Lass die Hunde bellen – Die iranische Diplomatie nimmt Fahrt auf

Nahostpolitik

Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 04.09.2019

Betr.: Meldungen zu Israels Angriffen auf Syrien, den Irak und andere Länder der Region,

Junge Welt am 28.8.19: „Tödlicher Wahlkampf“ von Karin Leukefeld,

Leitartikel in Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 29.8.19: „Zeitenwende“ von Cerstin Gammelin

Verstockte aggressive Regierung Israels das eigentliche, große Problem

Das eigentliche, große Problem im Nahen/Mittleren Osten ist eine verstockte aggressive Regierung Israels, die als reale Gefahr und erklärter destabilisierender Feind im Nahen/Mittleren Osten hart und stark zu verurteilen ist. Oder glaubt der bockige israelische Ministerpräsident Netanjahu, dass ein Aggressor Immunität genießt? Nirgends. <Israel bedroht den Mittleren Osten. Die Angriffe im Irak, Syrien, Libanon und im palästinensischen Gazastreifen richten sich angeblich gegen „die iranische Agression“> (So lauten die lügnerischen Parolen des Aggressors) (Tödlicher Wahlkampf“ von Karin Leukefeld, Junge Welt 28.8.19).

Bevorstehende Wahlen in Israel

<Am 17.September wird in Israel gewählt, und Netanjahu ist im Wahlkampf… Nachbarn kurz vor den Wahlen anzugreifen, ist dafür in Israel ein bekanntes Muster… Man habe „die iranischen Kuds-Brigaden und schiitische Milizen in Syrien“ attackiert.

Begonnen hatte die Welle von Angriffen im Irak am 19. Juli…. eine turkmenische Brigade soll dort stationiert sein… Diese bestehen überwiegend aus schiitischen Muslimen, ihnen gehören aber auch Sunniten, Christen und Angehörige anderer Minderheiten an. Die Allianz besteht aus rund 40 verschiedenen Milizen… Am 12. August kam es zu schweren Explosionen auf der Al-Sakr-Militärbasis bei Bagdad…. Der jüngste Angriff am 20. August galt einer militärischen Einrichtung… unweit des Militärflughafens Al-Balad, der etwa 80 Kilometer nördlich von Bagdad liegt…. Raketen flogen… unkontrolliert in die umliegenden Felder und in der benachbarten Al-Balad-Militärbasis herum…

Al-Balad ist ein früherer Stützpunkt der irakischen Luftwaffe, der 2003 von den US-Truppen besetzt wurde. Bis heute befinden sich auf dem weitläufigen Gelände US-Soldaten und private Sicherheitsfirmen, die im Auftrag der US-Armee arbeiten. Eine Stellungnahme des Pentagon zu der Attacke ist nicht bekannt.

… Alle Abflüge, auch die der US-geführten „Anti-IS-Koalition“, müssen jetzt vom Ministerpräsidenten genehmigt werden. Der frühere irakische Ministerpräsident Nuri Al-Malik warnte vor einer „starken Antwort“, sollte sich herausstellen, dass Israel hinter den Angriffen stecke. Wenn Israel den Irak weiter angreife, werde der Irak „zum Schauplatz eines Krieges, in den viele Länder, auch der Iran, hineingezogen“ würden. Israel habe „die Grenzen überschritten“, sagte auch ein Regierungsoffizieller gegenüber der New York Times. Die Angriffe provozierten Vergeltung, und Bagdad mache bereits die USA mitverantwortlich. Kämpfe zwischen den angegriffenen Einheiten – die Israel als „iranisch“ bezeichnet – und dem US-Militär im Irak seien nicht ausgeschlossen. Möglich sei auch, dass die US-Truppen den Irak verlassen müssten. Entsprechende Forderungen sind schon wiederholt im Bagdader Parlament erhoben worden.> (Tödlicher Wahlkampf“ von Karin Leukefeld, Junge Welt 28.8.19)

Iran als stabile große Regionalmacht mit immer mehr Unterstützung

Die Diplomatie des Irans ist ein Dorn im Auge der israelischen Regierung, dessen aktive wahnsinnige Feindseligkeit gegenüber Teheran gegen Israel selbst wirkt und das Land immer stärker isoliert, während der Iran als große stabile Regionalmacht immer mehr Unterstützung gewinnt. <Der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif warb in den Golf-Anrainerstaaten, in den skandinavischen Ländern und am Rande des G-7-Treffens im Biarritz für ein „Regionales Dialogform“ in der Golfregion. Das nächste Ziel des Diplomaten ist China. Bereits im Januar 2018 hatte sich Sarif in der Financial Times zur Rolle des Iran in der Region geäußert…. die vom Krieg verwüstete Region müsse stabilisiert werden, schrieb er. Die Welt verändere sich in eine „nachwestliche globale Ordnung“, so Sarif weiter. Die Entwicklung in Westasien könne als Beispiel für eine regionale Sicherheitsordnung dienen. Grundlage dafür müssten die Prinzipien der UN-Charta sein. Konkret schlug Sarif die Bildung eines „Regionales Dialogforums“ vor. Daran sollten auch die europäischen Staaten interessiert sein, die diese Initiative unterstützen und auf ihre Partner in der Region einwirken sollten, sich zu beteiligen.

Im Mai 2019 folgte in der New York Times erneut ein Friedensplädoyer aus der Region. Der iranische Diplomat Hossein Mousavian und Abdilaziz Sager, Leiter des saudarabischen Golf-Forschungsinstituts schrieben gemeinsam, es sei „Zeit für die Führer von Saudi-Arabien und Iran, zu reden“. Im Jemen, in Syrien, Libanon, Bahrain und im Irak sehe man die „zerstörerischen Folgen der Kriege (…), in denen unsere Länder an der Seite anderer Regierungen oder Bewegungen um die Macht konkurrieren“…

Angesichts der von den USA und europäischen Staaten geplanten Militärmissionen im Golf, nahm die iranische Dilomatie an Fahrt auf. Präsident Hassan Rohani wies am 13. August die westlichen Pläne zurück. Den USA warf er vor, die Region spalten und die Rohstoffe plündern zu wollen. Dem Ansinnen Israels, sich an einer Militärmission im Golf zu beteiligen, werde Iran eine „Antwort erteilen“.

Eine Delegation der Küstenwache der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) führte Anfang August Gespräche in Teheran. Bei der Gelegenheit wurde quasi als vertrauenbildende Maßnahme bekräftigt, dass auch die VAE nicht davon ausgehen, dass der Iran für die Anschläge auf Öltanker im Golf von Oman vor wenigen Monaten verantwortlich ist.

Die iranischen Beziehungen zum Oman sind eng. Widerholt trat das Sultanat als Vermittler zwischen den USA und Iran auf. Ähnliches versucht auch Katar. Aktuell findet in Doha die neunte Gesprächsrunde zwischen Vertretern der USA und der afghanischen Taliban statt. Das Golfemirat unterliegt dabei seit mehr als zwei Jahren einer Wirtschaftsblockade, die von Saudi-Arabien, den VAE und Bahrain verhängt wurde. Iran unterhält dagegen enge politische und wirtschaftliche Beziehungen zu dem Emirat. Beide Länder teilen sich das Pars-Gasfeld im Persischen Golf, das als größtes der Welt gilt. Am 11.August traf sich Sarif in Doha mit Katars regierendem Emir Tamim bin Hamad Al Thani. Der begrüßte die iranischen Pläne für ein „Regionales Dialogforum“ und hob die bedeutende Rolle der Islamischen Republik in der Region hervor. Wenige Tage später führte Sarif Gespräche in Kuwait. In Teheran fanden mit Vertretern aus dem Jemen, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Italien Gespräche über eine Friedensregelung statt.

Russland wird bei der UN-Vollversammlung Ende September voraussichtlich ein umfassendes „Konzept für kollektive Sicherheit der Persischen Golfregion“ vorlegen, das den iranischen Vorschlag aufgreift.> („Reisediplomatie für regionalen Dialog – Der Iran bemüht sich um Entspannung am Persischen Golf“ von Karin Leukefeld, Doha, Junge Welt 28.8.19)

Diplomatische Entwicklung in der Golfregion in Medien ignoriert oder verschwiegen

Der penetrante verheerende Einfluss Israels in der Umgebung des US-Präsidenten und in deutschen Medien geht so weit, dass diese von Karin Leukefeld geschilderte diplomatische Entwicklung in der Golfregion, an der sich Deutschland auch beteiligt, völlig ignoriert oder verschwiegen bleibt. Irritation und Wut des israelischen Premiers dürfen deutsche Redaktionen nicht tangieren. Was soll der seltsame SZ-Leitartikel am 29.8., der sich anmaßt die Bundeskanzlerin als „eine lame duck“ zu bezeichnen und ihr „Abschied von der Weltpolitik“ unterstellen will?

Bundeskanzleramt fern von israelischen Extremisten sehr gut auf Zeitenwende vorbereitet

Auf die historische Zeitenwende ist Angela Merkel und ihr Bundeskanzleramt sehr gut vorbereitet. Deshalb bemüht sie sich um stabile Beziehungen zu China und auch darum, eine konstruktive diplomatische Rolle mit dem Iran im Persischen Golf zu spielen, fern von israelischen Extremisten und Falken. Veranlasst dieses vernünftige Vorgehen des Kanzleramts größte Irritation in zionistischen Kreisen? Lass die Hunde bellen, sagt ein Sprichwort. Journalisten sollten jedenfalls nicht die Sache aus den Augen verlieren: Auf der einen Seite der aggressive sogenannte jüdische Staat Israel mit Atomwaffen, der völlig von den USA und der EU abhängig ist und auf der anderen Seite der unabhängige Iran, der eine atomwaffenfreie Zone im Mittleren/Nahen Osten anstrebt, sich der asiatischen Großmacht China immer stärker annähert sowie Russland und außerdem auf die Unterstützung aller blockfreier Staaten und der asiatischen islamischen Welt bauen kann, während die EU völlig machtlos gegenüber den USA und unentschlossen gegenüber dem ständigen Aggressor Israel zwischen den Stühlen beinahe lächerlich erscheint.

Strafmaßnahmen gegen Israel auf die EU-Tagesordnung

Die israelische Lobby im Weißen Haus behindert seit Jahrzehnten den notwendigen Kurswechsel der Außenpolitik Washingtons im Nahen Osten. Die Bundesregierung und mit ihr die EU sollten darauf achten, nicht noch einmal in die Falle der US-amerikanischen und israelischen Falken zu tappen, die weiter auf vernichtende Konfrontation und Drohung setzen. Strafmaßnahmen gegen Israel wie die Beseitigung Israels EU-Privilegien und dem Verbot von Rüstungsexporten und jeder Militär- und Sicherheitskooperation gehören auf die EU-Tagesordnung.

Dem Ernst der Lage in Nahost, die die US-Führung an erster Stelle zu verantworten hat, muss auch Berlins außenpolitische Agenda Rechnung tragen, ohne die Fehler der USA zu wiederholen.

Grundsätzlich war keine Initiative der USA bisher seriös genug, um einer Lösung des Konflikts näher zu kommen, weil die UN-Resolutionen unbefolgt blieben und niemals ihre Befolgung Teil eines internationalen US-Plans war. Weder die USA noch die EU haben Israel irgendeinmal unter Druck gesetzt, um dieses Land zu zwingen, die UN-Resolutionen zu erfüllen. „Die Israelis werden nie im Leben den Frieden kennen, wenn sie nicht akzeptieren, sich von den besetzten Gebieten zurückzuziehen.“ So Ex-Präsident Jimmy Carter im Atlanta-Presse Club Dezember 2006. Dieses jüdische Apartheid-Regime ist ein großes Problem für die USA geworden, wie US-Außenpolitiker und -Denker heute erkennen. Die US-Exklave wirkt unkontrollierbar.