Neue Wege gehen: Neue Ordnung für Europa schaffen

Nahostpolitik

Betr.: Leitartikel in Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 17.1.17: „Trump – Alles auf Anfang“ von Nico Fried

Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 19./20.01.2017

Fehlende Initiative für eine außenpolitische Sicherheitsordnung in Europa

Das Ende der Nachkriegszeit ist nach mehr als siebzig Jahren endlich mit allen politischen Konsequenzen wahrzunehmen. Bemerkenswert erbärmlich, dass es die Bundesrepublik Deutschland und Europa über 70 Jahre lang völlig vernachlässigt haben, neue Wege zu gehen und eine neue Ordnung für Europa zu schaffen. Eine Initiative für eine außenpolitische Sicherheitsordnung in Europa ist von Berlin nicht betrieben worden, obwohl sie seit Hans-Dietrich Genscher und Helmut Kohl existiert und sicherlich in einer Schublade des Außenministeriums oder des Bundeskanzleramts steckt. Brüssel hat sich darum auch nicht gekümmert. Politiker und Medien beharren darauf, die herrschende Weltunordnung als Weltordnung anzusehen. Darin besteht ihre auf den Kopf gestellte irrsinnige Sicht.

Verkehrte Welt unter dem Diktat des Westens

Seit 1945 erlebt die Öffentlichkeit eine verkehrte Welt unter dem Diktat des Westens. Diese verkehrte Realität ist jetzt endlich zu erkennen, gerade deshalb, weil das US-Diktat der nachfolgenden US-Regierungen Clinton/Bush/Obama immer noch rund herum versuchte, eine neue, eine rein europäische Sicherheitsordnung zu verhindern.

Raketenabwehranlagen und andere überflüsige Militär-Projekte sind keineswegs für eine solche politische Aufgabe notwendig, die jetzt endlich von den europäischen Staatschefs anzugehen ist. Was sollen Militärs leisten? Wo vermutet man potentielle Angreifer? Wer hat am Ende das Sagen? Diese Fragen blieben auch nach dem NATO-Gipfel von Lissabon (19./20.11.2010) und bei dem NATO-Gipfel in Warschau (8./9.7.2016) unbeantwortet. Man wusste schon 2010, dass Russland sich niemals auf eine Zusammenarbeit bei einem Rasmussen- oder Bush-Projekt einer Raketenabwehr in Europa einlassen würde, selbst wenn interessierte amerikanische Hardliner (Albright-Rasmussen und Co.) das Gegenteil in der Öffentlichkeit verbreiteten. Tatsächlich gab es und gibt es weiterhin in Moskau begründete ernsthafte Vorbehalte. <<Der Aufbau einer Raketenabwehr in Europa könne das nukleare Gleichgewicht zerstören, weshalb sein Land aufrüsten müsse, falls man keine befriedigende Lösung finde. Das könne sogar zu einem nuklearen Wettrüsten führen, erklärte der damalige russische Präsident Dmitri Medwedjew vor der Presse in Lissabon.>> (FAZ, 22.11.2010) Der deutsche Außenminister und die meisten euopäischen Außenminister verstanden den Standpunkt Russlands und stellten sich gegen das Rüstungsprojekt Bush-Rassmussen.

Phantasterei über Gefahr aus Russland dient Aufbau einer EU-Armee

Aber weiter über eine aus Russland drohende Gefahr zu phantasieren und deshalb die Rüstungshaushalte zu erhöhen und den Aufbau einer EU-Armee zu fordern, bedeutet den sozialen Bereich zugunsten der Rüstung und des Militärs herabzustufen, ja, zu opfern, denn die falsche verschwenderische Investition in das Militär fehlt dann bei sozialen und Bildungsprojekten, die dringende Priorität in Deutschland und Europa haben sollten.

Nukleare Abschreckung bleibt strittiges Thema

Auf dem Lissabon-Gipfel wurde deutlich, dass die nukleare Abschreckung ein strittiges Thema bleibt. Eine Überprüfung der NATO-Gesamtstrategie wurde allerdings vereinbart, die womöglich am Ende doch noch zum Abzug der letzten Atomwaffen aus Deutschland führen könnte, wie der deutsche Außenminister Guido Westerwelle unbedingt erreichen wollte (FAZ, 22.11.10). Solange diese verhängnisvolle Allianz existiert, gibt es keine Basis für einen neuen Start.

Natürlich wurde die NATO mit dem Ende der Konfrontation der zwei Blöcke in Europa völlig überflüssig. Selbst die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen spielt öffentlich auf das Ende solcher Konfrontation an, um implizit die aggressive Kalte-Kriegs-Haltung ihres US-amerikanischen Kollegen als grundlos und ungerechtfertigt bloßzustellen, denn ohne konfrontative zwei Blöcke besteht keine Rechtfertigung für die US-NATO.

Für die NATO konstruierte Gegner

Was soll eigentlich ein alleine dastehender, bis zu den Zähnen bewaffneter westlicher Block? Gerade darin liegt das Problem der NATO. Sie musste seit der Auflösung des Warschauer Paktes und nach der Auflösung der Sowjetunion 1991 immer wieder neue Gegner maliziös erfinderisch konstruieren, um sich selbst zu legitimieren, denn der Kommunismus war verschwunden. Schon der Kommunismus war eigentlich niemals eine Gefahr, um einen solchen Wahnsinn wie die NATO zu rechtfertigen. Der ganze Kalte Krieg war eine verschwendete Zeit.

Verschwunden der Kommunismus, wurde der Terrorismus, dann der Islamismus als Feind erfunden. Hauptsache, die NATO hat eine Aufgabe und der industrielle Militärkomplex behält seine lukrativen NATO-Aufträge. Nach der Wende 1991 sollte sie auf einmal außerhalb des Bündnisgebietes agieren dürfen und können. Sie fing an, Gewalt und Tod zu exportieren. NATO-Bomben auf Belgrad 1999, dann Europas größter US-Militärstützpunkt im Kosovo, eine Provinz Serbiens, die als Folge von NATO-Aggression widerrechtlich von Serbien abgetrennt wurde. Stabilität?

Eine Weiter-Aufrüsten oder Abrüsten ist eine Entscheidungsfrage für den politischen Willen. Daran misst sich die Verantwortung der Regierungschefs. Sogar die NATO ist offiziell ausdrücklich verpflichtet, sich abzurüsten, und zwar konkret schriftlich fixiert seit dem NATO-Gipfel in Lissabon im November 2010. Gerade der damalige FDP-Außenminister Guido Westerwelle hatte diese Verpflichtung in der Abschlusserklärung von 20.November 2010 festgelegt. Das ist eine Tatsache, die für alle Moderatoren, Redaktionen und Außenpolitiker bekannt sein und angesprochen werden muss. Nimmt man sie ernst, gibt es keinen Grund, sich völlig unvorbereitet und desorientiert zu zeigen. Ausflüchte suchen, Eskapismus ist die Reaktion eines Feiglings.

Erfolg für die deutsche Regierung auf Warschauer NATO-Gipfel Juli 2016:

Der deutsche Außenminister Walter Steinmeier konnte für sich auf dem Warschauer NATO-Gipfel von 8.-9. Juli 2016 einen klaren Erfolg verbuchen: Er konnte den NATO-Russland-Rat wieder beleben. Im Einverständnis mit der Bundeskanzlerin opponierte der Außenminister Deutschlands der Absicht, die NATO als Teil der US-Koalition in Syrien zu erklären, er wollte auch kein Säbelrasseln an der Grenze zu Russland.

Der deutsche Außenminister Walter Steinmeier hatte schon im Juni 2016 angefangen, sein US-kritisches Vorhaben vorzubereiten. Im NATO-Vortreffen in Brüssel am 14.6.16, das aufgrund seiner eigenen Initiative erfolgte, forderte er, den NATO-Russland-Rat wieder zu beleben. Der deutsche Außenminister legt trotz aller schwieriger Umstände und Wühlarbeit der Medien viel Wert auf den Dialog mit Russland, auf gute vertrauensvolle deutsch-russische Beziehungen überhaupt. Deshalb organisierte er ein Treffen der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel vor dem eigentlichen NATO-Gipfel in Warschau. Dieses Brüsseler Vortreffen kam Mitte Juni dank der professionellen deutschen Diplomatie zustande trotz der Störungen Polens und der baltischen Staaten, die gezielt mit medialer Deckung auf Unruhe und Konfrontation mit Moskau durch ihr törichtes Benehmen und absurden Unterstellungen zielten.

NATO nicht Teil der US-Koalition in Syrien

Der Wunsch der Obama-Regierung nach einer stärkeren NATO-Rolle beim Kampf gegen den IS stieß in Berlin von Anfang an auf klare Ablehnung. Als Bündnis ist die NATO nicht Teil der US-Koalition in Syrien – wobei es aus Berliner Sicht auch so bleiben soll. Auch ein Operieren von Awacs-Flugzeugen der NATO über syrischem Luftraum stehe „nicht zur Debatte“. Sowohl der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier als auch die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen schafften eindeutige offizielle Klarheit darüber. Deshalb schaltete sich die USA-NATO ein, um die solide klare Position Deutschlands zu unterminieren durch Desinformation der Medien und Druck auf die Bundeskanzlerin. Als die Bundeskanzlerin vor den NATO-Forderungen im Bundestag einknickte (7.7.16), verschwand die Verteidigungsministerin und auch der deutsche Außenminister von der Szene.

NATO nur mit Zukunft als Abrüstungsagentur

Die entgegenkommende Attitude der Bundeskanzlerin gegenüber der USA hat aber mit der NATO gar nichts zu tun. Die deutsche Kanzlerin ist pragmatisch und handelt deshalb politisch von keinem „Glauben“ betrieben sondern nach ihrem besten Wissen und Gewissen. Von „Treue“ für Amerika zu schreiben, ist absolut lächerlich und deplaziert. Schon der ehemalige Verteidigungsminister Thomas de Mazière lehnte den Ausdruck „Bündnistreue“ als politisch völlig unangemessen ab. Der Grundpfeiler für die internationalen Beziehungen, ja für die Weltordnung ist das Völkerrecht, festgeschrieben in der Charta der Vereinten Nationen. Ein obsoletes aggressives Bündnis, das heute keine Legitimation findet, ist kein Fundament, kein Grundpfeiler für eine Ordnung. Es ist dies auch niemals gewesen und wird es auch nicht sein können. Die NATO hat nur eine Zukunft als Abrüstungsagentur, wie in Washington nach der Wende 1990 erkannt wurde.

Europa von dem Wahnsinn der nuklearen Abschreckung mit ihren fatalen verantwortungslosen Risiken der Ausrottung endgültig befreien

Dagegen ist die bestehende NATO in der Tat ein Hindernis für die erforderliche Abrüstung. Darauf hat die Politik zu reagieren. Die Verteidigungsministerin hat hier ein unbetretenes Arbeitsfeld, um die Abrüstungspflicht der NATO zu erfüllen, die bereits in der Abschluss-Erklärung des NATO-Gipfeltreffens in Lissabon vom 20. November 2010 festgestellt ist. Sie muss Europa von dem Wahnsinn der nuklearen Abschreckung mit ihren fatalen verantwortungslosen Risiken der Ausrottung endgültig befreien. Die Bundeskanzlerin muss die Initiative ihres einstigen Außenministers Guido Westerwelle wieder auf die Tagesordnung setzen. Wäre die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen nicht als Hillary-Clinton Anhängerin gebrandmarkt, wäre eine Reise von ihr als Verteidigungsministerin nach Washington ratsam und sinnvoll, um mit ihrem neuen US-Verteidigungskollegen das Anliegen zu besprechen. Berlin sollte jedenfalls umgehend den zukünftigen Pfad für sich selbst und Europa markieren. Das Weiße Haus unter dem neuen Präsidenten würde vernünftigen Initiativen sicherlich nicht im Wege stehen, wie vorherige US-Regierungen es so töricht getan haben.

Teutonische Überheblichkeit, Mangel an Takt und Zurückhaltung im Extrem bloßgelegt

Allerdings ist Diplomatie niemals die Stärke Berlins gewesen. Eine Reihe von Überheblichkeitsattitüden und Torheiten plagen die Geschichte Deutschlands, was seine internationalen Beziehungen betrifft. Der jüngste beschämende Beleg dafür ist die harsche mediale Konfrontation mit Russland, mit dem russischen Präsidenten und mit dem designierten US-Präsidenten Donald Trump, noch bevor er sein Amt antritt. Ein jämmerlicher Vorgang, der besonders innerhalb der regierenden Christdemokraten diesen völligen Mangel an Takt und Zurückhaltung im Extrem bloßlegt. Das schlimme dabei ist, dass sich auch der deutsche Außenminister Walter Steinmeier mit törichten Äußerungen vor aller Welt bis auf die Knochen blamiert hat. Er hätte sich zurückhaltend verhalten müssen, aber niemals versuchen sollen, einen designierten US-Minister gegen den designierten US-Präsidenten auszuspielen, als ob er nicht wüsste, dass ein Minister in einem Präsidialsystem dem Präsidenten untergeordnet ist und seine Anweisungen zu folgen hat. Die teutonische Überheblichkeit ist ein Déjà-vue in der Welt. Das Verhalten der Medien stellt das geistlose Klima in der Union bloß, und zwar ihre Anmaßung und Rücksichtslosigkeit gegenüber den USA. Haben diese sogenannten demokratisch-christlichen Damen und Herren vergessen, daß die USA ein supermächtiges Land ist? Aber der bornierte unkluge Hochmut bei Politikern wie deutschen Redaktionen konnte sich in unvorstellbarer Art bloßstellen, was sicherlich für viele Diplomaten ein unerhörter Vorgang ist, der sich nicht noch einmal wiederholen sollte.

Unterentwicklung Deutschlands in der internationalen Arena

Die Bundeskanzlerin hat sich nicht in dieses peinliche Schlamassel hineinziehen lassen. Es sind deutsche Mainstream-Medien, die ihre undiplomatischen Bildungsdefizite entlarven. Aber natürlich bleibt die Union, die die Bundeskanzlerin stellt und zum großen Teil das Personal im Bundeskanzleramt, verantwortlich für dieses unwürdige deplazierte Schauspiel, das die Inkompetenz, ja die Unterentwicklung Deutschlands in der internationalen Arena bloßstellt. Die Union wollte Weltpolitik spielen, aber sie ist eklatant gescheitert, denn sie ist ihr nicht gewachsen. Sie bleibt wie gewohnt unfähig und zu kleinkariert dafür. Als die Bush-Clinton-Obama Regierungen ihr diktierte, was zu tun war, sah man die Union erleichtert und ruhig die US-Anweisungen befolgen, ohne Bedenken gegenüber „einer Einmischung“, die sie immer brav erwartet und geduldet hat. Sogar als Condi Rice bei der NATO-Krisensitzung (19.8.2008) im Namen Europas zu sprechen wagte, war kein Ton aus der Union zu hören. Sie stellte sich bedingungslos hinter die Bush-Regierung mit deren ultrarechten Ideologie, mit der die Union offensichtlich viel mehr gemeinsam hat als mit aufklärerischen, fortschrittlichen, humanistischen Positionen.

Verlogenheit und Größenwahn in den Reihen der Union

Das Ausmaß der Verlogenheit in den Reihen der Union ist erstaunlich. Die zukünftige US-amerikanische Regierung wird sich wahrscheinlich von einem solchen verlogenen „Partner“ völlig distanzieren und sich vor ihm in Acht nehmen müssen, denn Partnerschaft sieht anders aus.

Der neue US-Präsident Donald Trump muss die entgleiste Weltpolitik wieder in den Griff bekommen. Miss World ist Merkel nie gewesen, auch wenn der Größenwahn ihrer Union immer weiter versucht, sie für ein derartiges, lächerliches Theater zu benutzen mit sinnlosen verschwenderischen Reisen rund um die Welt, die offensichtlich nur dazu dienen, sie im Fernsehen erscheinen zu lassen, allein, ohne jede Botschaft. Meint man in der Union, die deutsche Bundeskanzlerin zum Rang eines Waschmittels degradieren zu müssen, frei nach dem Motto, je öfter auf der Mattscheibe, desto besser?

Auch wenn viele es sich wünschen, es gibt kein europäisches – schon gar kein deutsches – Selbstbewusstsein. Ein Wunschdenken, das nirgendwo in Europa realisierbar ist. In allen wichtigen internationalen Fragen ist seitens Europas keine Richtung zu erkennen.

Medien und Politik in der Nachkriegszeit verhaftet

Politik und Medien bleiben hierzulande in der Vergangenheit, der Nachkriegszeit verhaftet und reproduzieren triste Bemerkungen von ewiggestrigen ultrakonservativen Politikern. Ein alter ehemaliger Diplomat Wolfgang Ischinger ist immer noch da, jämmerlich, weil seine Kandidatin Hillary Clinton als Verliererin aus der US-Wahl hervorging. Auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, ein Norbert Röttgen, jammert darüber, unfähig die neue Realität rational und verantwortungsvoll wahrzunehmen. Solche Personen sind von ihren Posten zu entfernen. Sonst droht uns ein altes abgenutztes Europa, das nicht viel mehr zu bieten hat als seine wunderschöne mittelalterliche Kunst, Kultur, Städte und Museen für eine Welt, die dringend neue Wege gehen muss.

CDU/CSU: Organisierte Unvernunft

Solange eine unbedarfte Union in Berlin mit Wichtigtuerei regiert, aber ohne grundsätzliche Entscheidungen zu treffen, bleibt die deutsche Außenpolitik leer und bedeutungslos. Nicht einmal in einer existentiellen Frage wie der Abzug aller Atombomben von deutschem Boden, ist diese Clique bereit, eine Verantwortung für Deutschland zu übernehmen zusammen mit allen anderen Parteien im Bundestag. Ein Skandal, der alles über die Irrationalität dieser Kalten Krieger sagt und die Dringlichkeit zeigt, solche organisierte Unvernunft aus der Politik herauszuhalten.

Die wichtigen internationalen Fragen hatte bereits vor Jahren der damalige deutsche Außenminister Guido Westerwelle auf der internationalen Arena angesprochen, die richtige Richtung aufgezeigt und damit Deutschland seine Aufgabe in der Welt vorgegeben.