Ukraine- Konflikt: Wende in Washington wünschenswert

Nahostpolitik

Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 11./12.10.2022

Russland mit Kurs der Hardliner

Putins jüngste Rede am 30. September veranlasst nach Ansicht von Gilbert Doctorow eine Wende in Washington: Putins Bekenntnis zum Kurs der Hardliner habe in den USA ein Umdenken bewirkt. Man habe auch im US-State Department begriffen, dass es keinen Sinn mache, sich mit ihm immer noch mehr anzulegen.

Nikita Chruschtschows Wutausbrüche waren legendär. 1960 soll er auf der Generalversammlung der Vereinten Nationen sogar mit einem Schuh auf sein Rednerpult geschlagen haben. Aber er wurde ernst genommen.

Wladimir Putin verhält sich richtig. Seine Rhetorik gegen den maroden Westen ist eindeutig für jeden Mensch mit gesundem Menschenverstand. Sollte Putin mit einem Schuh auf den Tisch knallen, würde er auch allgemeinen Applaus bekommen. Über 70 Jahre der gegenseitig angedrohten Zerstörung sind genug.

Zukunft der Welt hängt von gegenseitigem Respekt ab

Putin hat aber immer wieder „die andere Wange“ hingehalten, wenn sein Land unfreundlich behandelt oder wenn er von amerikanischen Politikern wie Joe Biden persönlich beleidigt wurde. Die Zukunft der Welt hängt von gegenseitigem Respekt ab.

<<Putins vernichtende Kritik am US- geführten kollektiven Westen, in seiner Rede vom 30. September, zeigt nun klar, dass er sein persönliches Schicksal und das der russischen Nation nun den Hardlinern im Kreml anvertraut hat. Es sind die Konservativen, mit denen er sich jetzt verbündet hat, der Schlüssel zu seiner eigenen Zustimmungsrate von 72 Prozent, selbst heute noch nach der Ausrufung der „Teilmobilisierung“. Putins Anerkennung der neuen „Subjekte“ der Russischen Föderation, die unwiderruflich in das Mutterland integriert sind, bringt eine ernsthafte Eskalation des Stellvertreterkriegs mit der NATO mit sich. Jedem ist inzwischen klar, dass Russland seine neuen Grenzen mit all seinen beträchtlichen militärischen und sonstigen Ressourcen verteidigen wird.

Der plötzliche neue Beitrittsantrag in die NATO des ukrainischen Präsidenten Selenski, womit er eine sofortige Aufnahme meinte, wurde von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg zurückgewiesen. Es besteht kaum ein Zweifel daran, dass ihm diese Antwort von Washington vorgegeben wurde. Natürlich sind die Tage des Kiewer Regimes gezählt, nachdem Russland seine Kriegsanstrengungen verstärkt hat. Selenski & Co. werden nicht lange genug an der Macht bleiben, um ihren NATO-Antrag weiterzuverfolgen.

In der Zwischenzeit erklärte der US-Außenminister, Antony Blinken, gegenüber Reportern, die Vereinigten Staaten hätten keine Hinweise darauf, dass Russland beabsichtige, in der Ukraine Atomwaffen einzusetzen. Diese Abkehr von seinen Äußerungen der letzten Wochen bedeutet, dass die USA mit der Inszenierung einer weiteren antirussischen Operation unter falscher Flagge – diesmal durch die Zündung eines nuklearen Sprengsatzes irgendwo in der Ukraine, der dann dem Kreml angelastet werden könnte – zum Glück nicht mehr liebäugeln. Die Welt ist dadurch viel sicherer geworden.

«Financial Times» wird den russischen Staatschef und seine „Annexion“ der vier ehemaligen ukrainischen Oblaste weiterhin scharf kritisieren. «New York Times» aber nicht. Selbst unsere Medien beginnen zu begreifen, dass das Spiel vorbei ist – mit oder ohne Erfolge der ukrainischen Gegenoffensive.

Ja, die US-Narrative geht weiter: Russland wird von einem Autokraten regiert, dessen politischen Ansichten ein Dorn im Auge für Amerika und die EU ist. Aber zu unserer und der Sicherheit der Welt sollten wir ihn gewähren lassen und uns mit Russland nicht weiter anlegen.

Zivile und militärische Führung in Kiew rasch entmachten

Die Vorstellung, dass es zwischen Russland und dem kollektiven Westen zu einer Art „Versöhnung“ kommen wird, ist nun völlig vom Tisch. Ein Feind ist ein Feind. Das Einzige, worauf man in absehbarer Zeit noch hoffen kann, ist ein Waffenstillstand, ein Ende der militärischen Feindseligkeiten. Um dies zu erreichen, muss Putin … die zivile und militärische Führung in Kiew rasch entmachten. Die Führung des kollektiven Westens wird nichts anderes tun als bellen, während der Rest von uns nach Monaten der Angst wieder ruhig schlafen kann.>> („Putin hat sich auf die Seite der Hardliner geschlagen – und wird von den USA endlich ernst genommen“ von Gilbert Doctorow, 6.10.22)

Die jüngste Bemerkung der Bundeskanzlerin Angela Merkel zur erforderlichen gesamten Friedens- und Sicherheitsordnung Europas zusammen mit Russland hat die angelsächsische Achse extrem irritiert. Sie veranlasste, dass sich die europäischen Staaten auf einer EU-Konferenz für eine Sicherheitsordnung Europas, aber ohne Russland, aussprachen. Der russische Außenminister Sergej Lawrow reagierte sofort völlig treffend und bemerkte „die EU-Länder tanzen nach der Pfeife Kiews“. Er rief die USA auf, aufzuhören, Konfliktpartei zu sein. (Phoenix 7.10.22).

USA mit ihren terroristischen Sabotageakten gegen Nord Stream als Feind Deutschlands und Russlands demaskiert

Vor allem, nachdem sich die USA mit ihrer terroristischen Sabotageakte gegen Nord Stream am vergangenen 29. September als Feind Deutschlands und Russlands demaskierten und damit eine existentiell wichtige Lebensbedingung Deutschlands zerstört hatten, ist eine gesamteuropäische Sicherheitsarchitektur zusammen mit Russland nicht länger zu vernachlässigen, sondern sofort zu errichten. Sie befindet sich seit der Regierung Kohl-Genscher als fertiges deutsch-russisches Projektdokument im Kanzleramt und auch im Auswärtigen Amt. Deutschland und Russland gehören zusammen.