Trump als zündelnder Chaosstifter

Nahostpolitik

Von Arn Strohmeyer, 07.12.2017

Die frühere israelische Ministerpräsidentin Golda Meir hat einmal den berühmt gewordenen Ausspruch getan: „Ich kenne kein palästinensisches Volk, das gibt es gar nicht.“ Und Shimon Peres, der später für seine Rolle beim Zustandekommen der Oslo-Verträge den Friedensnobelpreis bekommen hat, schreibt in seinen Lebenserinnerungen, dass man bei der zionistischen Besiedlung Palästinas die Ureinwohner dieses Landes gar nicht gesehen habe: „Es gab sie für uns gar nicht!“ Deshalb konnten die Zionisten, die etwa ab 1880 nach Palästina kamen, das Land auch als „leer“ bezeichnen, obwohl es in Wirklichkeit mit Arabern voll bewohnt war.

Nach dieser Maxime, dass es die Palästinenser eigentlich gar nicht gab, haben die Großmächte (erst Großbritannien, später die USA,) die hinter dem zionistischen Projekt der Schaffung eines jüdischen Staates mitten im arabischen Raum standen, Politik gemacht. Ob es die Balfour-Erklärung der britischen Regierung von 1917 war, in der London den Juden zusagte, in Palästina eine „Heimstätte“ gründen zu können; ob es der UNO-Teilungsplan von 1947 war, der den nach Palästina eingewanderten Juden 56 Prozent von Palästina zusprach, den Arabern aber nur 42 Prozent, obwohl diese zwei Drittel der Bevölkerung stellten; oder ob es die Oslo Verträge von 1993 an waren, die den Palästinensern keine staatliche Souveränität verschafften, sondern nur die „Fortsetzung der Besatzung mit anderen Mitteln“, wie ein israelischer Kritiker geschrieben hat. Der palästinensische Wissenschaftler und Schriftsteller Edward Said merkte an, dass die Palästinenser durch die Oslo-Verträge die Souveränität erhalten hätten, von nun an ihre Müllabfuhr selbst organisieren zu dürfen. Seitdem sind sie In Reservaten (Westjordanland und Gazastreifen) eingesperrt und ganz der Willkür der israelischen Besatzer unterworfen.

Mit anderen Worten: Die Palästinenser waren und sind in der internationalen Politik eine Nullgröße, sie spielen im Machtspiel der Großen keine Rolle. Man hat immer geglaubt, sie einfach übergehen zu können. In dieser unseligen Tradition stehend behandelt sie jetzt auch Donald Trump, und er stürzt den Nahen Osten damit in eine neue Phase der Ungewissheit, des Unfriedens, des Terrorismus und neuer Kriege. Denn mit seinem Coup, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, übergeht er die Palästinenser mit rücksichtsloser Brutalität. Wie Golda Meir scheint auch er zu glauben, dass es dieses Volk gar nicht gibt. Trump handelt völlig einseitig im Interesse Israels, weshalb der Jubel über seinen Schritt dort verständlich, aber sehr kurzsichtig ist.

Der US-Präsident hatte bei seiner einsamen Entscheidung natürlich auch die amerikanische Innenpolitik im Blick: die große jüdische Klientel und Lobby in den USA – und die zahlenmäßig noch größere Gruppe der evangelikalen Christen, die Israel aus religiösen Gründen unterstützen.

Beiden Gruppen hat er die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels im Wahlkampf versprochen, und sie spielen in seinen Plänen für die Wiederwahl im Jahr 2020 eine wichtige Rolle. Die Argumente in der Sache, die er für seinen Schritt anführt, sind allerdings ohne jede Überzeugungskraft. Er erkenne nur die Realität an, die schon lange bestehe, behauptet er, dass Jerusalem eben die Hauptstadt Israels sei. Nur: Diese Realität ist eine Realität auf tönernen Füßen, die Israel mit Waffengewalt 1967 geschaffen und mit der Annexion der Stadt 1980 eigenmächtig besiegelt hat – niemand auf der Welt außer der Regierung von Donald Trump erkennt diese Realität an. In den entsprechenden UNO-Resolutionen heißt es immer wieder, dass Israels Vorgehen völkerrechtlich null und nichtig ist und eine Lösung nur zwischen den Beteiligten selbst ausgehandelt werden kann. Trumps Schritt ist politisch nicht nur höchst gefährlich, er ist auch ein glatter Völkerrechtsbruch. Und Israel kann sich in seiner Politik des Landraubs und der Unterdrückung bestätigt fühlen.

Sein Vorgehen ist auch deswegen so verantwortungslos, weil er sich über die politischen und religiösen Realitäten dieser Region so arrogant hinwegsetzt. Man muss wirklich kein Freund des türkischen Präsidenten Erdogan sein, aber er hat Recht, wenn er jetzt sagte: „Niemand hat das Recht, wegen seiner persönlichen Ambitionen mit dem Schicksal von Milliarden Menschen zu spielen.“ Aber Trumps Rücksichtslosigkeit wird sich rächen. Die arabische, ja die ganze moslemische Welt wird, wenn sie ihr Gesicht, ihren Stolz und ihre Selbstachtung nicht verlieren will, diese einsame Entscheidung des Mannes im Weißen Haus nicht hinnehmen.

Er hat die Brandfackel an die Zündschnur des Pulverfasses Nahost gelegt, er betätigt sich als zündelnder Chaosstifter. Die Politik der einstigen Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien und später die Weltmacht USA haben den permanenten Krisenzustand in dieser Weltregion erst geschaffen, Trump tut nun Alles, dass es so bleibt, ja noch schlimmer wird.

Das Paradoxe an der Situation dabei ist, dass die Palästinenser zwar ohnmächtig sind, aber sie sind als Realität da und deshalb nicht einflusslos. Ohne ihre gleichberechtigte Teilnahme an einer Lösung des Konfliktes wird es keinen Frieden geben.

Das einzusehen ist offenbar sehr schwer, die Israelis wollten und wollen es in den Jahrzehnten der Existenz ihres Staates bis heute nicht wahrhaben und der Polit-Dilettant Trump hat es erst recht nicht begriffen.

Der Preis für dieses Nicht-Verstehen aber wird von Tag zu Tag höher.