Richtige Schritte, aber noch keine neue Politik

Nahostpolitik

Eine Nachbetrachtung zu Gabriels und Steinmeiers Besuchen in Israel

Von Arn Strohmeyer, 14.05.2017

Da ist überall zu hören und die meisten Medien verkünden es auch, dass Außenminister Sigmar Gabriel und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei ihren offiziellen Besuchen in Israel sich sehr gut verhalten und alles „richtig“ gemacht hätten, weil sie keinen Kotau vor Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gemacht, sondern ihm die Stirn geboten hätten. Das ist neu in der deutschen Israel-Politik, langsam scheint man in Berlin doch etwas zu begreifen. Aber reicht es wirklich, wenn Gabriel die Menschenrechtsorganisationen „Betselem“ und „Breaking the Silence“ besucht“ hat? Und wenn Steinmeier die kritischen Autoren Amos Oz und David Grossmann getroffen und in einer mehr akademischen Rede vor Studenten das Recht auf Meinungsfreiheit herausgehoben hat? Alles sehr löblich, aber reicht das?

Es fiel auf, dass beide zwar die Siedlungspolitik kritisiert haben, aber das tut die Bundesregierung – selbst Kanzlerin Angela Merkel – schon lange. Folgen hat das bisher nicht gehabt. Was völlig gefehlt hat in den Stellungnahmen der beiden deutschen Spitzenpolitiker, war ein klares Wort zu den Menschenrechten, also zu der brutalen israelischen Besatzungspolitik, unter der 4,5 Millionen Menschen leiden, die über keinerlei bürgerliche oder politische Rechte verfügen, also völlig den unmenschlichen Schikanen der Besatzer ausgeliefert sind. Wer dazu schweigt, macht sich auch schuldig.

Da müssen kritische Israelis sagen, was geschehen müsste, dass sich die israelische Politik endlich in Richtung einer Lösung des Konflikts mit den Palästinenser bewegt: Nur noch massiver Druck von außen kann helfen. So schreibt etwa der israelische Politologe Zeev Sternhell, der einen Lehrstuhl an der Hebräischen Universität in Jerusalem innehat, dass jeder Israeli fühlen müsse, dass er wegen der Besatzung und der illegalen Besiedlung der besetzten Gebiete in Europa nicht mehr als gleicher willkommen sein dürfe. Wenn sie Monate lang auf ein Visum für Europa warten müssten, würden die Israelis vielleicht beginnen zu begreifen, über Nutzen und Kosten der Besatzung nachzudenken.

Für die Forderung, Druck von außen auszuüben, gibt es noch ein sehr überzeugendes Argument: In Israel existiert keine wirkliche Opposition mehr. Es ist keine Partei mehr da, die die Themen Besatzung, Menschenrechte und Siedlungspolitik permanent aufgreift und die Regierung vor sich hertreibt, um endlich mit dieser unwürdigen Tragödie, ein ganzes Volk zu unterdrücken und sich obendrein auch noch als die „einzige Demokratie im Nahen Osten“ zu bezeichnen, Schluss zu machen.

Abraham Burg, der sowohl Präsident des israelischen Parlaments (Knesset) wie auch der Zionistischen Weltorganisation war, hat sich jetzt ebenfalls sehr kritisch über den Zustand der israelischen Demokratie geäußert. Mangels einer oder mehrerer Parteien, die die Realisierung von humanen und universellen Werten gegenüber den Palästinensern einforderten, seien die Menschenrechtsorganisationen „Betselem“ und „Breaking the Silence“ an ihre Stelle getreten. Sie füllen das Vakuum und sind heute, schreibt Burg, die eigentlichen Wächter über den Dreiklang von demokratischen Werten, westlicher Kultur und jüdischem Erbe. Sie seien die wahren Patrioten eines humanen Israel, die nach der Wahrheit strebten und nicht vor ihr wegliefen.

Also kein Zweifel: Gabriel und Steinmeier haben alles richtig gemacht, aber das können nur erste Schritte zu einer neuen realitätsbezogenen Politik gegenüber Israel gewesen sein. Gespräche, mit kritischen israelischen Intellektuellen und Vertretern von Menschrechtsgruppen sind sicher gut und nützlich, aber man muss aus dem dort Gehörten und Erfahrenen auch Konsequenzen ziehen.

Und davon sind die deutsche und europäische Politik noch weit entfernt.