Was Israel in Jerusalem vor hat

Nahostpolitik

Ran HaCohen, 19. Oktober 2015

Wieder einmal herrscht in Israel eine Atmosphäre des Kriegs. Im Fernsehen gibt´s den ganzen Tag nichts als messerstechende, steinewerfende, brandstiftende Palästinenser; die Aufnahmen werden bis zum Gehtnichtmehr wiederholt, und eine Sekunde vor dem Erbrechen werden Erinnerungen an frühere Intifadas gesendet, um die aktuellen Ereignisse in den richtigen historischen Zusammenhang zu rücken. Der Saftverkäufer sagte zu mir: „Es war schon immer so: immer töten sie uns. Erster Tempel, Zweiter Tempel, die Kreuzzüge, der Holocaust, und jetzt das.“ (Er war von den Socken, als ich wissen wollte, wohin die Amalekiter verschwunden sind, wer es war, der sie getötet hat.) Wir haben jetzt auf der einen Seite mit Messern und Steinen bewaffnete Palästinenser – nicht einmal Bomben und Schusswaffen haben sie mehr – und eine regionale atomare Supermacht, darüber hinaus einen der größten Waffenexporteure der Welt, und es liegt auf der Hand, dass letztere das Opfer ist. Wenn die Götter eine Nation zerstören wollen, dann schlagen sie sie zuerst mit Blindheit.

Es ist erstaunlich, wie sogar intelligente, eher kritische israelische Intellektuelle – wie Yaron London in seinen täglichen Nachrichtenshows im Fernsehen – die Behauptung des Ausflüchtemachers Netanyahu glauben, dass Israel keine Absicht hat, den Status Quo auf dem Tempelberg zu ändern. „Was, Sie glauben wirklich und ehrlich die Legenden, dass wir den Status Quo ändern wollen?!“, fragt er voll Verachtung jeden palästinensischen Gast in seinem Studio. Ja wirklich, warum haben die Palästinenser nicht ein bisschen mehr Vertrauen zu uns? Haben wir sie je belogen, versucht, ihr Land, Wasser, Freiheit oder ihre heiligen Stätten mit Gewalt zu nehmen? Der Status Quo, auf den man sich nach der Okkupation Ostjerusalems 1967 geeinigt hat, gestattet Nicht-Moslems Besuche der Moscheen aus dem 7. Jahrhundert auf dem Tempelberg, verbietet aber das Beten dort. Gibt es da einen Grund für die Paranoia der Moslems?

Aber nein, überhaupt keinen Grund. Außer der Tatsache, dass zumindest ein Drittel der Abgeordneten der Knesset von Netanyahus Likud-Partei (nicht zu reden von den weit rechts stehenden Parteien seiner Koalition) lautstark die Änderung des Status Quo unterstützen, unter ihnen die energische Kulturministerin Regev, die den Knesset-Ausschuss für das Innere wöchentlich einberufen hat, um den Tempelberg zu „diskutieren.“ Abgesehen davon hat der frühere Minister für innere Sicherheit Aharonovich jetzt enthüllt, dass Regev ihn sogar ersucht hat, einen neuen Zugang zum Tempelberg durchzubrechen: „Ich sagte ihr: ‚nur über meine Leiche. Verstehen Sie nicht, dass der Tempelberg die gesamte muslimische Welt in Brand setzen kann?’ Sechs Jahre lang behielt ich den Status Quo bei, so gut ich konnte,“ sagte er Ha’aretz (15.10.2015). Jetzt, wo er sich im Ruhestand befindet, ist Regev stärker geworden. Es besteht allerdings kein Grund, Netanyahu nicht zu glauben, außer der Tatsache, dass mehr und mehr Juden, und weniger und weniger Moslems der Zugang zum Areal gestattet wird, dass jetzt die israelische Polizei sogar eine ständige Präsenz dort eingerichtet hat, dass es eine Reihe und Dutzende von Gruppen jüdischer Fanatiker gibt, die Bilder des Berges veröffentlichen, auf denen die Moscheen wegretuschiert sind, die versuchen, den Grundstein für einen dritten jüdischen Tempel zu legen, die sich darauf vorbereiten, Tiere zu opfern und alle weiteren primitiven Riten zu zelebrieren, die angeblich vor zweitausend Jahren in diesem Tempel praktiziert wurden. Es besteht also überhaupt kein Grund, für die Zukunft der Moschee zu fürchten, den drittheiligsten Ort des Islam und ein palästinensisches nationales Symbol – schon gar nicht unter der extremistischsten jüdischen Regierung, die Israel je gesehen hat…

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http://antikrieg.com/aktuell/2015_10_19_wasisrael.htm