Recht auf Widerstand gegen Besatzungsmacht

Nahostpolitik

Von Luz María De Stéfano de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 17./18.10.2023

Konsequenzen der illegitimen Besatzung Palästinas

Durch gewaltsame Expansion und Okkupation wurde Israel vom gefährdeten David zur illegalen Besatzungsmacht. Die Konsequenzen dieser illegitimen Besatzung waren ständige Rebellionen, ja die Erhebung der besetzten Menschen bis zum organisierten Widerstand wie heute bei Hamas gegen die Besatzungsmacht Israel. „Niemand kann Widerstandskräfte stoppen während die Kriegsverbrechen Israels weitergehen,“ erklärt Ali Kahmeni, politisches und religiöses Staatsoberhaupt des Iran (Meldung von 17.10.23). Widerstandskräfte als Terroristen zu bezeichnen, um die militärische Gewalt der israelischen Regierung zu rechtfertigen, entspricht der Fehlstrategie Israels und seinem abscheulichen Unrecht. Die PLO wurde auch als Terrororganisation bezeichnet. Solche perfide Ablenkung dient dazu, die legitime Causa der Palästinenser in der Politik und in den Medien ganz unter den Teppich zu kehren. Bei Widerstand gegen eine Besatzungsmacht wie Israel gibt es kein Recht auf Selbstverteidigung seitens der Besatzer, nur die völkerrechtliche Verpflichtung, die Besatzung zu beenden. Das soll wohl in Deutschland niemand zu hören bekommen. Daher die fieberhaften PR-Aktivitäten von Israel und gesponsorten Journalisten in Europa.

Völkermord gegen die Palästinenser in Gaza

Israel ist jetzt angeklagt, Völkermord gegen die Palästinenser in Gaza zu begehen. Das Weiße Haus ist gefordert, seine Schuld anzuerkennen, wenn sie weiter Waffen an Tel Aviv liefert, mit denen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit begangen werden. Auf die Frage nach der Legalität dieser US-Waffenlieferungen an den Kriegsverbrecher Israel, schweigt die Pressesprecherin des Weißen Haus. (Meldungen Aljazeera 17.10.23)

Vergangenheit in Nahost: Ernsthafter Friedensprozess sieht anders aus

Es ist eine konstruierte Lüge, dass die israelische Regierung mit Gegengewalt ihre Bevölkerung schützen wolle. Sollte ihr die Sicherheit der Menschen in Israel wirklich am Herzen liegen, hätte sie und sämtliche vorhergehenden israelischen Regierungen längst einen ernsthaften Friedensprozess gestaltet und sich aus den okkupierten Territorien zurückgezogen. Die Weltstaatengemeinschaft musste jahrelang die Weigerung Israels mitansehen, unzählige völkerrechtsbindende UN-Resolutionen zu beachten, genauso wie die Nicht-Erfüllung von internationalen Verträgen, die den Rückzug Israels ebenso bestimmen.

Oslo-Abkommen nach wie vor gültig

Ein letzter Vertrag diesbezüglich ist das Oslo-Abkommen vom September 1993, das nach wie vor mit seinem Zeitplan für den Rückzug Israels gültig ist. Internationale Verträge sind einzuhalten. Einseitiger Bruch eines Vertrags macht einen Vertrag nicht ungültig, sondern ist Gegenstand von Strafe gegen den vertragsbrechenden Staat. Sanktionen gegen Israel sind deshalb überfällig. Die blutige Geschichte des 20. Jahrhunderts kennt die Konsequenzen einseitiger Brüche von internationalen Verträgen, die Hitler mit seiner Nazi-Bande schamlos riskierte.

Wie Nazi-Deutschland mit seinem Angriff auf europäische Länder

Was Israel den Palästinenser antut, ist dasselbe, was Nazi-Deutschland mit seinem Angriff auf europäische Länder tat, nämlich, Völker zu besetzen und zu unterdrücken. Daher die vielfältigen Widerstandsbewegungen in diesen Ländern: Die Résistance, der holländische, der polnische Widerstand, die grichieschen und jugoslawischen Partisanen. Freiheitlich gesinnte Völker sind nicht bereit, das Joch einer Fremdherrschaft zu dulden. Jetzt haben wir die Widerstandsbewegungen unter den besetzten Palästinensern mit Hamas, Hisbollah und anderen. Eigentlich kämpfen die Palästinenser in Gaza ums Überleben, wie schon der vorgelegte UN-Bericht vor dem Sicherheitsrat am 9.1.09, der Bericht des Roten Kreuzes, Human Rights Watch und Amnesty International schockierend einsehen lassen.

Unrealistisch, auf Traumata der alten Generation zu bauen

Die junge deutsche Generation lässt sich nicht täuschen, trotz der Propaganda-Lügen, die PR-Agenturen verbreiten. Auf Traumata der alten Generation zu bauen, ist unrealistisch und schadet nur der gerechten Sache des Friedens im Nahen Osten. Redaktionen sollten sich dem Kern des Friedensproblems, der Friedensverhinderung widmen: Die widerrechtliche Besetzung, ununterbrochene Landnahme Israels und seine verbrecherische Unterdrückung eines staatenlosen einheimischen Volkes.

Kein Krieg, sondern Vernichtungsangriffe auf Gaza

Von „Krieg“ in Zusammenhang mit der modernsten Militärmaschinerie Israels und ihre Vernichtungsangriffe auf Gaza zu schreiben, ist nicht nur völlig unangemessen, sondern absolut unzutreffend. Jeder Journalist, jeder Außenpolitiker weiß es: Israels Armee besitzt das Gewalt-Monopol, während die andere Seite – die Hamas mit den Palästinensern – über gar keine Armee, keine Marine, keine Luftwaffe verfügt. Überhaupt nichts dergleichen. Null.

Türkei, dass einzige islamische Land, das die Massaker der Israelis völlig angemessen stark verurteilt

Es ist eine Schande für die sogenannten „gemäßigten“ arabischen Staaten, Ägypten und Saudi-Arabien unter anderen, sich nicht mit den leidenden Palästinensern solidarisiert zu haben. Das einzige islamische Land, das die Massaker der Israelis völlig angemessen stark verurteilt, ist die Türkei. Die israelischen Vernichtungsangriffe auf Gaza haben alle Mäßigkeit übersprungen. Der israelische Angriff auf Gaza ist ein brutalster verheerender Angriff der Extra-Klasse. Keine „gemäßigte“ arabische Regierung hat bisher diplomatische Beziehungen mit Tel-Aviv abgebrochen, wie es die Umstände erfordern. Keine von ihnen hat sich von dem abscheulichen Morden der israelischen Militärmaschinerie in Gaza klar distanziert. Was von diesen arabischen Ländern an die Öffentlichkeit gelangt, ist unwürdig und armselig.

EU und USA, die großen Verlierer der unmenschlichen Zuspitzung dieser Krise

Die Tage dieser zweideutigen, arabischen Regierungen und Autokraten sind gezählt. Schon ist ihr Einfluss stark beeinträchtigt, ja vermindert. Das ist auch das Problem aller Nahost-Vermittler, einschließlich der USA und der EU. Eigentlich sind die EU und die USA die großen Verlierer der unmenschlichen Zuspitzung dieser entsetzlichen Krise.

Schon US-Präsident Dwight Eisenhower konnte nur durch massiven Druck Israel zwingen, sich im Jahr 1956 aus dem Sinai zurückzuziehen.

Härte und Entschlossenheit gegenüber dem israelischen Premier vonnöten, wie 2012 seitens US-Außenministerin Hillary Clinton

Schwäche vor Israel ist ein kapitaler Fehler. Im Gegensatz zu dem gegenwärtigen US-Außenminister Antony Blinken und im Gegensatz zu seinen europäischen Kollegen spielte die damalige US-Außenministerin Hillary Clinton eine wirksame Rolle gegenüber dem Täter der Luftangriffe auf Gaza im November 2012. Sie erreichte mit Härte und Entschlossenheit vor dem israelischen Premier, die israelischen Angriffe auf Gaza zu stoppen. Da war „Druck, massiver Druck“ nötig, hieß es später in der Presse. Diese Lektion ist nicht zu ignorieren, vor allem im Vordergrund der Reise von US-Präsident Joe Biden nach Tel-Aviv am Mittwoch 18.10.23. Sonst stellt der Eintritt von Joe Biden in Israel eine Manifestation von abscheulichen Zynismus und Hohn bloß. Washington darf nicht einmal eine minimale Idee eines israelischen Premiers zulassen.

Ein kurzer Blick auf die Evolution der Nahost-Politik des US-amerikanischen politischen Apparates dient zur Aufklärung der Lage:

1956 forderte ein empörter Präsident Dwight Eisenhower den Rückzug Israels aus Sinai und Gaza bis spätestens im Jahr 1957. Sonst würden die USA militärisch eingreifen.

1982 forderte Ronald Reagan den sofortigen Rückzug der israelischen Truppen aus Beirut.

1991 musste der damalige Außenminister James Baker enormen Druck auf Israel ausüben, um es zu zwingen, an der Madrid-Konferenz teilzunehmen, wo die PLO zum ersten Mal repräsentiert war (1991).

Heute muss ein zu erhöhter, starker Druck dringend die Aufhebung der Blockade und die Öffnung der Grenze in Gaza erzielen, und dann muss der Druck aus Washington, London und Paris erreichen, dass sich Israel aus allen geraubten Territorien zurückzieht, die den Palästinensern und Syrien gehören.

Joe Biden inszeniert Ablenkungsmanöver

Mit seinem humanitären Hilfe-Plan für Gaza – zusammen mit Israel – inszeniert Joe Biden ein Ablenkungsmanöver, um seinen Unwillen zu vertuschen, gegen das Unrecht Israels zu handeln. Nur durch Härte und Druck konnte 2012 die US-Außenministerin Hillary Clinton auf die sture gewalttätige israelische Regierung einwirken, um prompt ein akzeptables Zugeständnis von Tel Aviv zu erlangen. US-Präsident Biden, sein Außenminister Antony Blinken und alle europäischen Außenminister machen sich selbstverständlich schuldig, wenn sie keinen Druck auf Israel ausüben, eine realistische Konsequenz aus der jahrzehntelangen Aggressivität Israels zu ziehen, nämlich dass eine Politik ohne Druck, ohne Sanktionen gegenüber der sturen Netanjahu-Regierung einfach nicht funktioniert.

Sich im Sinne des Rechts äußern

Es wäre angebracht, dass sich Antony Blinken in bezug auf das Massaker in Gaza im Sinne des Rechts äußert. Die verbrecherischen Untaten der israelischen Armee sind weltweit bekannt. Verschiedene Berichte von humanitären Organisationen, die gerade in Gaza waren, könnten ihm erläutern, was in Gaza wirklich geschieht. Über Selbstverteidigung zu sprechen, ist bloße Plumpheit.

Kriegsverbrecher vor Gericht

Es gibt kein Recht auf Selbstverteidigung für eine Besatzungsmacht wie Israel, sondern nur die Verpflichtung die Besatzung zu beenden. Es gibt kein Recht auf Selbstverteidigung für einen Aggressor, wie auch der bekannte amerikanisch-jüdische Sprachwissenschaftler, Noam Chomsky, öffentlich erkannte. (Interview Rheinischer Merkur Nr.3/2009). Für keinen Kriegsverbrecher, für keinen Straftäter gegen die Menschheit gibt es Selbstverteidigung. Sie gehören einfach vor Gericht.

Angemessenes Verhalten gegenüber einem starrsinnigen sich verweigernden Staat angesagt

Israel ist unter Druck zu setzen, um sich von allen okkupierten Territorien zurückzuziehen. Anstatt sich zum Nahen Osten irreführend zu äußern, sollte sich Joe Biden die Zeit nehmen, um über das Verhalten Israels nach zahlreichen UN-Resolutionen nachzudenken. So kann er die richtige Antwort selbst finden, welches Verhalten gegenüber einem starrsinnigen, sich verweigernden Staat angemessen ist. Gegen das Urteil der Menschheit kann sich kein Land der Welt behaupten. Die USA auch nicht.

Was die Widerstandsbewegung Hamas und andere betrifft, sollten sich Blinken und Joe Biden noch einmal mit dem großartigen US-Engagement gegen das Nazi-Deutschland befassen: Die Widerstandsbewegungen gegen die Nazi-Besatzung in vielen europäischen Ländern waren die besten Alliierten der amerikanischen und britischen Truppen für die Befreiung Europas. Nur die Nazis bezeichneten sie als Terroristen. Nicht Washington, nicht London.