeit, die Sachlage der UN-Vollversammlung vorzulegen.
In Palästina könnten alle Völker gleichberechtigt friedlich leben, wie es schon vor dem Krieg 1914 der Fall war, als die Menschen in Syrien und Palästina keine Grenzen kannten. <1948 änderte sich alles. In Tiberias hatten Muslime, Christen und Juden seit Jahrhunderten zusammengelebt. Doch weder der Große Aufstand der Palästinenser 1936-39 gegen das britische Mandat und gegen die zunehmende Besiedlung durch zugewanderte jüdischer Siedler noch der jüdische Unabhängigkeitskampf gegen die Briten und gegen die Araber machten vor den Toren der Stadt halt. Die zionistischen Kampfverbände wurden von Frankreich unterstützt. … Geschwächt durch den Zweiten Weltkrieg, versuchten die Briten derweil, sich aus Palästina zu retten.
Am 29.November 1947 beschloss die Vollversammlung der Vereinten Nationen mit der UN-Resolution 181 (II) gegen den erklärten Willen der arabischen Staaten, Palästina zu teilen. … Unmittelbar darauf begann ein ungleicher Krieg. … Das Ziel der zionistischen Angriffe war, die UN-Teilungsgrenzen möglichst weit auszudehnen. Die ländlichen Siedlungen und Gebiete wurden erobert und zerstört… Im April 1948 wurde der sogenannte Plan Dalet umgesetzt, die Vertreibung der lokalen palästinensischen Bevölkerung durch die Haganah. … Dörfer wurden niedergebrannt, Häuser gesprengt und vermint, um eine Rückkehr der Bevölkerung zu verhindern. … Es war wie ein Startsignal für die Vertreibung der gesamten arabischen Bevölkerung – Christen und Muslime – aus dem westlichen Galiläa. Zwischen dem 28. April und dem 14.Mai wurden alle arabischen Dörfer und Sädte, auch Tiberias, gewaltsam „von Arabern gesäubert“… (Bemerkenswerterweise entstand diese zionistische Gewalt unmittelbar bevor Israel gegründet wurde und vor dem Angriff der arabischen Staaten. d.A.). Als der Staat Israel 1948 gewaltsam gegründet wurde, flohen die ursprünglichen Einwohner nach Norden in den Libanon, zionistische Kampfverbände besetzten das Land> („Die Katastrophe“ von Karin Leukefeld, Junge Welt 15.5.18) Womit ist dieses Verbrechen zu vergleichen?
Der ehemalige US-Botschafter John Kornblum äußerte sich völlig zutreffend (BR-Fernsehsendung „Münchner Runde“ am 16.5.), der Staat Israel komme zustande „auf der Basis des Zionismus und aus dem Unrecht unserer Länder“. Recht und Unrecht müssen angesprochen werden, ohne Vorurteile, von Anfang an.
Hinsichtlich der besetzten Gebiete wie der Golan und Ostjerusalem besteht für Israel die Verpflichtung, das Land zurückzugeben und die illegale Okkupation zu beenden. Kein Staatsoberhaupt der Welt ist bereit, ein besetztes Gebiet einfach aufzugeben, auch kein syrischer Präsident wird jemals den von Israel besetzten Teil der Golanhöhe aufgeben, der völkerrechtlich unumstritten zum syrischen Staat gehört. Einem erklärten illegalen Besatzer darf man keine Gebiete schenken, einem Aggressor und Kriegstreiber, der sich über die politischen und religiösen Realitäten dieser Region so arrogant hinwegsetzt. Das Problem Israel scheint sich verschärft zu haben mit dem US-Präsidenten Donald Trump, der Israels Politik der Stärke begrüßt und das Regime Netanjahu freie Hand lässt bei dessen fortdauernden Rechtsbrüchen. So treibt Israel den illegalen Siedlungsbau voran und zementiert Tatsachen als fait accompli.
<<Dass (Israel) keinen Frieden, sondern nur Land will, ist nicht neu, vielmehr ist diese zionistische Staatsräson des Landraubs für ein „Groß-Israel“ seit der Staatsgründung bekannt. Es waren unter anderem die Milliarden von US-Dollar-Hilfen, die den „Jüdischen Staat“ zu dem gemacht haben, was er heute ist. Der „Jüdische Staat“ wurde hochgepäppelt zu einem rechtsradikalen faschistischen Regime, das sich selber zur „einzigen Demokratie im Nahen Osten“ fantasiert und als westliches Bollwerk gegen die muslimischen Terroristen (sprich: arabische Welt) hausieren geht, und darf ungestraft weitermachen mit der gegen das Völkerrecht gerichteten illegalen Besatzung Palästinas.>> („Wenn die Stunde der Führer schlägt!“ von Evelyn Hecht-Galinski, 4.1.17)
Wir erkennen also, wie sich Israel von Anfang an, seit seinem Ursprung als Staat, gegen den Willen der Weltstaatengemeinschaft gestellt und gehandelt hat. War das legitim? Zementierte die Gründung des Staates Israels nicht eher ein prinzipielles Unrecht mitten in einem Territorium, wo die Mehrheit der ansässigen Bewohner dagegen waren? Hier muß eine gerechte europäische Nahost-Aussenpolitik anfangen, sich einzusetzen.
Die eindeutige Ansicht von David Ben-Gurion diesbezüglich sollte jeder Aussenpolitiker und Journalist berücksichtigen: Der komplette Rückzug der israelischen Truppen aus den besetzten Gebieten sei die einzige Option, erklärte er vor der Knesset. Seine Frau, eine intelligente Amerikanerin, stellte eine zentrale Frage: Warum brauchen die Juden einen Staat? Die USA würden für sie reichen.