Afghanistan-Lehre: Schluss mit dem Morden auf höchster Ebene – Schluss mit Bundeswehr-Auslandseinsätzen

Nahostpolitik

Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 18.08.2021

Biden mit irrsinnigem außenpolitischen Erbe aus seiner Zeit als Vizepräsident

Der US-Präsident Joe Biden ist mit einem irrsinnigen außenpolitischen Erbe angetreten, das er selber als Vizepräsident unter US-Präsident Obama mitzuverantworten hat, bis auf die Untaten, die seine Vorgänger Bush/Clinton begingen. Dieses Erbe voller ungelöster Probleme bietet jede Menge Konfliktstoff mit dem Militärindustriekomplex, der auch während der Obama-Zeit auf abscheuliche Weise aktiv wurde. Es ist erbärmlich, erkennen zu müssen, dass die Regierung Biden die alarmierende Weltlage nicht entspannt, sondern zugespitzt hat. Biden hat nicht das Format von John F. Kennedy, um die verirrte US-Militärpolitik zu korrigieren. Daher ist die Forderung vom vorhergehenden US-Präsidenten Donald Trump, Joe Biden müsse aus seinem Amt zurücktreten, völlig zutreffend.

US-Militärindustriekomplex in die Schranken weisen

Auch US-Präsident John F. Kennedy mit seinem Bruder Robert als Justizminister an seiner Seite musste sich mit dem Militär im Weißen Haus konfrontieren. Robert F. Kennedy wusste den penetranten impertinenten Militärindustriekomplex entschieden in die Schranken zu weisen und das Primat der Politik bei der höchsten Autorität, nämlich dem Präsidentenamt, gelten zu lassen, repräsentiert damals durch Präsident John F. Kennedy, als Generäle darauf bestanden, nach dem Schweinebucht-Desaster im April 1961 die Kuba-Invasion fortzusetzen.

Barack Obama hatte dasselbe Problem, als er sich im August 2013 allein, ohne die Unterstützung eines starken Bruders, weigerte, Syrien militärisch zu attackieren. Präsident Joe Biden hat von solchem impertinenten Druck, dem seine Vorgänger seitens höchster Ränge des US-Militärs ausgesetzt waren, nichts gelernt, um dem Militärindustriekomplex entschlossen die Stirn zu bieten. Deshalb hat er die Eskalation der internationalen Lage weiter betrieben und kann seine außenpolitische Agenda für den Frieden nicht verwirklichen.

Der Krieg der USA und ihrer Verbündeten gegen Afghanistan war völlig unbegründet und völkerrechtswidrig. Nach zwanzig Kriegsjahren ist Afghanistan für die USA ein zweites Vietnam geworden. In den zurückliegenden Tagen verließen Diplomaten der US-Botschaft fluchtartig das Land wie auch alle anderen US-Staatsbürger. Ebenso ziehen Großbritannien und andere Länder ihre Militärangehörigen und sonstigen Staatsbürger aus dem Land ab. Viele Länder sind auch dabei, ihre Botschaften zu schließen und ihre Diplomaten zu evakuieren. Allerdings heißt es vom Sprecher der Talibanführung, ausländische Diplomaten und Personal sollten im Land bleiben, die Taliban wollten eine friedliche Machtübergabe. (BBC World, 15.8.21) Die deutsche Botschaft wurde am 15.8. geschlossen (ARD-Tagesschau von 15.8.21 um 20 Uhr).

Zeichen eines Riesen-Schlamassels innerhalb der CDU/CSU und des Zerfalls an Deutschlands Spitze ist die erbärmliche Erklärung eines untragbaren deutschen Außenpolitikers wie Norbert Röttgen, der noch vor wenigen Tagen für den Verbleib der Bundeswehr in Afghanistan plädierte. Offensichtlich begreifen Leute wie er nicht oder wollen nicht begreifen, dass die militärische Einmischung in diesem islamischen Land einen gnadenlosen Krieg mit den Taliban provozierte, dessen Folgen jetzt für alle US/NATO-Soldaten und ihre Verbündeten spürbar sind, die vor ihren Kriegsgegnern in höchster Eile fliehen. Die Menschen, die eigentlich mit Panik aus Kabul und anderen afghanischen Provinzen fliehen, sind die Kollaborateure der USA und Verbündeten, also eine winzige Minderheit innerhalb der afghanischen Bevölkerung. Treffend mahnte der BBC-Moderator in der Sendung „hard talk“ am17.8.21, dass die NATO-Staaten, an erster Stelle die USA und Grobritannien ihren afghanischen Mitarbeitern, also ihren Kollaborateuren, Asyl gewähren müssten. Im Sender BBC World hieß es am 17.8.21, Kanada habe sich schon geäußert, 20.000 Afghanen aufzunehmen und Deutschland wolle 10.000 ins Land lassen. Diese Zahlen kommen wohl in Deutschland sehr ungelegen, sie scheinen von deutschen Redaktionen völlig verschwiegen oder versteckt zu werden. Man kann sich vorstellen, wie unsicher sich NATO-Kollaborateure in Afghanistan wegen ihrer Zusammenarbeit mit den Aggressoren fühlen müssen, denn schließlich ist die Zusammenarbeit mit dem Kriegsgegner, mit dem feindlichen Eindringling, in jedem Land Hochverrat. Das rasante Vordringen der Taliban bis zum Palast in der Hauptstadt Kabul, in allen Provinzen und ihre weitgehende Kontrolle des Zugangs zum Flughafen wäre ohne breite Unterstützung der afghanischen Bevölkerung nicht möglich gewesen. Das sollte zu denken geben, was eine widerrechtliche Besatzung bewirken kann. Die Flucht des afghanischen Präsidenten zeigt, dass er die afghanische Armee nicht gegen die Taliban kämpfen und die Bevölkerung vor weiterem Blutvergießen bewahren wollte.

Dass der erfolgreiche Vormarsch der Taliban die CDU/CSU/SPD-Regierung offensichtlich überrascht hat, ist empörend und belegt, dass einiges am Nachrichtfluss, Lagebewertung und Entscheidungsprozessen nicht ordentlich in der Regierung funktioniert. Unerhört, dass Berichte des deutschen Botschafters in Afghanistan unbeachtet geblieben sind. Der deutsche Botschafter hätte sich umgehend mit einem persönlichen Interview an die Presse wenden müssen, als er merkte, dass es keine Reaktion auf seine Berichte gab. Er informierte, dass sein Personal und viele Deutsche das Land verlassen wollten. Dieselbe fehlende Reaktion war beim State Department zu beobachten. Es ist zu vermuten, dass der Militärindustriekomplex, sowohl in den USA als auch in der EU, besonders in Deutschland, hier eine sehr störende und schädliche Rolle spielte. Immerhin war der Krieg gegen Afghanistan eine zwanzig Jahre lang massiv sprudelnde Quelle unvorstellbarer Riesen-Umsätze der Rüstungswirtschaft.

China ist bereit, freundliche Gespräche mit den Taliban zu führen. Russland wird entscheiden, ob es die Taliban als Gesprächpartner anerkennt. Es komme darauf an, wie sie sich verhalten. (Al Jazeera 16.8.21)

Der deutsche Bundestag schaltete sich bisher nicht ein, um die ungerechtfertigte Militär-Inkursion in Afghanistan zu klären. Es gab keine Anforderung der USA für eine deutsche militärische Beteiligung, als die US-Regierung mit den Bombenangriffen auf Afghanistan am 11.Oktober 2001 begann und auch später nicht. Welches Interesse trieb den damaligen SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder, Deutschland in diesen Krieg zu verwickeln? Diese berechtigte Frage ist bis heute nicht geklärt worden. Das deutsche Parteien-System erweist sich dafür wie in anderen aufzuklärenden Vorgängen als ineffizient und korrupt. Die Institutionen funktionieren nicht.

Unaufgeklärter Terror-Anschlag vom 11.9.2001 in New York als abscheulicher Vorwand für einen lang geplanten US-Krieg gegen Afghanistan

Die Bundesregierung hätte schon früher mit dem Abzug der deutschen Soldaten beginnen müssen. Ihr militärisches Engagement erfolgte aufgrund einer falschen perfiden Solidaritätserklärung von Kanzler Gerhard Schröder nach dem unaufgeklärten Einsturz von drei Bürohochhäusern des New Yorker Welthandelszentrum (11.9.2001), der gar nichts mit Afghanistan zu tun hatte. Der als Terror-Anschlag bezeichnete unaufgeklärte Einsturz der drei Bürohochhäuser am 11.9.01 in New York wurde zum abscheulichen Vorwand für eine lang geplante US-Kriegsoperation in Afghanistan, was sich schon darin zeigt, dass schon kaum einen Monat später US-Militärs in Afghanistan eindrangen. Der damalige SPD-Kanzler Gerhard Schröder spielte bedenken- und verantwortungslos mit. Dazu erpresste er seine SPD-Fraktion im Bundestag wie ein Ganove. Anstatt politisch stichhaltige Gründe für seine Kriegsentscheidung gegen Afghanistan dem Bundestag zu erklären, stellte er die Machtfrage: Entweder die Fraktion zieht mit oder er würde als Kanzler zurücktreten. Und danach ging es auf dieser Ganoven-Linie weiter, als wäre es ganz in Ordnung, mit der Knarre in der Hand deutsche Interessen wahrzunehmen. Wer profitierte davon? Ganz sicherlich nicht die Bundeswehr, die sich in Afghanistan verheizen lassen musste, und ganz sicher nicht der deutsche Steuerzahler, sondern die deutsche Rüstungswirtschaft. Ihre Interessenvertreter haben den Bundestag kapern können. Und die Medien schweigen dazu.