Die Unterwanderung der Israel-Kritik

Nahostpolitik

Von

Evelyn Hecht- Galinski, 04.12.2013

Ich möchte heute einmal auf eine neue Variante der israelischen Hasbara-Propaganda aufmerksam machen. Es gibt diverse Kaderschmieden in Israel, die nur dafür gegründet wurden, um Delegitimierungskampagnen gegen den „jüdischen Staat“ zu verhindern. Klar, ein Staat wie Israel, dessen Existenz auf zionistischen Werten beruht, die absolut nichts mit der immer wieder beschworenen Wertegemeinschaft zu tun haben, wie uns immer wieder von allen deutschen Politikern und auch der EU vermittelt werden soll, muss sich auf diese Weise Legitimation verschaffen. Zu diesem Thema möchte ich verschiedene Institutionen vorstellen, die eigens für diesen Zweck gegründet wurden. Wahrscheinlich gibt es unzählige mehr im Verborgenen! Und es gibt den Dokumentarfilm „The Lab“ von Yotam Feldman.

Im Jahr 2002 wurde das JPPI, The Jewish People Policy Institute gegründet, von Prof. Yehezkel Dror und Avinoam Bar-Yosef. Drei nicht unbekannte Persönlichkeiten standen hinter diesem Projekt, die ehemaligen Botschafter Stuart Eizenstat, Dennis Ross und Leonid Nevalin; sie scharten damals hundertzwanzig jüdische Akademiker, führende Persönlichkeiten und Fachleute um sich, um „Action Strategies for the Jewish Future“, also Strategien für die jüdische Zukunft zu entwickeln. Aus diesem Projekt heraus entstand auch 2008 zum sechzigsten Geburtstag der Gründung von Israel die „Präsidenten Konferenz“, voll auf Shimon Peres zugeschnitten mit über 5000 Teilnehmern aus 48 Ländern, Grußadressen und speziellen Veranstaltungen, unter Teilnahme von u.a.: George W. Bush, Tony Blair, Michael Gorbatschow, Henry Kissinger, Bernard- Henri Levy, Tzipi Livni, Ehud Olmert, Amos Oz, Dennis Ross und Elie Wiesel. Es fiel mir besonders auf, dass eine Protagonistin dieses Instituts, nämlich Einat Wilf, die das Institut verließ als sie als Abgeordnete der Arbeitspartei in die Knesset wechselte und später viele der schlimmsten „Außenansichten“ in der Süddeutschen Zeitung schreiben durfte, ganz im Sinn des JPPI! (1)

Das TIP, The Israel Projekt, welches im Jahr 2003 von Jennifer Laszlo Mizrahi, Margo Volftsun und Sheryl Schwartz gegründet wurde, hatte nur einen Zweck: nämlich durch gezielte Propaganda Israels Image in der ganzen Welt zu verbessern, um eine „Demokratie zu zeigen, die für den Frieden arbeitet“. Im Gremium sitzen seit 2007 zweiunddreißig demokra-tische und republikanische Mitglieder des US-Repräsentan-tenhauses und des US-Senats, sowie ehemalige israelische Botschafter. Das TIP hat Büros in Israel und den USA. Hier werden israelische Politiker und Beamte gebrieft um ihre Botschaft in die Welt zu tragen. Auch werden Journalisten mit „Hintergrund“-Daten versorgt, die diese dann in den jeweiligen Medien zu Israels Nutzen verbreiten sollen. Sie arbeiten auch stark mit palästinensischen Führern und arabischen Politikern zusammen. Die Auswirkungen erleben wir dann hautnah, wie jetzt in den sogenannten Friedensgesprächen mit der PA oder der Hilfestellung für palästinensische Politiker, wie dem ehemaligen Präsidenten Fayad, der in den USA „hofiert“ wurde. Sie haben ein Team von „vertrauenswürdigen“ in allen Sprachen agierenden Experten. Diese führen dann auch die „erhellenden“ Interviews mit Shimon Peres, oder anderen israelischen Vertretern, als Teil der „Pro-Israel-Lobby Medien Bemühungen“ rund um den Erdball.

Es werden Hubschrauberflüge und Touren für Journalisten und Führungskräfte organisiert, um diesen die „strategischen Schwierigkeiten“, denen das arme kleine Israel wegen seiner geringen Größe ausgesetzt ist. Diese etwa zweieinhalb Stunden-Touren werden von TIP-Verant-wortlichen, die ihre Analyse Israels und über die aktuellen Herausforderungen, denen sich Israel im Sicherheitsbereich ausgesetzt sieht, geführt. Schon Journalisten von über dreihundert Medien haben diese TIP-Touren mitgemacht. Die Auswirkungen dieser TIP-Touren müssen wir danach schmerzlich in diversen Medien erleben. TIP bildet zu diesem Zweck auch Stipendiaten in neunwöchigen Kursen aus, die von führenden Journalisten und Kommunikationsprofis auf ihre Interviews und das Schreiben von Artikeln und Presse-Events vorbereitet werden.

Im Jahr 2007 begann die Iran-Strategie, indem das The Israel Projekt versuchte, in einer Aktion die Test-Sprache auszuloten, mit der man damals in der amerikanischen Öffentlichkeit militärische Aktionen gegen den Iran am besten verkaufen könnte. Die letzte Frage in dieser Aktion war angeblich „Wie würden Sie sich fühlen, wenn George Bush, Hillary Clinton oder Israel den Iran bombardieren würden?“ Durch diese Aktionen wollte TIP den Glauben an Sanktionen gegen Iran und deren Nutzen fördern, um sie in die Öffentlichkeit und bis in den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu bringen. Wie wir wissen hat sich auch diese Strategie für Israel bewährt. Dr. Frank Lutz, eine andere wichtige Figur des The Israel Projekt, gab eine Studie heraus, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten sprachlich koscher für die USA-Bevölkerung zu machen und den Fokus nicht mehr auf die Siedlungen zu richten, sondern auf den „Frieden“.

Der schlimmste Ausspruch in dieser Studie war „Israel ist so reich und so stark, dass man nicht einsehen wird, warum es nötig ist, mit Panzern auf unbewaffnete Kinder zu schießen.“ Häuser von Palästinensern im annektierten Ost-Jerusalem würden die Israelis nur abreißen, weil sie nicht den israelischen Bauvorschriften entsprächen. Man sollte also weg von dem schlechten Image der Siedlungen, sich vielmehr auf die Vergangenheit und die Friedensvorstellungen fokussieren. Wenn Fragen über Siedlungen gestellt würden, gleich das Thema wechseln, oder wenn Druck ausgeübt würde, darauf verweisen, dass dann ethnische Säuberung betrieben würde, indem jüdische Israelis/Siedler vertrieben würden! So einfach ist das, wenn The Israel Projekt argumentiert. Nur durch einen glücklichen Zufall kam diese als „nicht zur Veröffentlichung und Verbreitung“ vorgesehene Studie an die Öffentlichkeit, nämlich durch Newsweek online.

Kommen wir zur nächsten Propaganda-Institution, dem im Januar 2004 von Gidi Grinstein und seinem Team gegründeten Reut Institut, das langfristige strategische Entscheidungsunterstützung für Israel zu liefern hat. Das Reut hat es sich besonders zur Aufgabe gemacht, den Zionismus des 21.Jahrhunderts als das Recht des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung in einem sicheren, wohlhabenden und demokratischen Staat Israel zu verkaufen.

Dass diese Propaganda hinten und vorne nicht stimmt und sich daher auch nur mit größter Mühe verkaufen lässt, ist für die Propagandisten nebensächlich, sie versuchen es mit aller Gewalt und hohem professionellem und finanziellem Aufwand. Aus diesem Grund hat die Hasbara auch beschlossen, „neue Wege zu gehen“. Man versucht jetzt mit unterschiedlichsten Gruppen in der Diaspora Kontakt zu halten und einen Dialog zu führen, bei dem die Toleranz von Kritik an Israel deutlich höher sein muss als in der Vergangenheit. Sie wollen jetzt Netzwerke mit Netzwerken bekämpfen. Reut meint allerdings, dass die Grenze von Delegitimierung unmissverständlich klar sein müsse, also eine rote Linie nicht überschritten werden darf. Deshalb wird von Reut empfohlen die Kritiker des Staates Israel viel mehr in den Dialog einzubeziehen und sich diesem Dialog zu öffnen.

Reut möchte also Israel-Kritik „light“ manipuliert zulassen, um diese dann im Kampf für Israel und gegen „BDS und Konsorten“, wie man sich ausdrückt, einzusetzen. Unter dem Motto „United but not unified“(Vereint aber nicht vereinheitlicht). Damit will man also kritische, aber eben nicht zu kritische, also Israel „genehme“ Kritiker unterwandern, um sich so einen demokratischen Anschein zu geben. Reut will also weg von den Parolen der früheren Jahre und gezielt auf moderne Propaganda umsteigen. Dafür organisiert man auch verstärkt Konferenzen, wie die vierte Konferenz des „Global Forum for Combating Antisemitism“ im Mai 2013, die vom israelischen Außenministerium und dem Ministerium für Jerusalem und Diaspora-Angelegenheiten organisiert wurde. Reut sieht auch erste Erfolge seiner neuen Strategie, z.B. nach dem „Debakel“ der Gaza-Flottille 2010, als keine Schiffe mehr nach Gaza gelangten, oder zumindest keinen so großen Medienrummel mehr auslösten, oder, wie Reut sich Hasbara-like ausdrückt, dass bei anderen Veranstaltungen im „antisemitischen Jahreskalender“, wie etwa „Proteste am Tag des Bodens“ oder der „Marsch auf Jerusalem“ kein nachhaltiges Echo mehr ausgelöst hätten.

Reut sollte sich dabei nicht zu sicher sein, dass das wirklich so ist, denn die BDS-Be-wegung wird immer stärker und wirkungsvoller in der Welt, auch unter Akademikern. Nichts fürchtet der „jüdische Staat“ mehr und nichts ist wirkungsvoller, als die BDS-Kampagne! Aus diesem Grund versucht man jetzt auch die BDS-Be-wegung zu spalten.

Dass Norman Finkelstein BDS angeblich als Sekte bezeichnete, die Israels Vernichtung wolle, zeigt doch nur, dass er die BDS-Kampagne und deren Ziele nicht verstanden hat oder noch zionistischen Restträumen und Stammesdenken anhängt. Vielleicht informiert sich Finkelstein einmal bei Prof. Judith Butler oder Prof. Noam Chomsky, zwei der wichtigsten UnterstützerInnen der BDS-Kampagne. Auch wenn ich gewisse Unterstützer der BDS-Bewegung, als klare Unterwanderer ansehe, wie z.B. George Soros, so muss ich doch in einem Fall dem palästinensischen Gründer der BDS-Bewegung, Omar Barghouti, beipflichten. Barghouti erklärte kürzlich auf einer Konferenz in Bethlehem, dass er Gespräche sogar bei einem kompletten Siedlungsstopp ablehnen würde. Der einzige Weg, alle Rechte für die Palästinenser zu sichern, sei ein völliger Boykott Israels. Als Gegenleistung für Frieden müssten die Israelis das Rückkehrrecht aller Flüchtlinge an jeden Ort und gleiche Rechte für Palästinenser in Israel garantieren.

Hier hat Barghouti einmal recht, denn das sogenannte Existenzrecht des „jüdischen Staates“ Israel beruht ja nur auf der Besatzung und Vertreibung des palästinensischen Volkes und eben nicht auf Grund eines demokratischen, die Menschenrechte und das Völkerrecht anerkennenden Staates Israel in festen Grenzen, ohne Besatzung und Blockade. Soll er deshalb ständig bestätigt werden, dieser einmalige Begriff für einen Staat?

Einen großen Erfolg der BDS-Kampagne in Deutschland möchte ich auch noch einmal erwähnen: Das SPD-Geschenk zum fünfundsechzigsten Geburtstag Israels, nämlich die Baumpflanzung und Grünwaschung durch den JNF/KKL auf geraubtem palästinensischem Land von vertriebenen Beduinen und Palästinensern, wurde durch die Boykott-, Desinvestitionen- und Sanktionen-Kampagne der BDS-Bewegung zu einem jämmerlichen Flop. Statt der erforderlichen 50.000 Euro, sind bisher gerade einmal 9.300 Euro zusammengekommen. Hoffentlich werden es nicht mehr bei dieser schlimmen Aktion der SPD!

Ich hatte auch ein etwas mulmiges Gefühl als ich einen Bericht in der Badischen Zeitung der letzten Woche las. Da ging es um den Film „The Lab“, für den ich selbst auch sehr geworben hatte, weil er die israelische Rüstungsindustrie beschreibt, ihren 3-Milliarden-Euro-Jahresumsatz, ihre Protagonisten, ihre Kunden und die Versuchsanordnung, in der die israelischen Waffensysteme seit Jahrzehnten Tests in Echtzeit durchlaufen – im Gazastreifen, hier als „Labor/The Lab“ getitelt. Auch ich hatte schon mehrfach in meinen Kommentaren Gaza als ein Versuchslabor für die israelische Waffenindustrie bezeichnet! (2)

Als ich aber las, dass dieser Film des 33-jährigen Journalisten und Dokumentarfilmers Yotam Feldman Filmförderung erhalten hatte und auch auf dem Dokumentarfilmfestival in Tel Aviv und im israelischen Fernsehen gezeigt worden war, und dass Feldman auch noch auf Nachfrage feststellte „Wir leben in einer Demokratie“, wurde ich doch etwas zwiespältig gegenüber diesem Film. Ich rief einen Freund und Mitstreiter in Frankreich an, und wir hatten beide das gleiche „Bauchgefühl“ und verfassten folgende Gedanken über den Artikel und Film:

Nach Lesen und Nachdenken über den Bericht der BZ über den Film „The Lab“ und seinen Autor Yotam Feldman kommen mir starke Zweifel an dessen Glaubwürdigkeit. Auf bewusst kühle, aber für mich auch erschreckende Weise gibt Feldman Auskunft über die Motive seines Landes, einen von vielen in Deutschland als „kritisch“ bezeichneten Film per nationaler Filmförderung zu unterstützen. Was sagt uns Feldman? Dass Israel das „besondere Glück“ hat, seine Waffen real am Zielobjekt zu entwickeln und sogar zu erproben. An lebendigen Menschen, an mehrheitlich wehrlosen und schutzlosen Palästinensern – was schert es diese Industrie? Und was schert es das Feldman, den kühl berichtenden „Dokumentarfilmer“? Was könnte sich diese israelische „Spezial-Industrie“ eigentlich mehr wünschen, als einen Film, der in geradezu „aseptischer“ Kälte diese „besonderen Vorzüge“ des „jüdischen Staates“ und seiner Tötungs-Maschinerie so werbemäßig eindrucksvoll ins Ausland trägt wie „The Lab“?

Schließlich wird den Waffen in Feldmans Film keinerlei „moralische oder unmoralische Qualität“ zugesprochen, lediglich ihre am Objekt getesteten Wirksamkeit. Für jeden Rüstungseinkäufer ein „Augenschmaus“. So ist es auch anders als Feldman glauben machen will, dass es sich bei Israel um eine Demokratie handelt, die für offizielle Tolerierung bis zu finanzieller Förderung sorgt, sondern es ist das ureigenste Interesse dieser Industrie, aller Welt zu zeigen: „Seht, wir haben nicht nur die besten Waffen, sondern sie haben ihre Wirksamkeit auf so eindrucksvolle Weise bewiesen. Bei uns könnt Ihr Euch bedienen, also kauft bei uns ein“!

Dem Bericht in der Badischen Zeitung verdanke ich diese Erkenntnis, die eigentlich nicht überraschend ist (siehe die neue Strategie der Hasbara-Institute). Denn schließlich ist die Zielsetzung des Films „The Lab“, ähnlich wie auch schon bei den „Gatekeepers“, ein erschreckendes Bild der israelischen „Tötungs-Maschinerie-Gesellschaft“ zu zeigen, aus israelischer, geförderter Produktion! Auch Feldmans Schlussaussage sehe ich nur als pazifistisches Feigenblatt: Als Reservist habe er inzwischen den Militärdienst verweigert. Warum müssen andere Verweigerer dieses Dienstes in Israel in aller Regel in den Militärknast gehen, „für 3 Monate, zur Wiedervorlage“, er aber nicht? Den Zielen der israelischen Waffenindustrie dient Feldman als „objektiv berichtender Filmemacher“, mit garantierten Auftritten im Ausland, und das zudem oft sogar im sogenannten „Friedenslager“, viel besser als mit jährlich ein paar Wochen Gammeldienst in der IDF als Reservist?

So bringt diese Filmförderung doch etwas für die „einzige Demokratie“ im Nahen Osten. Ganz im Sinne der neuen diplomatischen Strategie, so wie sie das Reut-Institut schon seit Jahren darstellt. Seien wir also auf der Hut vor einer Unterwanderung der Israel-Kritik und der Kritiker!

(1) http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/einat_wilf_palaestinenser_sind_selbst_schuld_an_ihrem_elend/

(2) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17572

Evelyn Hecht- Galinski