Realitätsverweigerung in Deutschland

Nahostpolitik

Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 08.12.2023

Staatsempfänge in Doha: Ehrenhaft für Russland, peinlich für Deutschland

Schon die Ankunft des Präsidenten Russlands Wladimir Putin vor wenigen Tagen in Doha war äußerst ehrenhaft, ein ostentativ warmer Empfang. Der russische Präsident reiste weiter nach Abu Dhabi, Hauptstadt der Arabischen Emiraten, um dort mit Präsident Mohammed bin Sajed unter anderem über die Lage im Nahen Osten zu sprechen. Weiter geht es für Präsident Putin nach Saudi-Arabien. In Riad wird er von Kronprinz Mohammed bin Salman empfangen, dem eigentlichen Herrscher des Landes. Laut Kreml-Sprecher Peskow will Putin über den Nahost-Konflikt sowie über die vom Ölkartell OPEC, dem auch Russland angehört, beschlossene Drosselung der Ölfördermengen sprechen.

Wladimir Putin gewinnt die arabische Welt, wo er mit Glanz und Gloria empfangen wird. Dagegen war das Eintreffen von Bundespräsident Steinmeier auf dem Flughafen von Doha sichtbar prekär und höchst peinlich: Kein Regierungsvertreter von Katar war bei Steinmeiers Ankunft am Flughafen anwesend, man ließ ihn eine halbe Stunde warten, bis es zu einer offiziellen Begrüßung mit Minimalprotokoll kam!

Verachtung für Deutschland wegen seiner schlimmen Außenpolitik

Das erinnert an die kalte Begrüßung der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock in Neu-Delhi (1.3.23) bei ihrer Ankunft zur Teilnahme am G-20-Treffen, eine Verachtung, die eindeutig klar zeigte, wie isoliert und peinlich diskreditiert die deutsche Ampelregierung mit ihrer bellizistischen, irrsinnigen Konfrontation gegenüber Russland ist. In der Tat isoliert die schlimme deutsche Außenpolitik das Land vollständig und macht es überall zum Objekt von Zurückweisung.

Indien, Südafrika, Brasilien, Chile und andere gegen Russland-Sanktionen, welche Deutschland unterstützt und von ihnen fordert

Schon vorher, als Kanzler Scholz am 24.5.22 nach Südafrika reiste, um den südafrikanischen Präsidenten als Verbündeten für seine Sanktionspolitik gegen Russland zu gewinnen, scheiterte der deutsche Kanzler damit vollständig. Südafrikas Präsident weigerte sich, Sanktionen gegen Russland zu diktieren und beschuldigte die USA für den Krieg in der Ukraine. Dasselbe erlebte Kanzler Scholz in Chile am 30.1.23, als der chilenische Präsident Gabriel Boric ihm klarstellte, weshalb Sanktionen gegen Russland nicht zuzustimmen sind. Die erratische Ansicht von Kanzler Scholz und seiner lausigen Ampel-Regierung über die Ukraine wurde also in Indien, Südafrika, Brasilien, Chile und anderen Ländern von den jeweiligen Regierungschefs grundsätzlich korrigiert. Wenn sich jetzt der deutsche Kanzler nicht selbst richtigstellt, müssen es wenigstens die Medien tun. Ist es das schon zu viel verlangt? Auch der Vizekanzler zeigt sich in außenpolitischen Angelegenheiten völlig inkompetent.

Dazu schreibt der Journalist Gert Ewen Ungar: <<Bei „Anne Will“ diskutierten Vizekanzler Robert Habeck und andere Gäste am Sonntag, 3.12.23 über die Frage, ob Deutschland den aktuellen geopolitischen Herausforderungen gewachsen sei. Die Antwort lautet „nein“. Deutsche Politik hat noch nicht einmal verstanden, worin die Herausforderungen konkret bestehen. Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) verweigert bei Anne Will die Kenntnisnahme der Realität.

Deutschland gehört zu den Verlierern

Zur Unterstützung der Ukraine und Israel steht Deutschland inzwischen allein. Es hapert bereits an der Fähigkeit zur Analyse. Dabei sind die einzelnen Problemfelder schnell umrissen: Die Ukraine verliert den Krieg, in Deutschland klafft ein riesiges Haushaltsloch und mit dem Bekenntnis zur bedingungslosen weiteren Unterstützung von sowohl der Ukraine als auch Israel steht Deutschland inzwischen allein da. Dennoch schaffte es niemand in der Runde, daraus den richtigen Schluss zu formulieren: Deutschland gehört zu den Verlierern. Deutschland hat im Ukraine-Konflikt auf den Sieg über Russland gesetzt und verloren.

Keine Auseinandersetzung mit Fakten in den Medien, auch nicht bei “Anne Will”

Die Talkshow-Gäste waren mit der Moderatorin einig: Beim Krieg in der Ukraine geht es um die Weltordnung. Es wird lediglich die Angst vor den „Autokratien“ ein bisschen angeheizt. Für die Auseinandersetzung mit Fakten fehlt nach wie vor der Mut, also gibt man sich weiterhin Wunschdenken und plumpen Parolen hin. …

In Wunschdenken wurzelt beispielsweise die Forderung nach weiterer und umfassenderer Unterstützung der Ukraine. Die Ukraine ist sowohl finanziell als auch im Hinblick auf Waffen vollkommen vom westlichen Ausland abhängig. Alles, was in der Ukraine entschieden wird, kann daher von außen gesteuert werden und wird auch von außen gesteuert.

Deutschland ist derzeit das einzige Land, das sich weiterhin zur bedingungslosen Unterstützung der Ukraine bekennt.

Die Ukraine hat den Stellvertreterkrieg unabwendbar verloren. Der Westen führte in der Ukraine einen Krieg gegen Russland, wollte das Land zudem mit Sanktionen ruinieren und diplomatisch isolieren. Nichts davon ist gelungen. Den daraus erwachsenden Konsequenzen wird man sich stellen müssen. Bei „Anne Will“ diskutiert man um diese Tatsachen herum.

Dieser Krieg entscheidet auch darüber, welche Friedensordnung Europa haben wird.>>

Keine Rolle für Deutschland und EU bei Suche nach einer neuen, stabilen Sicherheitsarchitektur für Europa

Brasiliens Präsident Lula da Silva sprach auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem deutschen Kanzler Klartext (31.1.23) darüber. Lulas Botschaft: Die EU und Deutschland seien unfähig, eine Friedenslösung zu finden. Deutschland und die EU würden bei einer Suche nach einer neuen, stabilen Sicherheitsarchitektur für Europa nicht gebraucht. Er machte deutlich, dass eine Friedensinitiative an der EU und Deutschland vorbeiführen werde. Ja, der Satz ist richtig. Der Krieg ist allerdings bereits entschieden und damit auch, wer über die Friedensordnung bestimmt. Deutschland ist es nicht. Deutschland und wohl auch die EU werden künftig nicht mit am Tisch sitzen, wenn es um die neue Sicherheitsarchitektur in Europa geht.

Verkommenes, altes Europa voller Kriegsgräber an der Seite der USA verantwortlich für massenhaftes Elend, Zerstörung, Mord und Krieg

Anstatt sich für den Frieden, Wohlstand und Sicherheit für Millionen Menschen auf der Erde zu engagieren, trägt Europa an der Seite der USA zum massenhaften Elend, zu Zerstörung, Mord und Krieg bei. Die kriminelle Reihe Irak, Serbien, Afghanistan, Libyen, Syrien begründet heute im 21. Jahrhundert auf extrem abscheuliche Weise eine beschämende Anklage gegen ein altes, hinfälliges und verfallendes Europa.

Schon 1945 hat die Literatur-Nobelspreisträgerin Gabriela Mistral aus Chile dieses alte Europa voller Kriegsgräber als verkommen erkannt und mit schlagfertigen Worten stigmatisiert. Neben ihr auch Stefan Zweig, Sigmund Freud und Albert Einstein. Sich auf dem Boden dieser abscheulichen Wirklichkeit Europas eine europäische Zukunft vorzustellen ist einfach höhnisch, ja ein extrem zynischer Hohn. Eher steht Europa am Ende und führt auf der Bühne der Weltgeschichte seinen letzten Akt in seinem Entwicklungsdrama auf.

Sicherheitsinteressen Russlands als gleichwertig respektieren statt historische Fehler wiederholen wie in Deutschland

<<Ehemaliger Schweizer Nachrichtenoffizier: “Russland hat seine Kriegsziele erreicht”.

Deutschland weigert sich noch immer, die Sicherheitsinteressen Russlands als gleichwertig zu respektieren. Deutschland hat seine historischen Fehler wiederholt und steht erneut auf die falsche Seite der Geschichte. Die Eskalation des Konflikts war ein historischer Fehler. Der Krieg ist verloren. Deutschland steht auf der Verliererseite.

Der Westen, die NATO, die EU und Deutschland glaubten, sie könnten Russland den Ordnungsrahmen diktieren und sind damit eingebrochen. Es wäre an der Zeit, sich das einzugestehen und einzusehen, dass die Eskalation des Konflikts ein historischer Fehler war. Der Krieg ist verloren. Deutschland steht auf der Verliererseite. Bei „Anne Will“ spricht man darüber nicht.

Die Ukraine ist am Ende. Der verpasste Frieden: „Wir werden gar nichts unterzeichnen, ihr werdet einfach weiterkämpfen“. Habecks Position ist zynisch. Weil der Krieg schon so viele Menschenleben gekostet hat, ist die Ukraine jetzt erst recht und noch stärker zu unterstützen, ist seine These. Dass dies schlicht zu immer noch mehr Opfern führen wird – egal. Die Ukraine kann diesen Krieg nicht gewinnen. Jede weitere Lieferung von Waffen verlängert nur das Leid. Habecks Träumerei von einem Endsieg schadet der Ukraine.

Denken in Konfrontation überwinden

Die EU ist unter den Unionsbürgern unbeliebt wie nie. Die Tagesschau-Berichterstattung wird realistischer: Die Ukraine verliert den Krieg. Das Denken in Konfrontation muss überwunden werden. Die EU sollte im eigenen Interesse und im Interesse des Friedens in Europa ihre Politik der Spaltung aufgeben und zum Konzept der kollektiven Sicherheit zurückkehren, wie sie in der Schlussakte von Helsinki verankert ist. Das Denken in Konfrontation muss überwunden werden. Das ist eine der ganz großen Herausforderungen, vor der Deutschland und die EU stehen. Nur dadurch kann die EU die ihr zugefügte Niederlage überwinden. Ansonsten zerfällt sie. Bei „Anne Will“ wird all das nicht benannt.

Welt ordnet sich neu

Und dann sind wir beim eigentlichen Thema. Ja, der Westen verliert den Krieg und die Welt ordnet sich neu. Ist das schlimm? Nein. Denn diese Ordnung, für die Deutschland steht und an der es festhalten will, ist für die Welt unerträglich geworden. Die „regelbasierte Ordnung“, bei der ausschließlich der Westen die Regeln diktiert, ist durch die Demokratisierung der internationalen Beziehungen zu ersetzen. Im Osten gibt es einen positiven Zukunftsentwurf, in Deutschland nur das immer verbitterte Festhalten an einer Ordnung, die augenscheinlich niemand mehr will.

Realisieren, was überhaupt passiert ist: Russland wird Ordnung in Europa bestimmen

Statt darauf zu sinnen, wie eine neue Ordnung mit Russland verhindert werden kann, sollte man in Deutschland nach Wegen suchen, sich daran zu beteiligen. Ob das nach alledem, was war, möglich ist, wird die Zukunft zeigen. Das ist die Herausforderung, vor der Deutschland steht. Fakt ist: Dass Russland die Ordnung in Europa bestimmt, ist bereits bewiesen. Welche Rolle Deutschland in dieser Ordnung einnehmen wird, ist dagegen noch unklar, denn man hat noch nicht realisiert, was überhaupt passiert ist: Deutschland hat den Krieg gegen Russland erneut verloren. Das ist die Realität, der sich deutsche Politik zu stellen hat. Noch verweigert man sich der Erkenntnis, machte die letzte Sendung von „Anne Will“ deutlich. „Ist Deutschland den Herausforderungen gewachsen?“ – Kaum, zeigt sich beim Abschied von Anne Will. >> (Gert Ewen Ungar, 4.12.23, Subtitel d. A.)

Wer wird es in Europa schaffen, dieses beschämende Blatt der Geschichte zu wenden? Der einsetzende Zusammenbruch der westlichen Hegemonie ist jedenfalls unumkehrbar.