Mit dieser trügerischen, vom Kolonialwahn geprägten Politik gegenüber der arabischen Welt nicht weiter kollaborieren

Nahostpolitik

Von
Luz María De Stefano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 16.10.2014

So besessen und blind fanatisiert bleibt der türkische Premier Erdogan, dass er anstatt die mörderischen IS-Banden zu bekämpfen, lieber eine Intervention gegen den syrischen Präsidenten in Damaskus arrangieren will. Jedoch will die Türkei den Einsatz nicht allein übernehmen. Aber bisher zeigt kein Verbündeter in der Anti-IS-Allianz die Bereitschaft zum Einsatz am Boden. Kein NATO-Land und auch keiner der neuen arabischen Verbündeten der Anti-IS-Allianz ist bereit, Bodentruppen nach Syrien zu schicken. Es überwiegen die Ängste vor einem großen Krieg. Die Kurden wollen auch keine türkischen Soldaten in Kobane haben. US-Außenminister John Kerry sagte der „Voice of America“, man müsse wissen, dass „verschiedene Seiten die Türkei nicht in Kobane haben wollen, einschließlich der Kurden, der Iraker, der Syrer und so weiter“ (auch Amerika und die gesamte NATO nicht). Der Fraktionschef der Linkspartei im saarländischen Landtag, Oskar Lafontaine: <Wer heute US-geführte Militäreinsätze in der Welt mit eigenen Truppen oder mit Waffenlieferungen unterstützt, lässt sich in eine US-Außenpolitik einbinden, die seit dem Zweiten Weltkrieg eine Blutspur mit Millionen Toten um den Erdball gezogen hat. Es geht bei den Diskussionen um die Beteiligung der Bundeswehr an den Militärinterventionen der letzten Jahre… im Kern um die Frage, ob die Bundeswehr diese Außenpolitik der USA zur Sicherung von Rohstoffen und Absatzmärkten unterstützt. … Auch heute lehnt die Mehrheit der Bundesbürger Waffenexporte und Kriegseinsätze der Bundeswehr im Ausland ab. Die Linke hat … die bessere Antwort…. In ihrem Grundsatzprogramm steht: „Wir schlagen die Einrichtung eines zivilen Hilfscorps vor, des Willy-Brandt-Corps für internationale Katastrophenhilfe. Es ist die friedliche Alternative zur Armee im Einsatz.“> (Oskar Lafontaine, „Abgeschrieben“, Junge Welt, 11.10.14)
Die Türkei behauptet also, Krieg gegen die „IS“-Milizen zu führen, bekämpft aber Kurden in Rojava. Sollte aber die Türkei versuchen, diese Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen, werden die Kurden Widerstand leisten. Deutschland und andere Staaten müssen aufhören, Kriege zu schüren und beide Konfliktparteien mit Waffen zu bedienen. <Die Türkei treibt ein schmutziges Spiel. Sie fordert Bodentruppen und Flugverbotszonen in Syrien. Der IS hat aber keine Flugzeuge. Es geht um Assad. Die Kurden sind wütend und protestieren gegen das „Tun“, bzw. gegen die Untaten der türkischen Regierung: Die IS-Milizen können auf stillschweigende oder aktive Unterstützung durch die türkische Armee zählen. Gleichzeitig werden kurdische Freiwillige, die sich an der Verteidigung Kobanis beteiligen wollen, am Grenzübertritt gehindert und Zurückkehrende als „PKK-Terroristen“ verhaftet. Ziel Ankaras ist nach wie vor der Sturz der syrischen Regierung und eine Vergrößerung des eigenen Einflusses in den Nachbarländern. Dafür braucht Ankara die Eskalation in Syrien, und die hat sie bereits mehrfach zu provozieren versucht.> („Kobani, Türkei und die „Tagesschau“ – Schmutziges Spiel“ von André Scheer, Junge Welt, 10.10.)
IS wurde von den USA bewaffnet, finanziert und ausgerüstet. Überdies ebenso wie Al-Qaida ist IS ein Instrument der Gesamtstrategie der USA, eine (kriminelle) Strategie, die schon vor Jahrzehnten entworfen wurde, um den vollen Zugriff auf das Öl als wichtigste Energiereserve zu haben. (Teile und Herrsche – Kolumne von Mumia Abu-Jamal, Junge Welt, 6.10.14)
<Zwar haben die Vereinigten Staaten zur Rechtfertigung der vielen Kriege, die sie nach dem Zweiten Weltkrieg geführt haben,… viel von Menschenrechten und Demokratisierung gesprochen, aber in Wahrheit ging und geht es immer um Absatzmärkte und Rohstoffquellen. Um diese Interessen auch militärisch durchzusetzen, verfügen die USA über den größten Militäretat der Welt. Nach der Zahlen des Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI für das Jahr 2013 liegen sie mit 685 Milliarden Dollar weiter deutlich vor China, 188 Milliarden Dollar, und Russland, 88 Milliarden Dollar. Die NATO-Mitglieder geben zusammen 1000 Milliarden Dollar für den Militärsektor aus und fühlen sich dennoch von Russland, das 88 Milliarden ausgibt, mächtig bedroht. Mit dieser Bedrohung wird die Kampagne für höhere Rüstungsausgaben, die zur Zeit in deutschen Medien läuft, begründet, wie schon zu Zeiten des Kalten Krieges.> (Oskar Lafontaine. „Abgeschrieben“, Junge Welt, 11.10.14)
<Assad hat den Amerikanern einen Informationsaustausch über Terrorismus in seinem Land auf der Basis der Gegenseitigkeit angeboten. Die Amerikaner lehnten das ab, weil sie Al-Nusra agieren ließen, und auch die anderen extremistischen Gruppen und IS in Syrien arbeiten lassen.> So Jürgen Todenhöfer.
IS-Terror ist nicht militärisch zu bekämpfen. Der Nachschub für den IS sollte ebenso unterbunden wie seine Finanzierung, wie die jüngste UN-Resolution gegen den Terror vom 24.9. verlangt. Es gibt keinen Grund für einen UN-Sicherheitsrats-Mandat und es wird auch keinen UN-Sicherheitsrats-Mandat geben, weil kein Land angegriffen worden ist. Frankreichs Staatspräsident François Hollande unterstützt die türkische Initiative, eine Pufferzone für Flüchtlinge zwischen Syrien und der Türkei einzurichten. Die erklärten Ziele sind die Etablierung einer Flugverbotszone im Norden Syriens, die Einrichtung von „sicheren Gebieten“ auf syrischem Territorium und die militärische Unterstützung von Rebellengruppen, die gegen Damaskus kämpfen. Schon das zeigt, dass nicht die Schwächung des IS das eigentliche Ziel des Vorhabens ist. Der „Islamische Staat“ verfügt über keine Luftwaffe, die No-Fly-Zone wäre daher in erster Linie gegen die Regierung in Damaskus gerichtet. „The Washington Institut for Near East Policy“ nennt die Eckpunkte der neoosmanischen Interessenpolitik: „Seit 2011 lag die Priorität der Türkei darauf, Assad zu besiegen.“ NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte allerdings, der Plan sei „unrealistisch“ (9.10). Ulla Jelpke berichtet: <Schließlich regieren in Kobani nicht feudal-korrupte Clans wie im Nordirak. … Die demokratische Selbstverwaltung, die alle ethnischen und religiösen Bevölkerungsgruppen einbezieht, bricht mit dem Prinzip von Teile-und-Herrsche im Nahen Osten, dessen Nutznießer stets die westlichen Großmächte waren (und immer noch sind), die sich als Retter der scheinbar nicht zur Demokratie fähigen Völker aufspielen.> („US-Luftschläge sind Luftnummern – Komplott gegen Kobani“ von Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, Junge Welt, 8.10.14)
Karin Leukefeld: <Der stellvertretende syrische Außenminister Feisal Mekdad bekräftigte, dass Damaskus die „syrischen Bürger“ in Kobani unterstütze und deren „großartigen Widerstand“ gegen die Kämpfer der terroristischen Organisation IS sehr schätze. Das Vorhaben Ankaras, eine Pufferzone im Norden Syriens einzurichten, wies Mekdad als „Angriff auf die Souveränität und staatliche Integrität Syriens“ zurück. Auch kritisierte er scharf den französischen Präsidenten Hollande für dessen Bekundung, die Türkei beim Völkerrechtsbruch unterstützen zu wollen. Beide Staaten unterstützten bereits „terroristische Organisationen“ in Syrien, so Mekdad (8.10). Sie verletzten die UN-Charta und Resolutionen des Weltsicherheitsrates, die alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zum Kampf gegen Terrorismus aufriefen. Mekdad verwies dabei insbesondere auf die UN-Sicherheitsratsresolutionen 2170 und 2187, in denen jegliche Unterstützung von ausländischen Kämpfern in Syrien und Irak (explizit) verurteilt wird.
Auch Russland sieht keine legale Grundlage für die einseitige Einrichtung einer Pufferzone in Syrien. Im Übrigen seien die von den USA geführten Luftangriffe auf Stellungen des „Islamischen Staates“ in Syrien nicht vom UN-Sicherheitsrat autorisiert und würden „die Flammen der radikalen Denkweisen in der Region „weiter anfachen“. So Alexander Lukaschewitsch, Sprecher des Außenministeriums am 9.10.2014
Auch der Iran warnte die Türkei vor der Errichtung einer Pufferzone im Nachbarland. Der stellvertretende Außenminister Hossein Amir Abdollahhian sei im Gespräch mit der Türkei und hoffe, dass Ankara „die Krise in der Region nicht weiter eskaliert“, sondern „eine positive Rolle“ einnehmen werde.“Die Islamische Republik Iran wird alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um den Kurden in Kobani zu helfen, so wie sie bereits die syrische Regierung bei ihrem Kampf gegen den Terrorismus unterstützt“, sagte Abdollahian am 9.10. in Teheran. Am besten hätte die Türkei alle militärischen Basis der USA/NATO schließen und aus der NATO austreten müssen. Es wäre der erste ernste Schritt für eine wirkliche Entspannung in der ganzen Region.
<Ankara will mit der „Pufferzone“ auf syrischem Gebiet seinen territorialen, politischen und wirtschaftlichen Machtbereich ausdehnen. … Der Norden Syriens gehört zu den fruchtbarsten Gebieten des Landes und verfügt über Ölfelder. Gleichzeitig entspricht die Einrichtung einer Pufferzone dem Wunsch der vom Westen anerkannten syrischen oppositionellen nationalen Koalition. Die Gruppe hat ihren Sitz in der Türkei und gibt an, militärisch in Syrien durch die „Freie Syrische Armee“ (FSA) und andere Kampfverbände vertreten zu sein.>(Artikel „Ankaras Landnahme: Die Türkei will im Norden Syriens eine „Pufferzone“ einrichten. Ziel ist Vergrößerung des eigenen Machtbereichs und ein „Regime Change“ in Damaskus. Von Karin Leukefeld, Junge Welt, 11./12.10.)
<Die US-Regierung erweist sich, wie früher, wieder einmal als Meisterin der kontraproduktiven Kriegführung. … In ihrer Selbstgefälligkeit und Überheblichkeit beansprucht die US-Regierung, für die Völker des Nahen Osten zu sprechen. Sie ignoriert im Falle Syriens, dass sowohl die Regierung in Damaskus als auch die Islamisten jeweils einen erheblichen Teil der Bevölkerung hinter sich wissen, während die USA außer einer Handvoll berechnender Opportunisten kaum Verbündete im Land haben. Präsident Barack Obama ist auch dabei eine totale Fehlbesetzung.> („Stärkung der Islamisten“ von Knut Mellenthin, Junge Welt, 29.9.) Alles, was die USA angefasst haben, Irak, Libyen, Syrien endete in einem Fiasko mit Hunderttausenden Toten.
<Wer Krieg exportiert, erhält ihn zurück. Die noch nicht getilgten Spuren des Zweiten Weltkrieges geben darüber Auskunft, aber auch die Rückwirkungen von über 500 Jahren blutiger Kolonialherrschaft. Die neokolonialen Feldzüge werden vor allem von den USA, Großbritannien und Frankreich nach der offiziellen Beseitigung des Kolonialismus permanent geführt. Das Neue seit dem Untergang der Sowjetunion ist die Vervielfältigung von Hinrichtungskriege in allen Teilen der Welt unter der Flagge der Moral, der Menschenrechte und der Demokratie. Das imperialistische Programm einer globalen Apartheid, in Washington als „Neue Weltordnung“ entworfen, sieht vor … die Neuaufteilung von Einflusssphären.
Das deutsche Großkapital fürchtet nichts mehr als das Nicht-Dabeisein. … „Die Krisen in der Ukraine und im Irak treffen ins Zentrum deutscher Interessen.“(Deutschlandfunk) In Osteuropa geht es um Schwächung und langfristig um die Auflösung der Russischen Föderation… In Westasien ist ein deutscher Beitrag für den Erhalt der elenden Hinterlassenschaft von Großbritannien, Frankreich und den USA gefordert. … Die Würfel sind gefallen, in Washington, London, Paris und Berlin wird eine einmalige Chance vor dem Aufstieg Chinas, Indiens oder gar Russlands gewittert. Hinzu kommt: Imperialistische Kriege richten sich stets gegen das eigene Land. Sie fördern Spaltung und Unterdrückung der Opposition… und die Durchsetzung jeder staatlichen Bestialität im Innern, wenn die Krisen und Kriege zurückkehren. Das werden sie.> („Neue Einsätze der Bundeswehr – Krieg außen und innen“ von Arnold Schölzel, Junge Welt, 6.10.14)
Eine Art europäisch-nordamerikanisches Gewohnheitsrecht hat im Nahen Osten den Terror gesät und verbreitet. <Das folgende demokratische Kriegsverbrechen war (und ist) monströser: Im Februar 1920 erkundigte sich der damalige britische Kolonialminister Winston Churchill bei der Royal Air Force, ob die rebellischen Kurden nicht mit Gasbomben niedergehalten werden könnten. Gefragt, getan: Neben Gas regnete auf die unbotmäßigen „Stämme“ erstmals Phosphor von oben, jahrelang immer wieder. Die USA setzten es in ihren Irak-Kriegen 70 Jahre später und ab 2003 wieder ein. Auch eine Art Gewohnheit.> (Leitartikel: „Linke-Politiker für Militär nach Syrien – Aura des Moralischen“ von Arnold Schölzel, Junge Welt, 9.10.14) Aber die Barbarei wird auch manifest durch die Sprachwidrigkeit aus den USA: Eine als weltweit beispielhafte, demokratische, als Menschenrechte achtend bezeichnete Regierung, spekulierte 1991, wieder Atomwaffen einzusetzen, „um den Krieg zu gewinnen“, um so die führende Macht in der Welt zu bleiben. Eine solche Macht ist es nicht wert, nicht einmal den letzten Platz in der Weltordnung zu haben. („Amerikas Vizepräsident Dan Quayle: USA halten Atomwaffen Einsatz für denkbar“. SZ 2./3. Februar 1991. „Should a nuclear bomb be used against Irak?“. Time International Nr.5, 4.Februar 1991). Die kaltblütige Skrupellosigkeit der US-Regierungen war ebenso manifest den gesamten Kalten Krieg entlang, als sie Europa durch ihre Konfrontation mit der Sowjetunion am Rande eines Atomkriegs setzten und die Auslöschung Mitteleuropas in Kauf nahmen. Europa und die ganze Welt müssen sich davor wehren, bevor es zu spät ist. Ein barbarischer Staat im wahrsten Sinne des Wortes, der sich außerhalb zivilisierten Normen benimmt, gehört nicht zur Weltstaaten- und Völkergemeinschaft, sondern ist streng zu isolieren.
Völkerrecht hat im Umgang des Westens mit den Nationen des Nahen und Mittleren Osten noch nie eine Rolle gespielt. Der Krieg gegen Syrien seit 2011 setzt das fort. Der Hamburger Jurist Reinhard Merkel hat diese Variante „demokratischer Intervention“ 2013 als die „verwerflichste“ bezeichnet. Die Intervenierenden übernähmen „die vermeintliche und absurde Rolle von Unschuldigen“… Wir sind es nicht, die in Syrien töten, wir helfen nur einem unterdrückten Volk. … Wer allerdings über den Syrien-Krieg des Westens schweigt…, der kann selbstverständlich vom Krieg zur Zerschlagung des säkularen syrischen Staates nicht reden, schon gar nicht von der Notwendigkeit, mit dessen Repräsentanten über Aktionen gegen die Mordbanden zu sprechen. Der kümmert sich nicht ums Völkerrecht, und der redet schon nicht mehr über einen souveränen Staat, der mit äußerster Perfidie zerstört wird.> (Leitartikel: „Linke-Politiker für Militär nach Syrien – Aura des Moralischen“ von Arnold Schölzel, Junge Welt, 9.10.14)
Aus erfahrbaren guten Gründen hätte Deutschland eine neue politische Rolle für Europa und eine Weltverantwortlichkeit übernehmen müssen. Dafür hat Berlin aber versäumt, zusammen mit seinen gutwilligen Nachbarn ein neues Denken in den internationalen Verhältnissen zu fördern und sich entschlossen von der inhumanen, wahnsinnigen Kriegslogik zu distanzieren. Mit aller seiner Kraft sollte Berlin alle politischen und diplomatischen Mitteln dafür einzusetzen, dass die Gewalt ohne weitere kriegerische Erpressung sofort eingestellt und die Differenzen durch Verhandlungen gemäß der Völkerrechtsprinzipien und der Gleichbehandlung für alle Staaten gelöst werden. Diese höchste Herausforderung und schwierigste Aufgabe hat das vereinte Deutschland nicht politisch gewachsen entgegengetreten. Seine politische Handlungsfähigkeit in der internationalen Arena hat sich auf dem Prüfstein der Weltpolitik bisher nicht bestanden.
Eine erfolgreiche deutsche Außenpolitik mit klarer Richtung würde für Deutschland eine weltweite ehrenvolle Anerkennung in der internationalen Arena bedeuten, wenn sein weltpolitisches Handeln, prinzipiell und in der Tat, sich allein rechtlicher, nicht aber gewaltsamer Mittel bedient. Deutschland folge so seinem höchsten grundsätzlichen Mandat „dem Frieden in der Welt zu dienen“, mit Verantwortung und unter Ausnutzen aller Kreativität und Intelligenz, damit Gerechtigkeit herrscht.
Deutschland und Europa haben aber den falschen Weg befolgt. Sie haben sich von dem längst überwunden geglaubten Geist des Kolonialismus dirigieren lassen, der von Frankreich und Großbritannien ausgeht. Der britische Versuch, eine neue Sicherheitsordnung im Nahen Osten mit Paris abzusprechen, hat keine Legitimation. Keine in dieser Region fremden kriegerischen Mächte können erwarten, von einem arabischen bzw. islamischen Volk anerkannt zu werden, um dort nach Zerstörung und Tod der Bevölkerung, die Gründung einer Ordnung gemäß ihrer fremden Interessen zu beanspruchen. Wenn auch die USA heimliche Versprechen an Israel über ein mögliches Nachkriegsabkommen macht, engagiert sich das Weiße Haus in derselben Doppelsinnigkeit wie Großbritannien und Frankreich damals zu Zeiten ihrer imperialen Herrschaft in dieser Region.
Jürgen Todenhöfer: <Die Amerikaner haben erst bombardiert, als der IS nach Irak gegangen ist und dort die sogenannte strategische Pipeline des Irak besetzt hat. Als IS diese strategische Pipeline stilllegen konnten, da haben die Amerikaner angefangen zu bombardieren. Es ist also nicht wegen der Menschenrechte oder wegen dem Kopfabschneiden in Saudi-Arabien – da wird manchmal pro Monat 30 Menschen der Kopf abgeschlagen,… das hat die Amerikaner nie interessiert. Sie haben interveniert als IS die strategische Pipeline im Irak besetzt hat und da waren amerikanische Interessen berührt. Der Brandstifter steht als Feuerwehrmann auf und all seinen Verbündeten, die sagen, ihr müsst jetzt alle helfen und auch bombardieren oder Waffen liefern… Die Amerikaner haben im Irak und in Syrien, alles so falsch gemacht, dass das Problem fast unlösbar ist und es ist auf jeden Fall nicht durch die Amerikaner lösbar. Dieses Problem nennen wir Terrorismus, aber die Araber nennen Terrorismus das, was die Amerikaner in ihren Ländern tun. ISIS konnte in Syrien machen was sie wollten. Dieses Problem können nur die arabischen Länder selber lösen…
Die Medien sprechen häufig im Zusammenhang mit dem Kampf gegen IS von der Türkei, von den USA, auch von der Rolle Deutschlands – von wem eigentlich zur Zeit kaum jemand spricht ist von Syriens Präsidenten Baschar Al-Assad. Ein „SPD-Außenexperte“ sagte Assad habe den IS erst groß gemacht, eine Absprache mit ihm im Kampf gegen IS könne es deswegen nicht geben. Diese Dummheit kursierte auch im Presseclub aus dem Mund eines dubiosen Schweizer Journalisten, der in der Sendung nur Verwirrung stifte.
<Der SPD-Außenexperte lebt dann auch davon, dass Dummheit nicht strafbar ist. Mit seiner Argumentation hat natürlich Amerika alle Terroristen groß gemacht. Sie bombardieren und dann entsteht Terrorismus. Assad wurde angegriffen von Rebellen, teilweise von demokratischen Rebellen,… aber wenn bombardiert wird, entsteht Terrorismus und das ist dort auch so und da dürfte dieser SPD-Bundestagsabgeordnete nicht mehr mit Amerika reden. Das man eine solche Argumentation der Öffentlichkeit zumutet, ist doch eine Frechheit. Der größte Teil des Terrorismus im Nahen Osten ist entstanden durch die ständigen Überfälle des Westens (auf) die arabischen Länder und durch seine Anti-Terror Kriege dort…. Diese Obergurken, die das alles kritisiert haben, die sitzen jetzt vor einem unlösbaren Schlamassel. Assad war bereit Kontakte zu den USA aufzunehmen… Er hat versucht gemäßigte Kräfte der Opposition aufzunehmen und ganz deutlich gemacht, dass er nicht auf Lebenszeit Präsident bleiben möchte und das will er auch nicht. Man hätte alle Probleme lösen können. Nur die Helden aus Amerika haben gesagt mit dem reden wir nicht. Die haben ein Bündnis geschlossen mit Stalin und mit Assad reden sie nicht und jetzt haben sie den Schlamassel.
Der Einsatz der USA ist demnach auch jetzt falsch… Die Bombardements führen wie immer zu einem Wachstum des Terrorismus und nicht zu einer Verringerung. Die Amerikaner haben im Irak bombardiert, im Irak gab es keinen einzigen Terroristen und hinterher gab es tausende Terroristen. Überall wo man bombardiert, gibt es eine Solidarisierung der Bevölkerung. Das schwächt IS nicht, sondern stärkt IS.
Die, die uns raten, uns mehr militärisch auf der Welt zu engagieren, das sind drei Länder: Amerika, Großbritannien und Frankreich. Und die sind mit allen ihren Kriegen in den letzten Jahrzehnten so auf die Schnauze geflogen. Also diejenigen, die im Irak, in Afghanistan, in Libyen und in Vietnam so auf die Schnauze gefallen sind, die wollen uns Ratschläge geben, dass wir es genauso machen sollen wie sie? Nie! Gerade weil die es sagen, dürfen wir es nicht machen.
Fazit: Es muss ein Umdenken geben. Die amerikanische Politik muss das machen, was Jimmy Carter in seinem Buch: „Unsere Werte sind in Gefahr“ geschrieben hat. Er hat dort beschrieben, wie er Assad besuchen wollte und George W. Bush es ihm durch seinen Sicherheitsberater verboten hat. Die Amerikaner sollten da verschwinden. Der Mittlere Osten gehört den Arabern, den Iranern und all diesen Völkern, die da leben, aber nicht Amerika, die haben da nichts zu suchen. Die sollten alle ihre Stützpunkte da rausnehmen und Amerika würde immer noch Öl kriegen. Die Muslime mit ihren 1,6 Milliarden Menschen müssen einen wichtigen Beitrag zur Stabilität auf der Welt leisten und nur wenn sie das machen, wird diese Welt stabil sein. In der Regel fangen die Muslime keine Kriege gegen den Westen an, sondern die Kriege werden vom Westen gegen Muslime geführt. In den letzten 200 Jahren hat kein einziges muslimisches Land den Westen angegriffen. Aber die sind Dutzende, 30, 50 oder noch mehr Male angegriffen worden.> („Die USA als Kriegsauslöser – Jürgen Todenhöfer über den Kampf gegen den IS“, 11.10.14)
Mit dieser trügerischen, unseriösen und stark vom Kolonialwahn geprägten Politik gegenüber der arabischen Welt darf Deutschland nicht weiter kollaborieren. Im Gegenteil, diese fatale Politik verdient von Europa, von Deutschland, von allen zivilisierten Länder verurteilt zu werden.