Reorganisation der internationalen Beziehungen

Nahostpolitik

Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 20.07.2018

Betr.: Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 17.7.18: „Ein sehr guter Anfang für alle“ von Julian Hans, SZ-Leitartikel vom 18.7.18: „USA – Dreifacher Verrat“ von Hubert Wetzel

Beginn eines längeren Prozesses

Der präsidentielle Gipfel in Helsinki zwischen dem Präsidenten Russlands, Wladimir Putin und dem der USA, Donald Trump, war eine lang ersehnte politische Begegnung, seitdem der US-Präsident Donald Trump im Amt ist (1. Januar 2017). Nach dem ungewöhnlich langen Gespräch der beiden Präsidenten unter vier Augen von zweieinhalb Stunden wurden die Außenminister beim Arbeitsessen hinzugeholt. Das gute Verständnis zwischen beiden führenden Staatsmännern könnte zum erforderlichen Schluss mit den verheerenden alten Politikverhältnissen in den USA und in der EU führen. „Der Gipfel ist der Beginn eines längeren Prozesses. Wir werden uns in Zukunft sicher noch oft treffen“. So der US-Präsident Donald Trump.

Wende zur Wiederherstellung normaler Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Russischen Föderation

Es war in der Tat ein sehr konstruktives Gespräch der beiden Präsidenten in Helsinki am 16.7.18, das neue Wege zum Frieden ebnet. Allein die Tatsache einer gemeinsamen Pressekonferenz, die hierzulande überhaupt nicht erwartet wurde, spricht für eine Wende zur Wiederherstellung normaler Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Russischen Föderation. Der Außenpolitiker Norbert Röttgen, Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses im Bundestag, schätzte das Treffen beider Präsidenten in Helsinki positiv für Europa ein, und die Außenministerin Österreichs, Karin Kneissl, die derzeit die EU-Ratspräsidenschaft innehat, begrüßte ebenso das Zusammenkommen von Trump und Putin.

Arbeitsgruppen vereinbart

In seinem Artikel „Ein sehr guter Anfang für alle“ in der SZ vom 17.7.18 berichtet Julian Hans: <“Es ist unser gemeinsamer Wunsch, die Beziehungen zu verbessern und Vertrauen wieder aufzubauen.“ sagte der russische Präsident. US-Präsident Donald Trump: „Unsere Beziehungen waren nie so schlecht. Aber seit vier Stunden hat sich das geändert“.> Es wurden Arbeitsgruppen vereinbart, wie auf der Pressekonferenz der beiden Präsidenten bekannt gegeben wurde.

Anliegen für Arbeitsgruppen und weitere Kontakte sind:

1.- Rüstungskontrolle und Cybersicherheit.

2.- Kontakte der Geheimdienste: Die beiden größten Nuklearmächte hätten eine besondere Verantwortung für die globale Sicherheit, betonten beide. Russland habe dafür eine Liste mit konkreten Vorschlägen vorgelegt.

3.- Russland werde dazu beitragen, dass Flüchtlinge aus Syrien in ihre Heimat zurückkehren können. In Syrien wollen beide Staaten auch dazu beitragen, einen Zusammenstoß syrischer und israelischer Truppen zu verhindern, um die Sicherheit Israels zu gewährleisten. (Angriffe Israels auf syrische Stellen sind zu stoppen.)

4.- Die Koordination zwischen den Militärstäben Russlands und der USA soll ausgebaut werden, eine Koordination, die in Syrien nach den Worten Trumps bereits gut funktioniert, manchmal „besser als die Politik“.

5.- Das Abkommen von Minsk zur Ukraine sei wichtig umzusetzen, sagte Putin. In dieser Sache habe Trump zugesagt, auf die ukrainische Führung einzuwirken. Über die Bewertung der Eingliederung der Krim an Russland gab es keine Einigung. (Jedenfalls bleibt die Krim russisch.)

6.- Der US-Präsident gab seinen Widerstand gegen die Pipeline „North Stream 2“ auf, die russisches Gas durch die Nordsee nach Deutschland leiten soll.

Schande: Rückständige US-Stimmen mit Echo bei deutschen Medien

Es liegt jetzt an den EU-Regierungen für Entspannung mit Russland zu sorgen und die prekäre Lage nicht weiter eskalieren zu lassen. Ein ernsthaftes Problem stellt das alte US-Establishment in Washington dar. Es sind dieselben Figuren unter den Republikanern und oppositionellen Demokraten, die ihre haltlose Kritik gegen den US-Präsidenten wiederholt erhoben. Es sind nur bodenlose Parolen, billige Sensationsmache ohne nennenswerten Einfluss. Eine Schande, dass solche rückständigen US-Stimmen ein Echo bei deutschen Medien bekommen. (Mittagsmagazin am 17.7. und ZDF-Auslandsjournal am 18.7.) Der US-Präsident eröffnet eine starke Debatte in Washington: „Es gilt nach vorne zu schauen, nicht weiter in die Vergangenheit“. Das bedeutet, die erforderliche Wende in der US-Außenpolitik zu vollziehen. Anstatt sich mit den Intrigen der Demokraten und den reaktionärsten Republikanern zu beschäftigen, hätte sich der SZ-Leitartikel von Hubert Wetzel „USA – Dreifacher Verrat“ (18.7.) mit dieser bevorstehenden Wende befassen sollen, die weltweit zu begrüßen ist, weil sie dem Weltfrieden dient. Russland ist kein militärischer Feind der USA. Die diskreditierten US-Politiker des alten erodierten US-Establishments, die die Beziehungen der USA zu Russland so weit verschlechtert haben, dass beide Länder sich fast im Kriegszustand befinden, sind die wahren Verräter an den USA, an der EU, an der gesamten Weltstaatengemeinschaft, an allen, die sich für den Frieden einsetzen, wie es das Völkerrecht verlangt. Der amtierende US-Präsident hat dem Frieden mit dem Treffen in Helsinki gedient zum Wohle Amerikas, Europas und der ganzen Welt. Eine Hexenjagd hat in einer Außenpolitik nichts zu suchen und deshalb auch nicht in deutschen Medien. Vorwürfe gegen Russland wegen einer angeblichen Einmischung in die Präsidentschaftswahlkampagne von 2016 sind erfunden, denn es gibt überhaupt keine Beweise dafür. Nirgendwo. Es gab keinen Grund für Trump, die diesbezügliche Aussage seines russischen Kollegen zu beweifeln.

Keine Rechtfertigung für NATO-Manöver

Die geäußerte „Sorge“ en vogue über das Militär Russlands als Rechtfertigung für die NATO-Manöver in Polen und im Baltikum hat mit den realen internationalen Verhältnissen gar nichts zu tun. Im Gegenteil.

US-Militäretat: 685 Milliarden Dollar plus weitere NATO-Staaten versus Russland: 60 Milliarden Dollar

<Zwar haben die Vereinigten Staaten zur Rechtfertigung der vielen Kriege, die sie nach dem Zweiten Weltkrieg geführt haben,… viel von Menschenrechten und Demokratisierung gesprochen, aber in Wahrheit ging und geht es immer um Absatzmärkte und Rohstoffquellen. Um diese Interessen auch militärisch durchzusetzen, verfügen die USA über den größten Militäretat der Welt. Nach den Zahlen des Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI betrugen die Militärausgaben der USA im Jahr 2017 rund 610 Milliarden US-Dollar weiter deutlich vor Russland, 60 Milliarden Dollar und China, 228 Milliarden Dollar,das auf Platz 2 nach der USA steht. Trotz wachsender Spannungen mit dem Westen gab Russland laut SIPRI-Studie 2017 20 Prozent weniger aus als im Vorjahr. Die NATO-Mitglieder geben zusammen 1000 Milliarden Dollar für den Militärsektor aus und fühlen sich dennoch von Russland, das 60 Milliarden ausgibt, mächtig bedroht. > (Oskar Lafontaine bei Maybrit Illner am 12.7.) Grotesker ist es kaum vorstellbar. Hochgerüstet ist auch der Nahe Osten. Sieben der zehn Länder mit dem größten Rüstungsbudget im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt befinden sich in dieser Region.

Völlige Unverhältnismäßigkeit der militärischen Stärke der NATO-Staaten gegenüber Russland

Daniel Brössler bemerkte schon vor drei Jahren diesbezüglich zweimal aufeinanderfolgend treffend: „Gerade die irrsinnige Konfrontation der EU mit Russland entfremdet die Ost-Staaten, vor allem die Partnerstaaten Russlands, wie Weißrussland und Armenien, was ihnen eine Annäherung mit der EU erschwert.“ (SZ 23.5.15, Seite 9) Aber der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg verkehrt immer wieder vorsätzlich die Weltverhältnisse, um die NATO-Aggressivität als „defensiv und verhältnismäßig“ zu vertuschen. Deshalb ignoriert er die Feststellung des jüngsten SIPRI-Berichts, der das militärische Ungleichgewicht, ja, die völlige Unverhältnismäßigkeit zwischen der militärischen Stärke der NATO-Staaten und Russlands klarstellt.

USA und EU-Europa am höchsten aufgerüstete Regionen der Welt

Die USA und EU-Europa bleiben die am höchsten aufgerüstete Regionen der Welt. Russlands Militärausgaben sind dagegen weit vermindert. Dem jüngsten SIPRI-Bericht mit seinen absoluten Zahlen sollten die Medien nachgehen, um dieses enorme Ungleichgewicht gegenüber Russland zugunsten der USA/EU zu erkennen und darüber zu informieren, so dass die verheerende NATO-Propaganda aus der Brüsseler Zentrale mit Fakten fair und sachlich konterkariert wird.

Verstörte Sicht von NATO-Sekretär und anderen Kriegswahnsinnigen entlarven

Wie viele Militärstützpunkte haben die USA und ihre Alliierten in der ganzen Welt, wie viele Russland oder China? Diese Recherche und dieser Vergleich allein genügen, um die Lüge, die grobe Falschheit, die verkehrte und verstörte Sicht von NATO-Sekretär Jens Stoltenberg und anderen Kriegswahnsinnigen zu entlarven. Nichts, was die NATO tut, ist defensiv und verhältnismäßig. Im Gegenteil. Die Fakten sprechen für sich selbst. In Europa gibt es zudem immer noch US-Militär-Infrastrukturen, wie das Raketenabwehrsystem, taktische Nuklearwaffen und konventionelle Kräfte, die die regionale und globale Lage destabilisieren. Es ist notwendig, mit Realismus und ohne Filter das krude Verhalten der US-Regierung und ihres industriellen Militärkomplexes wahrzunehmen, um nicht weiter in Selbsttäuschung und Täuschung der Öffentlichkeit zu verfallen.

Trump: NATO ohne ewige Privilegien

Der unabhängige Journalist Thierry Meyssan klärt uns über Trumps Vorhaben gegenüber der NATO auf: <Er beginnt von da an der NATO zu zeigen, dass sie keine ewigen Privilegien habe. … Vor allem beginnt er, ihre anti-russische Tendenz einzudämmen. So verhandelt er mit Moskau über die Annullierung der Manöver der Allianz in Osteuropa. … Auf diese Weise bereitet er sich darauf vor, das Ende der NATO herbeizuführen, wenn er es für möglich erachtet.> (voltairenet.org, 3.7.18)

Auf dem NATO-Gipfel am 11./12.7.18 hat Donald Trump das US-Verlassen der NATO angesprochen. NATO-Journalisten und -Cliquen bezeichnen fälschlicherweise dieses präsidentielle Statement als „Bedrohung“. So weit die Nervosität und Lähmung der EU-Staaten, die nicht bereit sind, eine zivilisierte Außenpolitik zu gestalten.

Trumps Politik gegen die Interessen der transnationalen herrschenden Klasse

Thierry Meyssan weiter: <Dieser Moment (Ende der NATO) wird erst kommen, wenn die Destrukturierung der internationalen Beziehungen gleichzeitig ihren Höhepunkt in Asien (Nordkorea), im erweiterten Nahen Osten (Palästina und dem Iran) und in Europa (EU) erreicht haben wird.

Was man sich merken soll: Präsident Trump ist absolut nicht die „unberechenbare“ Person, wie gesagt wird. Im Gegenteil, er handelt vollkommen überlegt und logisch. Donald Trump bereitet eine Reorganisation der internationalen Beziehungen vor. Diese Veränderung geschieht durch einen vollständigen und plötzlichen Umbruch und gegen die Interessen der transnationalen herrschenden Klasse gerichtet.> („Was Donald Trump vorbereitet“ von Thierry Meyssan, voltairenet.org, 3.7.18)

EU-Ratspräsident Donald Tusk verirrt

Der EU-Ratspräsident Donald Tusk schweift ab, ja, er irrt sich gewaltig, als er Europa den USA einverleibt und Russland nicht als Teil von Europa sieht. Er schwärmt von einer inexistenten „globalen Weltordnung“, die „den Kalten Krieg“ beendet und „Europa Frieden gebracht habe“. Die Kriege in Jugoslawien und insbesondere die NATO-Bombenangriffe auf Serbien und Montenegro 1999, der Krieg am Donbass seit 2014 und die EU/NATO- Kriege in Libyen, Syrien, Mali, Somalia, Afghanistan und anderswo sind ihm völlig egal. Der Pole ist unfähig, das zu sehen und es zu sagen. <Diese Ordnung hat China Entwicklung gebracht? Wohl eher hat sich die Volksrepublik ihre Entwicklungsmöglichkeiten erkämpft, weil sie sich eben nicht der von Washington, Berlin und Brüssel diktierten „Ordnung“ unterworfen hat. Es ist diese Ordnung, die Tusk so liebt, die Tausende Menschen im Mittelmeer ertrinken lässt und Retter, die das verhindern wollen, verfolgt. … Es ist eine Ordnung, in der deutsche und andere Konzerne Milliardenprofite machen, indem sie Rüstung in Kriegsgebiete verkaufen. … Es ist eine Ordnung, in der Millionen Menschen Hunger leiden, weil Konzerne Saatgut patentieren lassen… Es ist diese Ordnung, in der „Demokratien“ wie die Bundesrepublik Deutschland Polizeigesetze erlassen… Herr Tusk, Sie irren sich: Diese globale Weltordnung muss zerstört werden!> („Donald Trump und Donald Tusk – Globale Weltordnung“ von André Scheer, Leitartikel in Junge Welt, 17.7.18)

EU: Machtvehikel der Herrschenden Deutschlands, kein Thema in Helsinki

Die EU war nicht in Helsinki am Treffen des US-Präsidenten Trump mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin beteiligt, und sie war auch kein Thema für beide Staatsmänner. Die EU dient tatsächlich als Machtvehikel der deutschen herrschenden Klasse.