Am Scheideweg: Richtlinien der Außenpolitik korrigieren oder Lamento-Parolen verbreiten

Nahostpolitik

Betr.: Afghanistan-Debakel in den Medien, ZDF-Mittagsmagazin am 18.8.21

Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 19.08.2021

Zwanzig Jahre Gemetzel in Afghanistan

Der Journalist Arnold Schölzel trifft den Nagel auf den Kopf: <Sie führen Krieg und reden ungern darüber, erst recht nicht von Frieden. Nach 20 Jahren Gemetzel in Afghanistan und mindestens 200.000 Toten als Folge der westlichen Invasion zieht die Bundesregierung faktisch schweigend ihre Soldaten zurück. Hetze, Rüstung und militärischer Aufmarsch gegen Russland und China werden fast täglich gesteigert. Passend dazu kommt das Wort „Frieden“ in der Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier … zum 60. Jahrestag des Mauerbaus nicht vor. Dabei gibt es zwischen dem 22. Juni 1941 und dem 13.August 1961 eine kausale Verbindung: Die Außen- und Militärpolitik der Sowjetunion nach 1945 hatte als oberstes Ziel, eine Wiederholung von 1941 zu verhindern. Das gilt auch für das heutige Russland…. Zu verschweigen, dass „imperialistischer Irrsinn“ die Hauptursache für die militärische Variante war (und immer noch ist), hat Gründe: Das damalige „Spiel“ mit Krieg und Atombombe des Westens war keine Fiktion.> („Eine Mauer reicht nicht“, Leitartikel von Arnold Schölzel, Junge Welt 14./15.8.21)

Debakel aufgrund unzulässiger völkerrechtswidriger Außenpolitik – nicht weiter bei Ausbeutung und Raub mitspielen

Mit ihrem Verbreiten von Lamento-Parolen unterlässt Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre überfällige Aufgabe, die deutsche Außenpolitik zu berichtigen. Gerade nach dem größten Debakel der NATO und Niederlage der westlichen Mächte aufgrund einer unzulässigen völkerrechtswidrigen Außenpolitik, sollte Kanzlerin Merkel die Führungsstärke aufbringen können, die korrekte Richtlinie für die deutsche Außenpolitik vorzugeben, nämlich für Kooperation und Frieden mit allen Ländern, ohne Ansehen der Regierungsform und gesellschaftlichen Gegebenheiten.

Auch Mali-Einsatz falsch: Militär ersetzt keine Diplomatie.

Der Bundeswehreinsatz in Mali ist ebenso falsch wie alle anderen Einsätze, ganz egal ob es einen französischen Beitrag gibt oder nicht. Militär ersetzt keine Diplomatie. Beschämend ist, wenn Merkel sich weiter für den französischen Kolonialismus einsetzt und Deutschland bei Ausbeutung und Raub mitspielt. Die Kanzlerin ist aufgerufen, ein starkes Wort an den Elysée zu richten, damit Frankreich nicht weiter in Aggression, Intervention und Krieg entgleist.

Auch Rückzug aus Syrien erforderlich

Auch der Rückzug aller fremden Soldaten und Hilfspersonal aus Syrien ist erforderlich. Der UN-Friedensplan von Kofi Annan 2012 genießt die volle Unterstützung der Vereinten Nationen unter den Nachfolgern von Kofi Annan. Lediglich die westliche Kriegsfraktion in Washington, Berlin, Saudi Arabien und Katar ist dagegen. Der UN-Sicherheitsrat stützte Kofi Annan und seine Mission und rief niemals nach einer NATO-Intervention. Die Krise in Syrien kann nur friedlich gelöst werden. Die Erfahrungen, die Irak, Libyen und Afghanistan gemacht haben, sind Alarmglocken und ermuntern niemanden, denselben Horror in Syrien zu wiederholen. Außenpolitische Priorität für Deutschland und die EU muss sein, den Krieg in Syrien und die feindseligen Sanktionen zu beenden. Schon der (unerwartet verstorbene) SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann befürwortete, normale diplomatische Beziehungen mit Syrien wiederherzustellen, wofür sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel anfänglich geäußert hatte. Das wäre ganz im Sinne der Völker- und Staatengemeinschaft, d.h. der Vereinten Nationen.

Sich gegen den mächtigen EU-Militärindustriekomplex wappnen

Ein deutsches Kriegsschiff, das dem britischen Kriegsschiff im südchinesischen Meer hinterherfährt, ist reiner Größenwahn der deutschen Marine. Die hiesige Industrie muss erkennen, dass diese Militärmanöver schädlich für ihre Interessen sind. <Laut „Spiegel“ war eine deutsche Kanonnenboot-Tour in den indischen und pazifischen Ozean schon 2020 geplant, kam aber aus Mangel an einsatzbereiten Kriegsschiffen, vor allem wegen Vorbehalten Angela Merkels nicht zustande. „Ein deutsches Kriegsschiff, das zu diesem Zeitpunkt im Südchinesischen Meer kreuzen würde, schien ihr nicht opportun zu sein.“ Nun wird die „Bayern“, die jede Teilnahme an den britischen und US-Manövern vor China vermeiden soll, Ende Februar 2022 voraussichtlich erst nach dem Ende von Merkels Amtszeit zurückkehren. Die Bayern-Reise ist gewissermaßen die erste außen- und militärpolitische Aktion des deutschen Imperialismus der Nach-Merkel-Zeit. Diejenigen, die unbedingt an den Kriegsprovokationen der Verbündeten teilhaben wollen – im jetzigen Kabinett repräsentiert vor allem durch Außenminister Heiko Maas und Kriegsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer – haben ihr Ziel erreicht.> („Im Provokationsfieber“ von Arnold Schölzel, UZ 6.8.21) Das ganze sollte für den CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet eine Warnung sein. Er muss sich gegen den impertinenten provokativen Druck aus dem mächtigen EU-Militärindustriekomplex wappnen, der auch in Zukunft entschieden zurückzuweisen ist.

Extremistischer CDU/CSU-Flügel mit Günstlingswirtschaft im Sinne der Rüstungsindustrie

Die CDU/CSU hat einen verheerenden extremistischen Flügel, der alle Schlamassel begünstigt und unterstützt zugunsten des deutschen Militärindustriekomplex. Der Ursprung dieser bis heute unangefochteten Günstlingswirtschft im Sinne der deutschen Rüstungsindustrie findet sich bei Konrad Adenauer, dem sturen, unbelehrbaren ersten westdeutschen Kanzler, der von der US-Besatzungsmacht handverlesen als Kanzlerkandidat vorgegeben wurde. Im Brief an US-Präsident John F. Kennedy im Oktober 1961 meinte diese schräge fanatische US-Vasall Konrad Adenauer: <“Die Entscheidung, Nuklearwaffen zu benutzen, muss den Sowjets klargemacht werden ebenso wie die Tatsache, dass die Sowjetunion selbst ein Ziel sein würde.“ Da versuchte der Bonner Schwanz mit dem US-Hund zu wackeln. Es dauerte ein Jahr, dann war in der Kuba-Krise der atomare Weltkrieg fast erreicht…. 2021 ist in dieser Hinsicht 1961. Eine Mauer reicht nicht mehr.> (Leitartikel: „Eine Mauer reicht nicht“ von Arnold Schölzel, Junge Welt 14./15.8.21)

Rolle von Afghanistans Nachbar Pakistan

Die Europäische Union ist aufgerufen, ihre Außenpolitik neu auszurichten. Die NATO und EU-Staaten stehen am Scheideweg. Wir erleben eine historische Zäsur, die die Welt verändern wird. Die Richtung zeigt sich schon in Peking, wo die Führung der Taliban zusammen mit dem Außenminister Pakistans zusammentrifft. „Washington erhöht den Druck auf Pakistan“, schrieb die New York Times Anfang dieser Woche. Pakistans Regierungschef Imran Khan solle sich klar gegen die Taliban aussprechen. Das vermied er aber bisher und wird es wohl auch in Zukunft nicht tun. Doch der größere Machtfaktor in Pakistan ist das Militär, und „es hat hier einen großen Sieg errungen“, sagt der Professor für internationale Beziehungen am King’s College in London, Harsch V. Rant. Das pakistanische Militär erlaubt es den US-Streitkräften auch nicht, von Pakistan aus Luftangriffe auf die Taliban in Afghanistan zu fliegen. Ein Sprecher des Außenministeriums erklärte im Sender „Al Jazeera“, dass Pakistan weiter die Bemühung unterstützen wird, die Lage politisch zu lösen. Gleichzeitig feiern es die Islamisten weltweit als großen Sieg, dass die Taliban in Afghanistan wieder an der Macht sind. So Professor Harsch V. Rant am King’s College in London. Rant zitiert Pakistans Premier Imran Khan, der unmittelbar nach dem Abzug der Amerikaner sagte, die Afghanen hätten sich nun aus der Sklaverei befreit. „Aber tatsächlich dürfte dies ein Sieg des mächtigen pakistanischen Militärs sein, das die Taliban über Jahre unterstützt hat“.

Demokratie und Freiheit sind freie Entscheidung von Staatsvölkern

Kanzlerin Merkel irrt sich gewaltig, wenn sie den Anspruch erhebt, mit Krieg und militärischer Invasion Afghanistan „demokratisieren“ zu wollen. Das Versagen des Westens ist die Folge eines Interventionkriegs, der von Anfang an falsch war. Die ideologische Illusion, ein System mit westlichen Werten in einem Land mit anderer Kultur und Religion aufbauen zu können, ist zusammengebrochen. Das hat nicht geklappt und wird auch in der Zukunft niemals klappen, denn Demokratie und Freiheit setzen sich nicht mit Gewalt durch. Sie sind eine freie Entscheidung der Staatsvölker, die aufgrund ihrer eigenen Überzeugung über ihr Regierungssystem zu entscheiden haben. Mit Gewalt und Krieg ein Land „demokratisieren“ zu wollen, ist antidemokratisch, reine Willkür. Merkel, CDU/CSU, SPD und Grüne mangelt es demokratischer rechtsstaatlicher Gesinnung. Sie sollten diesen gefährlichen Mangel schnellstens beheben, damit sie nicht weiter Gefahr laufen, mit ihren „missionarisch-moralischen“ Ansprüchen Deutschland erneut in schlimme Konflikte zu verwickeln, weil sie kein Verständnis für rechtmäßige internationale Beziehungen, Respekt vor anderen Gesellschaften, Demokratie und Selbstbestimmung haben.

ZDF-Moderator im Interesse des deutschen Kriegscliquen-Wahns

Zu Afghanistan äußerte sich NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg im ZDF-Mittagsmagazin am 18.8. ganz klar: <Das Bündnis hat nie vorgehabt, für immer in Afghanistan zu bleiben. Von Anfang an hat es die Taliban bekämpft. Wäre die NATO in Afghanistan geblieben, hätte sie endlose Gefechte, mehr Leiden und Tote riskiert. Die Intervention der NATO bringt das Risiko eines endlosen Konflikts mit sich.> Diese Einschätzung des NATO-Generalsekretärs Jens Stoltenberg, sachlich nüchtern und völlig realistisch, schien aber der Moderator vom ZDF-Mittagsmagazin am 18.8.21 nicht verstanden zu haben. Merkwürdigerweise wiederholte er die groteske impertinente Frage an Jens Stoltenberg, wieso er sich nicht gegen die USA, bzw. gegen den US-Präsidenten gestellt habe, und zwar gegen den Rückzug der NATO. Wollte oder musste der ZDF-Moderator im Mittagsmagazin hier im Interesse des deutschen Kriegscliquen-Wahns sprechen? Das Gros der US-Politiker beider Parteien, Republikaner und Demokraten, befürwortet den Abzug seit Jahren. Der US-Bevölkerung war es nicht mehr zu vermitteln, dass das Land einen nicht enden wollenden Krieg am anderen Ende der Welt führte. In diesem Punkt waren sich sogar viele Anhänger Trumps und Bidens einig. Joe Biden erlebte das Ende des Vietnamkriegs als junger Senator. Trotzdem hat er aus der Geschichte nichts gelernt, wie seine erbärmliche Außenpolitik zeigt. Er kriegt nicht die Kurve, um die US-Außenpolitik richtigzustellen, losgelöst vom Druck des Militärindustriekomplex.

Fehlende Verantwortungskultur: Kein Rücktritt der Verantwortungsträger für Afghanistan-Debakel

Die Schuld für das US-Debakel in Afghanistan auf die Regierung in Kabul und auf die afghanische Armee zu schieben, weil sie nicht weiter kämpfen wollte, ist völlig ungerecht und von perfider Falschheit. Schon früher hatte ein Drittel der afghanischen Armee desertiert. Offizieren und Soldaten wollten nicht weiter kämpfen, weil sie nicht wussten, wofür sie kämpften. Auch die Bundeswehr hatte schon im April und Mai erkannt, dass sie nicht weiter in Afghanistan bleiben sollte. Die Verantwortungsträger in Berlin haben aber versäumt, sie aus dem Land herauszuholen. Ein Antrag der Partei DIE LINKE dafür im Juni wurde im Bundestag von der Regierungskoalition abgelehnt. Volle Verantwortung dafür tragen der Außenminister, der Verteidigungsminister, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses und an erster Stelle die Bundeskanzlerin selbst, die die Richtlinien für die Außenpolitik bestimmt. Die Regierung in Berlin handelte grob fahrlässig entgegen allen begründeten Warnungen und Berichten aus Afghanistan, indem sie nicht rechtzeitig deutsches Personal aus Afganistan abzog. Diese schuldhafte Fahrlässigkeit muss ein politisches und juristisches Nachspiel haben, zumal die Verantwortungsträger sich unehrenhaft verhalten, indem sie nicht zurücktreten. Hier zeigt sich, dass Verantwortungskultur und Ehrgefühl hierzulande völlig unterentwickelt sind.

Sich nicht durch Bündnisverträge die Hände binden

Die ursprüngliche vorsichtige Weisheit Amerikas bestand darin, sich nicht durch Bündnisverträge die Hände zu binden, sich nicht in europäische Kriege einzumischen und „nicht auszuziehen, um Drachen zu suchen, die es zu bezwingen gilt“. Diese intelligente weise Haltung von George Washington, Thomas Jefferson und US-Präsident John Quincy Adams bleibt weiterhin aktuell, auch für die gegenwärtige US-Administration, selbst wenn unbesonnene CDU/CSU-Parteimitglieder sie nicht verstehen. Bestimmte CDU-Außenpolitiker, die sich zugunsten interventionisticher Kriege äußern, sollten aus der CDU-Partei ausgeschlossen werden. Sie sind zutiefst parteischädigend und verraten alle christlichen Grundlagen und Prinzipien, was hoch gravierend ist, denn die CDU definiert sich als christliche Partei.

US-Präsident Joe Biden müsste von seinem Amt zurücktreten, nachdem er zuließ, ja sogar dafür wirkte, dass sich die internationale Lage andauernd zuspitzt, zur Zeit besonders sichtbar in Afghanistan. Auch in Deutschland sind entsprechende Rücktritte fällig. Außerdem sind die Bundestagwahlen am 26. September eine gute Gelegenheit, den Parteien CDU/CSU, SPD und Grünen die Quittung zu übergeben.

Deutsches US-Vasallentum bis zum bitteren Ende

Mit dem Morden auf höchster Ebene ist endlich Schluss zu machen. Diesbezüglich agiert Kanzlerin Angela Merkel, wie so oft, im Vakuum. Sie war nicht bereit in Ihrer späten Erklärung vom 16.8. (ZDF-Heute, 19 Uhr,16.8.) den Hintergrund des Afghanistan- Schlamassels zu benennen, nämlich, dass die Fehlentscheidung der Bundesregierung darin besteht, in einem fremden Land militärisch interveniert zu haben. Sich in ein souveränes Land ohne offizielle Einladung zu begeben und dort Krieg zu führen, aus welchen Gründen auch immer, ist die kriminelle Fehlentscheidung aller am Krieg gegen Afghanistan beteiligten Länder, die sich anmaßend über andere Regierungen selbstgerecht erheben und über sie bestimmen wollen. Die Fehlentscheidung von Kanzler Schröder ergab sich aus dem US-Attentat in New York am 9/11, das gerade dazu herhalten musste, um Afghanistan anzugreifen. Keine Erkenntnis darüber ist bei Merkel zu bemerken, kein Wort von Frieden, keine Richtlinie. Sie besteht darauf, weiter den USA bedenkenlos zu folgen, ein US-Vasallentum bis zum bitteren Ende, wie es scheint.

Margot Kässmann hatte Recht 2010: „Nichts ist gut in Afghanistan.“

Der Kollaps war vorauszusehen, wie schon vor über zehn Jahren die damalige evangelische Bischöfin Margot Kässmann erkannte. In ihrer Neujahrspredigt zum 1. Januar 2010 sagte sie: „Nichts ist gut in Afghanistan.“ Sie hatte Recht. Gegen den Aggressor und Invasor haben die Taliban Widerstand geleistet mit der Unterstützung eines großen Teils der Bevölkerung, die natürlich fremde Besatzer nicht duldet.

Erneuter US-Missbrauchsversuch des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen auf jüngster Sitzung zu Afghanistan missglückt: Taliban nicht verurteilt

Dass gerade der Aggressor und Invasor, nämlich die USA, den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) jetzt zu einer Sitzung anrief, stellt den Sachverhalt auf den Kopf. Der UN-Sicherheitsrat muss sich einschalten, wenn ein Land angegriffen und der Weltfrieden gefährdet ist. Erinnern wir uns: Als Afghanistan im Oktober 2001 von den USA angegriffen wurde, trat der UN-Sicherheitsrat nicht zusammen, um diesen US-Angriffskrieg und -Invasion zu verurteilen. Der damalige afghanische Präsident, eine Marionette des Westens, war nicht in der Lage, eine Sitzung des UN-Sicherheitsrat zu veranlassen, wie es die Lage verlangte. Aber jetzt zeichnet sich eine Wende ab: Joe Bidens Initiative, den UN-Sicherheitsrat für seine irrsinnige Außenpolitik zu benutzen, ist gescheitert. Der UN-Sicherheitsrat hat die Taliban nicht verurteilt.