Konstruktiv über einen glaubwürdigen Friedensprozess reden

Nahostpolitik

Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 21.03.2023

Betr.: ARD-Fernsehsendung „Maischberger“ 15.3.23: „Erbitterter Kampf um Bachmut. Stehen die Menschen weiter hinter der Strategie von Präsident Selenski? Müsste der Westen mehr für eine Friedenslösung tun und auf Chinas Vorschläge eingehen?“ und Vermächtnis der verstorbenen Politikerin Antje Vollmer

Hoch profesionelle Maischberger, brillanter Christian Lindner – nur das Vermächtnis von Thomas Dehler fehlt

Das Gespräch mit Christian Lindner war sehr aufschlussreich und klärend. Maischberger stellte hoch professionell die richtigen Fragen, die er mit aller Klarheit beantwortete. Es ist nur schade, dass ein so brillanter Politiker wie Christian Lindner noch nicht das Vermächtnis von Thomas Dehler entdeckt zu haben scheint, ein Vermächtnis, das seine Partei dringend auf die heutigen Verhältnisse anzuwenden hat, um die Regierung zum richtigen Befreiungsschlag zu bringen und aus der Krise in Deutschland, die die Ampelregierung selbst schaffte, herauszukommen. Thomas Dehler erkannte ganz richtig im Bundestag 1958: <Der gegenwärtige Abschnitt der Nachkriegsgeschichte und der Geschichte der Bundesrepublik wie der Geschichte der weltpolitischen Entwicklung ist entscheidend. Der bisherige Weg hat dazu geführt, dass die Lage immer ernster geworden ist. Er führt zur Verhärtung der Weltlage, zum Wettlauf der Rüstungen mit ihren unabsehbaren Folgen auf allen Gebieten, nicht nur militärischen, sondern auch politischen und wirtschaftlichen, mit der Folge, dass Deutschland auf Generationen hin zerrissen ist. Der letzte in unserem Volk weiß, dass man hier zwar von deutscher Einheit und von Wiedervereinigung spricht, aber sie nicht ernstlich erstrebt. Darum geht es doch. Die Politik des Kalten Krieges ist in Wirklichkeit keine Politik, ist Verzicht auf Politik, ist Verzicht darauf im Wege der Politik – d.h. doch des Verhandelns, des Einwirkens auf allen möglichen Wegen der Rede – den politischen Willen des anderen zu beeinflussen. Der Kalte Krieg, der begonnen worden ist, ist der Verzicht auf diese Politik gewesen, und was wir heute hören, heißt doch in Wirklichkeit: Man will trotz allem diesen Weg weitergehen. Man treibt die gleiche Politik wie bisher. Natürlich ist es die „Politik der Stärke“. Was ist es denn sonst? Vielmehr: Es ist das Verhalten der Stärke. Es ist das Verhalten der Stärke, wenn man darauf verzichtet, politisch zu wirken. Das ist der Witz der ganzen Geschichte.>

Selbst für die eigene Sicherheit sorgen, US-Präsenz endlich überwinden

Die US-Präsenz in Deutschland, ja in der gesamten EU sollte endlich überwunden werden, denn, wie die Geschichte nach 1945 zeigt, ist es sicherer für die Europäer, selbst für die eigene Sicherheit zu sorgen. Und diese Aufgabe wird immer dringlicher, wie unschwer an der Entwicklung in Osteuropa und jetzt in der Ukraine zu erkennen ist.

Der Vorschlag Chinas für einen Frieden in der Ukraine sollte Hauptthema sein, wenn es um die Zukunft Europas geht. Die Redaktion „Maischberger“ versäumte es allerdings, dies zu erkennen.

Kalte Krieger bei Sendungen wie „Maischberger“ fehl am Platz

Weil der Krieg in der Ukraine ein Krieg der USA mit ihrer NATO gegen Russland ist, sollten antirussische Teilnehmer in einer Diskussion, die erwiesene Sachlichkeit und Besonnenheit erfordert, keinen Platz haben. Deswegen ist ein Kalter Krieger wie Wolfgang Ischinger völlig kontraproduktiv und fehl am Platz, so auch bei Maischberger am 15.3.23. Der alte Mann Ischinger kennt keine andere Welt als die der US-Hegemonie, die die USA zusammen mit Großbritannien jahrzehntelang durchgesetzt haben.

Bürgerliche Staatsraison: Ausschöpfung aller politisch-ideologischen, juristischen und militärischen Machtmittel zum Erhalt des verbecherischen Wirtschaftssystems

<Der USA-Imperialismus, in seiner letzten und bislang schlimmsten Phase – ein zerrütteter Staat, angeführt von einer geld- und profitgierigen Mafia terrorisiert die gesamte Weltbevölkerung. Ihre Vasallen-Staaten, Australien und EU machen mit. Wohin man blickt, Krisen, Konflikte, Kriege. Die Themen scheinen unerschöpflich zu sein, mit denen die gekauften Massenmedien versuchen, die Volksmassen der Welt in Angst und Schrecken zu versetzen. Der bürgerliche Staat kennt nur noch eine Räson, und das ist die Ausschöpfung aller politisch-ideologischen, juristischen und militärischen Machtmittel zum Erhalt seines verbrecherischen Wirtschaftssystems – Der Autor, Wolfgang Bittner, geht hier der Frage nach, ob es für diesen entsetzlichen Zustand Verantwortliche gibt, und findet dazu deutliche Worte. Wohin soll das alles noch führen?

Deutschland im Westen als „Speerspitze“ gegen Russland

Wolfgang Bittner hat zuvorderst die USA im Blick, die ihren Anspruch auf Weltherrschaft mit aller Macht zu erhalten suchen. Dazu nutzen sie die NATO und ihre subversiven Netzwerke. Während Japan als Frontstaat gegen China aufgerüstet wird, dient Deutschland im Westen als „Speerspitze“ gegen Russland. Die Bevölkerung wird nicht gefragt, vielmehr fehlinformiert und indoktriniert. Das trifft auch auf den Krieg in der Ukraine zu, dessen Vorgeschichte schlicht unterschlagen wird. Deutschland steht nach wie vor unter Vormundschaft der USA. Wo wir hinschauen, herrschen Krieg, Chaos und Konfusion. Die USA haben es geschafft, Europa zu spalten und überall Krisenherde zu schaffen. Es ist doch unnatürlich, wenn Russland verteufelt wird, und wenn wir einen Krieg vor der Tür haben, also in einen Krieg hineingedrängt werden, durch den wir und Europa, ruiniert werden, und insbesondere Deutschland, auslöschen könnte.

Ungenutzte Chance eines gemeinsamen Wirtschaftsraums von Wladiwostok bis Lissabon

Alt–Kanzler Willy Brandt sagte sinngemäß: Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein, im Inneren und nach außen. Das ist vorbei. Die Chancen, die sich damals eröffnet hatten, wurden nicht genutzt und ebenso wenig das Angebot des russischen Präsidenten Wladimir Putin, der 2001 in seiner Rede im Deutschen Bundestag von einem gemeinsamen Wirtschaftsraum von Wladiwostok bis Lissabon sprach. Das war damals noch möglich.

Absurde Entwicklung

Wie würde Deutschland, wie würde Europa heute dastehen, wenn wir darauf eingegangen wären? Aber das haben die USA verhindert. Und es ist auch nicht gelungen, dieses Chaos und diese Konfusion in Deutschland zu verhindern. Also, die Bevölkerung ist gespalten. Wir merken das doch überall: Kriegsbefürworter und Kriegsgegner. Das ist doch absurd, was sich da abspielt. Der Wirtschaftsminister ist dabei, die deutsche Wirtschaft zu ruinieren, die Außenministerin will Bunker bauen, und der Verteidigungsminister will noch mehr Geld für Rüstung und noch mehr Geld für Panzer oder noch mehr Panzer in die Ukraine liefern. Da fehlen mir einfach die Worte…> (Ein Gespräch mit Wolfgang Bittner, 18.3.2023)

Friedensvorschlag Chinas bei Maischberger unbehandelt

Diese schlimme internationale Lage hinsichtlich der Ukraine wurde bei Maischberger von keinem Teilnehmer realistisch erkannt und sachlich analysiert, vor allem nicht von einem Wolfgang Ischinger, der erbärmlicher Weise, trotz allem immer noch als Fürsprecher für die hegemoniale Macht wirkt, Chaos, Konfusion und Krisenherde übersieht und die Realität auf den Kopf stellt. Als Maischberger ihn mit der jüngsten Erklärung von Russlands Außenminister, Sergej Lawrow, konfrontiert, der direkt auf die USA und ihre NATO hinweist, die die Ukraine für den Krieg gegen Russland benutzt, weigert sich der frustrierte „Diplomat“ Ischinger, die Sachlage anzuerkennen und sich dazu grundsätzlich zu äußern. Stattdessen diffamiert er den russischen Außenminister als einen „Lügner“. Auf Maischbergers Frage, ob er Lawrow nicht persönlich kennt, sagt der verlorene deutsche Diplomat sinngemäß: „Ja, er ist einer der besten Diplomaten der Welt.“ Maischberger: „Warum sollte er dann lügen“? Ischinger: „Das frage ich mich auch, aber er weiß, dass er lügt“. So widerwärtig zeigt sich ein falscher Diplomat, der von Diplomatie nichts versteht und nicht fähig ist, sachgemäß zu argumentieren und nicht bereit ist zu erkennen, dass der Krieg für die Ukraine verloren ist. Mit einem solchen ungehobelten, ungebildeten Kalten Krieger ist es unmöglich, sachlich über einen Friedensprozess zu reden und weniger noch zu erwarten, er könne den Friedensvorschlag Chinas richtig bewerten. Chinas Vorschlag blieb deshalb bei Maischberger leider unbehandelt.

Schicksal des ukrainischen Staatsoberhauptes ein Schlüsselaspekt für den Ausgang der Krise

Die Lage in der Ukraine hat sich so sehr zugespitzt, dass der ukrainische Machthaber Wladimir Selenski Gefahr läuft, vom ukrainischen Militär getötet zu werden. Darauf wies Scott Ritter hin (pensionierter US-Geheimdienstler und ehemaliger UNO-Waffeninspektor für die Überwachung der Beseitigung irakischer Massenvernichtungswaffen). Scott Ritter sagte, das Schicksal des ukrainischen Staatsoberhauptes sei ein Schlüsselaspekt für den Ausgang der Krise. Ritter fügte hinzu: „Er hat verloren. Und wenn er in der Ukraine bleibt, fürchte ich, wird er sterben. Er wird entweder durch russischen Beschuss umkommen oder durch die politische Instabilität, die durch Fehler in seiner Politik verursacht wurde. Jemand, wahrscheinlich ein ukrainischer Offizier, wird ihn umbringen.“

Selenski für die US-Regierung nur ein Bauer auf ihrem Schachbrett

Für die USA und ihre NATO samt Marionetten-Regierungen, darunter Berlin, sind Menschen und ukrainische Soldaten lediglich Kanonen-Futter. Auch Selenski, eine Art US-Treuhänder, ist für für die US-Regierung nur ein Bauer auf ihrem Schachbrett, der, wenn nötig, zu opfern sein wird. Glücklicherweise haben sich schon Teile der ukrainische Armee ergeben, ihre Waffen niedergelegt und das Angebot der Russen angenommen, am Leben zu bleiben, statt für eine verlorene Sache zu sterben.

Erhellendes Vermächtnis von Antje Vollmer

Ganz im Gegensatz zu den verdunkelnden Szenarien, die deutsche Medien verbreiten, erscheint das erhellende Vermächtnis von Antje Vollmer. Die Grünen-Politikerin Antje Vollmer, promovierte Theologin, einst Bundestagsabgeordnete ihrer Partei und ehemalige Vizepräsidentin des Bundestags ist am Mittwoch 15.3.23 von uns weggegangen, aber ihre klaren Überlegungen bleiben für uns alle immer erhellend – für alle politischen Parteien, für die Kirchen und die gesamte Gesellschaft, vor allem für die heutigen Grünen-Parteimitglieder, damit sie den Weg zu ihren Wurzeln wiederfinden.

Auch nach ihrer Zeit im Parlament betätigte sich Antje Vollmer in der politischen Debatte und vertrat ihre pazifistischen Überzeugungen. Vollmer war eine Gegnerin des Jugoslawien- , Irak- und Afghanistan-Krieges. Im April 2022 unterzeichnete sie einen offenen Brief, in dem Bundeskanzler Olaf Scholz dazu aufgefordert wurde, die Waffenlieferungen an die Ukraine zu stoppen.

In der letzten Zeit hatte sich Vollmer zunehmend von ihrer einstigen Partei entfremdet: Bereits 2021 kritisierte sie die Entwicklung der Grünen, die Waffenhilfe für die Ukraine befürwortete. Laut Vollmer sei dies eine Abkehr von den Ursprüngen der Partei, die in der Friedensbewegung wurzelte. In ihrem letzten großen Essay mit dem Titel „Was ich noch zu sagen hätte“, veröffentlicht in der Berliner Zeitung (23.2.23), wollte sie ihr politisches Vermächtnis verstanden wissen. Dort heißt es: <Meine ganz persönliche Niederlage wird mich die letzten Tage begleiten. Gerade die Grünen, meine Partei, hatte einmal alle Schlüssel in der Hand zu einer wirklich neuen Ordnung einer gerechteren Welt. Sie war durch glückliche Umstände dieser Botschaft viel näher als alle anderen Parteien. Wir hatten einen echten Schatz zu hüten: Wir waren nicht eingebunden in die machtpolitische Blocklogik des Kalten Krieges. Wir waren per se Dissidenten. Wir waren gleichermaßen gegen die Aufrüstung in Ost wie West, wir sahen die Gefährdung des Planeten durch ungebremstes Wirtschaftswachstum und Konsumismus. Wer die Welt retten wollte, musste ein festes Bündnis zwischen Friedens- und Umweltbewegung anstreben, das war eine klare historische Notwendigkeit, die wir lebten. Wir hatten dieses Zukunftsbündnis greifbar in den Händen.“

Weiterhin fragt sie: „Was hat die heutigen Grünen verführt, all das aufzugeben für das bloße Ziel, mitzuspielen beim großen geopolitischen Machtpoker, und dabei als lautstarke Antipazifisten ihre wertvollsten Wurzeln verächtlich zu machen?>

In diesem Zusammenhang wäre es zu begrüßen, den Grünen-Politiker Ludger Volmer zu einem konstruktiven Gespräch über einen glaubwürdigen Friedensprozess mit Russland einzuladen. Als einstiger Staatsminister im Auswärtigen Amt hat er die Russland-Politik seiner Partei scharf attackiert. Der 64-Jährige, der unter der Ägide Joschka Fischers amtierte und 2005 aus dem Bundestag ausschied, wirft seiner Partei Bündnis90/DieGrünen in einem offenen Brief vor, den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu dämonisieren und „Nato-Parolen geschmeidig herunterzubeten“. Dadurch wachse die Eskalationsgefahr. Es sei „eine Schande für eine Friedenspartei“, dass sie dazu „in Schweigen erstarrt“.

Zusammen mit Antje Vollmer hatte sich Ludger Volmer der Bewegung „Aufstehen“ von Sahra Wagenknecht angeschlossen.